Mit einem Staraufgebot an Köchinnen und Köchen feierte der älteste Kochkongress der Welt in San Sebastián (ES) die gastronomische Avantgarde.
«Ich habe nie Drogen genommen, aber meine Arbeit im ‹El Bulli› in den 1990er-Jahren und der Aufenthalt in Mexiko um die Jahrhundertwende waren mein Ecstasy». Mit diesen Worten unterstrich René Redzepi vom «Noma» in Kopenhagen (DK) an der 25. San Sebastián Gastronomika die Wichtigkeit seines Aufenthalts in Spanien. Redzepi schloss seine Präsentation mit der rätselhaften Botschaft: «Wir schliessen nicht, wir bauen ein neues Noma.»
Die radikalste Präsentation an der diesjährigen San Sebastián Gastronomika zeigte Rasmus Munk vom Restaurant Alchemist in Kopenhagen. «Es gibt mehr als 800 Millionen Menschen, die jede Nacht hungrig schlafen gehen, und das wollen wir ändern. Deshalb haben wir den Brustkorb eines hungernden Kindes nachgebildet. Darauf haben wir Kaninchenfleisch aus nachhaltiger Zucht mit verschiedenen Blüten gesetzt.» Es sei ein Gericht, das «beunruhigend ist, das den Gast wütend macht», so Munk. Er rechtfertigte diese Provokation damit, dass Gäste in seinem ‹Alchemist› viel bezahlen würden und dass die Bitte, einen Betrag gegen den Hunger in der Welt zu spenden, nicht zu viel sei.
Ein Alleinstellungsmerkmal der San Sebastián Gastronomika ist, dass Teilnehmende das auf der Bühne Präsentierte degustieren können. Dafür bereitete eine separate Crew die vorgestellten Gerichte in einer Küche hinter der Bühne zu.
Wie die Jahre zuvor wurde das Programm der Gastronomika von der spanischen Kochelite dominiert. Elena Arzak präsentierte eine neue Art der Gästekommunikation (Querida at Commensal), die sie im nächsten Jahr in ihrem Restaurant einführt. «Wir wollen, dass sich unsere Gäste wie zu Hause fühlen und dieses Gefühl beginnt mit der Reservierung», so Arzak. Nach dem Platzieren der Reservation wird mit dem Gast eine Beziehung aufgebaut, damit er sich als Teil der Arzak-Familie fühlt. Entsprechend wird die Kommunikation nach der Reservation bis zum Eintreffen des Gasts über Monate weitergeführt.
Diego Guerrero, Restaurant DSTAgE, Madrid
Elena Arzak präsentierte auch drei Gerichte. Mit ihrem Dessert demonstrierte sie, wie aus altem Brot Chips entstehen. Dafür zerkleinerte sie Brot und mischte es mit Wasser und einem Anteil von 30 Prozent Amylase. Dann wird das Gemisch während zwölf Stunden bei 55 Grad Celsius fermentiert. Die Masse wird dünn ausgestrichen und getrocknet. In frittierter Form eignen sich die süss schmeckenden Chips als Texturgeber und Dekor für Dessertkomponenten.
Ebenfalls mit Enzymen arbeitet Diego Guerrero vom «Dstage» in Madrid. Der baskische Küchenchef erklärte, wie er und sein Team mit Amylase, Pekinase und Protease verschiedene Lebensmittel umwandeln. Guerrero forderte das Publikum auf, mithilfe von Enzymen bei Fermentationszeiten und Reifungsprozessen zu spielen, um so die Bestandteile und Eigenschaften von Lebensmitteln zu verändern.
Viel Platz bekam in diesem Jahr die japanische Kochkultur. Besonders positiv fiel die Präsentation von Yoshihiro Narisawa vom gleichnamigen Restaurant in Tokio (JP) auf. Der japanische Spitzenkoch demonstrierte seine Gerichte auf höchst ästhetische Art und Weise – von der Inspiration bis zur Realisation. Eines hiess «Memory of Summer» und basierte auf dem asiatischen Süsswasserfisch Ayu. Dieser Fisch, der im Sommer Saison hat, ernährt sich von Algen und entsprechend kamen diese auch als Zutat im Rezept vor. Apropos Rezept: Auch in diesem Jahr bekamen alle Teilnehmenden des Kochkongresses ein Buch mit den Rezepten zu den gezeigten Gerichten. Darin zu finden ist auch Yoshihiro Narisawas Rezept zu «Memory of Summer». Dieses erstreckt sich über fünf Seiten und ist somit das komplexeste und umfangreichste Rezept im Buch.
(Patrick Zbinden)