In der Küche dürfen Regionalprodukte auch von weiter her stammen. Beim Wein endet der Horizont häufig an der Kantonsgrenze.
Der Konsum alkoholischer Getränke sinkt weltweit. Auch Wein wird von Jahr zu Jahr weniger getrunken. Schweizer Winzerinnen und Winzer hatten bisher Glück. Das hat mehrere Gründe. So ist die Schweiz – anders als Österreich, Frankreich oder Italien – keine Weinexportnation und der heimische Weinbau ist in der Bevölkerung stark verankert. Die Produktion entspricht in etwa einem Drittel des Konsums.
Die Weingeografie zeigt, dass rund 74 Prozent der Schweizer Weine in der Romandie produziert werden. Aus der Deutschschweiz stammen gut 18 Prozent und das Tessin trägt einen Anteil von 8 Prozent bei.
Bei der Bevölkerung ist die Situation umgekehrt. Im Jahr 2023 wohnten 70 Prozent der Menschen in der Deutschschweiz. Die Romandie hat einen Anteil von 26 Prozent und nur 4 Prozent leben in der Sonnenstube Tessin.
Mit 66, 29 und 5 Prozent entspricht der Anteil am gesamten Weinkonsum in etwa der regionalen Aufteilung der Bevölkerung. Gemäss Schweizerischem Observatorium des Weinmarktes ist der Anteil der Schweizer Weine im Tessin mit 24 Prozent am kleinsten. In der Deutschschweiz ist er mit 25 Prozent nicht wesentlich höher. In der Romandie wird mit 36 Prozent am meisten heimischer Wein konsumiert.
Obwohl auch hierzulande weniger Wein getrunken wird, erfreut sich die regionale Produktion zunehmender Beliebtheit. Doch die Rechnung geht nicht für alle auf. Dies zeigt das Beispiel der Weine aus Pinot Noir, der blauen Rebsorte, die in allen Kantonen angebaut wird. Aus Deutschschweizer Sicht ist die Bündner Herrschaft das renommierteste Anbaugebiet. Für dessen Weine werden auch die höchsten Preise bezahlt. Lagenweine gibt es ab 55 Franken pro Flasche. Top-Crus aus den Kantonen Zürich, Thurgau und Aargau sind für rund 35 Franken zu haben. Doch dann schielen Deutschschweizer Weinliebhaber bereits in Richtung Burgund. Die Rebberge am Bieler- und Neuenburgersee, mit gleichen Böden und gleicher Ausrichtung wie im Burgund, haben sie nicht auf dem Radar. Das bestätigt der Blick auf zahlreiche Weinkarten in der gehobenen Gastronomie der Deutschschweiz. Dort endet nämlich die Regionalität häufig an der Kantonsgrenze.
Dabei wären Einkaufspreise von 18 bis 26 Franken äusserst interessant für die Gastronomie. «Obwohl drei der vier Grand-Cru-Pinots maximal 26 Franken kosten, haben sie ausserhalb der Region einen schweren Stand», sagt Catherine Cruchon, Önologin des biodynamisch bewirtschafteten Familienbetriebs in Echichens/VD. Zu den Grand Crus zählt sie auch den Servagnin, einen Wein aus einem alten Pinot-Noir-Klon aus der Region Morges/VD. Mit dieser Spezialität ist sie Mitglied beim Mémoire des Vins Suisses.
Ähnlich klingt es bei Olivier Mounir von der Cave du Rhodan in Salgesch/VS. Er ist mit seinem Pinot Noir Diversitas in der Schatzkammer des «Mémoire». vertreten. «Deutschschweizer interessieren sich für Petite Arvine, Heida und Cornalin», sagt Olivier Mounir. «Traditionelle Weine wie Dôle oder Johannisberg werden kaum nachgefragt.»
Einen schweren Stand haben auch Genfer Winzer. Dies obwohl viele ihrer Crus unter 20 Franken zu haben sind.
(Gabriel Tinguely)