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Trinkbares Parfum

Schweizer Brenner holen das Beste aus Früchten, Gemüse und Gewürzen. Ende April prämierte der Swiss Spirits Award die schönsten Destillate.

Christian Orator hat seine Brennerei erst im Jahr 2016 in Betrieb genommen. Seine Destillate sind Parfums zum Trinken. (JulianTSE.com)

Destillate und Edelbrände aus Schweizer Produktion sind im Aufwind. «Die zunehmende Wertschätzung regionaler Produkte hilft auch uns Brennern», sagt Toni Schürch, Inhaber der Amstutz Manufaktur im luzernischen Rothenburg. «Die Konsumenten wollen wissen, woher ihre Produkte stammen und wie diese hergestellt werden.» Der Umsatz mit traditionellem Kirsch und Pflümli sei in den vergangenen Jahren gestiegen. Am liebsten würden die Kunden bei ihrem Einkauf auch gleich die Brennerei besichtigen. Noch ist der enge Produktionsraum nicht besonders attraktiv. Das wird sich ändern. «In der benachbarten Scheune werden wir eine Schaubrennerei und einen Empfangsraum einrichten», sagt Toni Schürch. «Unsere prämierten Destillate wie den Siegerkirsch am Swiss Spirits Award, wollen wir in einem passenden Rahmen präsentieren können», ergänzt er.

Drei Prämierungen für Schweizer Destillate

Schweizer Edelbrände gelten als Nischenprodukt. Dass diese vermehrt nachgefragt werden, ist auch ein Verdienst von Prämierungen. Neben dem Schnapsforum und der alle zwei Jahre stattfindenden Distisuisse hat am 26. April erstmals der Swiss Spirits Award Auszeichnungen verliehen. Initiiert wurde der Award von Ernest Dällenbach, Generalsekretär des Schweizer Spirituosenverbandes, Europas Magazin für Weinkultur «Vinum» und der Hochschule Changins. 

Der Award ist breit abgestützt. Zu den Trägerorganisationen gehören die Eidgenössische Zollverwaltung, die das Brennwesen regelt, kontrolliert und Steuern erhebt, der Bauernverband, dem die meisten Früchteproduzenten und Brenner angehören, sowie die Hochschule Changins, die in Sachen Qualitätsstandards schult. Auf der Seite des Verkaufs wird der Swiss Spirits Award vom Gewerbeverband, vom Konsumentenforum, von den Vereinigungen AOP-IGP und Semaine du Goût sowie von der Switzerland Global Enterprise unterstützt. Letztere soll Türen für den Export öffnen.

Zur Feuertaufe des Swiss Spirits Award schickten Brenner aus der ganzen Schweiz über 200 Proben ein. Die eingereichten Produkte mussten die neuen, zu Beginn des Jahres vom Bundesrat ausgegebenen Swissness-Kriterien erfüllen. Dabei waren neben traditionellen Spirituosen wie Kirsch, Abricotine und Absinthe und trendigen Bränden wie Gin und Whisky auch sehr originelle Produkte vertreten, so ein Pfefferdestillat und ein Hanf-Wodka.

«Nur bestes Obst ergibt edle Brände.» - Christian Orator, Brenner


«Als Garant für die seriöse Bewertung der Kontrahenten fungierten Spirituosen- und Sensorikspezialisten aus Changins», sagte Thomas Vaterlaus, «Vinum»-Chefredaktor, an der Preisverleihung im Zürcher «Lake Side». «Unter Aufsicht der Spezialisten verkosteten die Juroren, auf Vierertischen verteilt, jedes einzelne Erzeugnis blind. Dann mussten sie sich auf eine Note einigen. Konnten sie sich nicht einigen, wurde das Getränk an einem anderen Tisch erneut verkostet.» So können Erzeuger, Gastronomen und Konsumenten sicher sein, dass der Preis auch wirklich verdient ist.

So schmeckt Know-how

Die Sieger des Award und deren Produkte wurden in einem Sonderheft vorgestellt. Im Vorwort fragt sich Robert Cramer, Ständerat und Präsident der Stiftung «Fondation pour la Promotion du Goût», wer heute noch Marc trinke? Einst krönender Abschluss einer Mahlzeit, würden diese Nebenprodukte der Weinbereitung in der Gastronomie kaum noch angeboten. «In Restaurants, die heute noch Digestifs anbieten, wurden diese Traditionsprodukte oft entweder durch minderwertige, industrielle Produkte oder durch süssliche Spirituosen ersetzt», schreibt Cramer. Beides ist für ihn unvertretbar. «Wir müssen den Schweizer Spirituosen in unseren Restaurants wieder zu ihrem rechtmässigen und verdienten Platz verhelfen», manifestiert Cramer. 

In Schweizer Destillerien kommt für Edelbrände nur das beste Obst in Frage. Muffige Trester, angeschlagenes Kernobst oder gar fauliges Steinobst können keine puren Destillate ergeben. Fehltöne haften sich untrennbar an die Alkoholmoleküle. So gleichen die meisten Destillerien einer Spitalküche. Auf Hochglanz poliert sind die Brennhäfen, blitzsauber die Chromstahlgebinde.

Natur pur, Handwerk und Zeit. Sonst nichts. 

Einer, der die Grundsätze des Destillierens auf die Spitze treibt, ist Christian Orator, Inhaber der gleichnamigen Brennerei in Pfungen/ZH und Newcomer des Jahres beim Swiss Spirits Award. Das Schwierigste sei, an Top-Rohstoffe zu kommen. So lässt er die Williamsbirnen nach der Lieferung einige Tage nachreifen. Dabei wird jede Birne zwei- bis dreimal in die Hand genommen, gedreht und auf schadhafte Stellen untersucht. Was den Qualitätsansprüchen von Christian Orator nicht entspricht, landet in der Biogastonne. Dann werden die Birnen gewaschen und entsaftet. Kerngehäuse und Stiele kommen bei ihm nicht in den Gärtank. «Im Stahltank kühle ich den Most auf unter 15 Grad Celsius», sagt der Brenner aus Leidenschaft. «Bei dieser Temperatur arbeiten unerwünschte Mikroorganismen nicht mehr. Die Hefen, die den Zucker in Alkohol umwandeln, sind aber schon ab acht Grad aktiv.» Wie beim Wein entstehen die Aromen bei der Gärung. Die anschliessende Destillation ist nur ein Trennprozess und der erzeugt keinen Geschmack. Dennoch hat das Brennen einen wichtigen Einfluss auf das spätere Destillat. «Wir brennen ganz sachte und bei eher tiefen Temperaturen. Bei 56 Grad Celsius verdampft erst das giftige Aceton, ein wesentlicher Teil des Vorlaufs. Da wollen wir noch keine Fruchtaromen dabei haben. Ab 

78 Grad Celsius verdampft das Ethanol, der reine Alkohol. Dieser trägt  die Aromen», erklärt Orator. Sobald das klare Destillat nicht mehr duftet, beginnt der Nachlauf mit muffigen Fuselalkoholen. Vor- und Nachlauf werden bei ihm entsorgt.

Darauf folgt das lange Warten. «Wir reifen und klären die hochprozentigen Destillate während mindestens zehn Monaten. Dabei verbinden sich Fruchtsäuren mit dem Alkohol und bilden Ester, wichtige Geschmacksgeber. Beim Herabsetzen des Destillates mit entmineralisiertem Wasser auf Trinkstärke entsteht als Nebenprodukt ein milchiges und hoch aromatisches Öl, das Köche gern zum Marinieren von Fisch oder Fleisch verwenden», erklärt Christian Orator. Das Klären könne man zwar mit einer Filtration beschleunigen. Diese würde dem Destillat aber auch Aromen für Fülle entziehen. «Meine Destillate geben mir recht, dass ich mir diese Zeit nehme.»

Vom Rechtsanwalt zum Meisterbrenner

Christian Orator ist Bernburger, wurde jedoch in Österreich geboren. Wie seine Frau Eva Orator-Pesendorfer studierte er Recht an der Universität Wien. Später arbeitete er in der Geschäftsleitung der Zürich Versicherung. Mit 50 sehnte er sich nach einer Veränderung und begann die zweite Hälfte seines Lebens mit einem Geschäftspartner als Berater und Investor. Zu den Klienten gehörte eine Brennerei. «Irgendwie war das Liebe auf den ersten Blick, zumal Eva aus einer Familie mit 250-jähriger Brenntradition stammt», erzählt Christian Orator. Die Aufhebung des Euro-Franken-Mindestkurses machte den Geschäftspartnern einen Strich durch die Rechnung. Sie trennten sich und Christian Orator verbrachte ein Jahr mit seiner Frau und seinen Söhnen.

«Mich reizt es, an die Grenzen zu gehen.» -Christian Orator, Brenner


Doch das Projekt Destillerie liess ihm keine Ruhe mehr. Auf dem Areal der ehemaligen Eskimo-Wolldeckenfabrik in Pfungen fand er geeignete Räume. Dann ging alles Schlag auf Schlag. Im Januar gründete er die Orator AG, ab Februar wurde umgebaut und installiert. Am 13. September 2016 nahm er die Brennhäfen in Betrieb und produzierte sein erstes Destillat. Im Januar 2017 reichte er seine noch unfertigen Spirituosen zur Distisuisse ein und wurde mit seinem Gin Kategoriensieger. Die Überraschung war perfekt. 

Sein Gin ist eine Assemblage aus elf Gewürzdestillaten. Auszüge von Wacholder, Koriander, Ingwer, Kardamom, Orangenblüten oder Pfeffer werden alle separat destilliert, gereift, auf Trinkstärke herabgesetzt und erst dann assembliert. Den Erfolg an der Distisuisse konnte Christian Orator am Swiss Spirits Award fast wiederholen. Sein Gin Velvet erreichte den dritten Platz.

Der diesjährige Star war sein Himbeergeist. Zwei Kilo handgelesene vollreife Himbeeren stecken in jeder 50-cl-Flasche. «Damit bin ich aber noch nicht am Ziel», sagt Christian Orator. «Ich experimentiere gerne an der Grenze des Ertragbaren. Demnächst setze ich einen Geist mit vier Kilo Himbeeren pro Flasche an.» Nach einem einwöchigen Brenntechnik-Seminar hat er sich sein Wissen aus Büchern, in Gesprächen mit Brennerkollegen und durch praktische Arbeiten gesammelt. «Mein Ziel ist es, ein trinkbares Parfum herzustellen.»

Aromenintensive Destillate finden Anklang in der Barszene

Christian Orator hat ein Chilidestillat und einen Pfeffergeist im Angebot, die mit Tomatensaft und einem Stengel Zitronengras eine hervorragende Bloody Mary ergeben. Solche speziellen Destillate sind in der Barszene angesagt. 

David Trüb, ambitionierter Barkeeper im Zürcher Café Grande, wurde auf der Suche nach spannenden Schweizer Spirituosen neulich in Graubünden fündig. «Die Vielfalt und die Qualität haben mich komplett verblüfft», gesteht der gebürtige Frauenfelder. In der Destillerie Lipp in Maienfeld, die am Swiss Spirits Award mit dem Bianco Grande Marc den zweiten Platz erreichte, verliebte sich Trüb in den Fenchelschnaps und ins präzise, innovative Handwerk von Reto Lipp. In Malans kam David Trüb in den Genuss des Gin Nr. 3 von Marco Fromm. Der Sohn des Top-Winzers Georg Fromm kreierte diesen London Dry mit Botanicals aus dem eigenen Garten. David Trüb: «Der Wacholder dringt in der Nase klar durch, hinzu kommen zitrische und blumige Noten. Im Gaumen ist er sehr angenehm – ich bin begeistert.» Begeistert war Trüb auch von Johann Baptista von Tscharners Marc, der 20 Jahre im Eichenfass reifte. Trübs Fazit: «Schlicht Weltklasse! Wer auf der Suche nach Spezialitäten ist, muss nicht weit suchen. Die Schweiz steckt voller unbekannter Perlen.»

(Gabriel Tinguely, Benny Epstein)


Die Gewinner des Swiss Spirits Award

Kirsch
1. Kirsch 2014, Amstutz Manufaktur
1. Berghof Kirsch, Lateltin
3. Landgold Kirsch, Lateltin

Obstbrände
1. Himbeergeist, Orator
2. Quittenbrand, Urs Hecht
3. Berghof Williams, Lateltin

Vieille
1. Vieil Abricot Barrique
2. Vieille Poire Williams Réserve Baron Louis
3. Vieille Prune Réserve Baron Louis, alle drei von Studer

Gin
1. Nginious!, Paul Ullrich
2. Turicum Gin, Better Taste
3. Gin Velvet, Orator

Whisky
1. Chicken Hill Smoke Edition, Werner Limacher
2. Herr Lüthy Pure Swiss No. 11, Brennerei Lüthy
3. Tsiry Zürcher Whisky, Brennerei Hans Erismann

Grappa & Marc
1. La Ticinella Grappa Riserva Solera, Lateltin
2. Bianco Grand Marc, Lipp Destillerie
2. Grappa Chiara Vallombrosa, Carlo Tamborini

Absinthe
1. Absinthe Kübler, Blackmint
2. Absinthe B3X, Morand
3. La Gouilloudtine, Absintherie Celle à Guilloud

Liköre
1. Küssnachter Quellwasser (Apfel), Räber
2. Douce de Williamine, Morand
3. K Fruchtbrand-Liqueur Kirsche, Etter Söhne 

Andere Spirituosen
1. Jsotta Vermouth Bianco, Lateltin
2. Appenzeller Alpenbitter
3. Haselnüssli, Etter Söhne


Die Sonderpreise

Die Lateltin AG in Winterthur/ZH gewinnt für ihre Gesamtleistung den Spirit Master 2018. Christian Orator aus Pfungen/ZH wird zum Newcomer des Jahres gekürt. Mit seinem Himbeergeist gewinnt er die Preise für die beste Spirituose und den besten Biobrand. Weitere Sonderpreise gehen an Etter Söhne für den Wildkirsch (Wildbrände), Lateltin für den Berghof Williams (Birnenbrand), Morand für Coeur Abricot (Aprikosenbrand) und die Karthause Ittingen für den Berudge (bester Brand sortenrein). Urs Hecht erhält Sonderpreise für seinen Quittenbrand und den Apfelbrand aus Berner Rosen.


Mehr Informationen unter:

www.spiritsaward.ch 
www.amstutz-manufaktur.ch
www.orator.ch