Essbare Blüten – zu schade, um nur Dekoration zu sein

Auf vielen Tellern ziehen Blümchen und Blütenblätter den Blick auf sich. Die blumigen Deko-Elemente haben geschmacklich einiges zu bieten, was selbst viele Köche noch überraschen dürfte.

Essbare Blüten haben mehr Aufmerksamkeit verdient. (Illustration Sonja Demarmels)

«Blumen auf dem Esstisch heben den Wohlgeschmack der Speisen.» Dieses Zitat stammt von Karl Foerster, einem deutschen Gärtner, Blumenzüchter und Philosophen. Was würde er wohl sagen, wenn er wüsste, dass Blumen heute nicht mehr nur auf dem Tisch, sondern immer öfter auch auf dem Teller für Wohlgeschmack sorgen?

Jedes Veilchen schmeckt anders

«Die meistverkaufte Blüte ist nach wie vor das Veilchen», weiss Tiziano Marinello, Co-Geschäftsführer und Inhaber der Marinello & Co AG in Zürich. Das Unternehmen beliefert seit über 100 Jahren Gastronomen mit frischen Früchten, Gemüsen und Spezialitäten.

«Veilchen sind beliebt, weil es sie in allen Farben gibt. Kulinarisch finde ich sie eher langweilig», sagt Tiziano Marinello. Wobei er bei einer Veilchen-Verkostung auf dem Keltenhof in Filderstadt/DE entdeckt hat: «Jede Veilchensorte schmeckt leicht unterschiedlich.» Seine Favoritin unter den Essblüten-Klassikern ist trotzdem die Kapuzinerblüte. «Das Wechselspiel zwischen scharf und süss ist spannend und gefällt mir gut.»

Unterschätzte Delikatessen

Faszinierender als die gängigen essbaren Blumen seien für ihn Blüten, die noch nicht so oft auf den Bestellzetteln der Köche stehen. Sei es, weil die Blüte unterschätzt wird oder kaum bekannt ist. Erdbeer- und Gurkenblüten beispielsweise seien sehr dekorativ. Dies besonders, wenn sie mit ihrer Frucht kombiniert würden. Mehr kulinarische Aufmerksamkeit verdient hätte die Rapsblüte. «Sie ist geschmacklich interessant und vielseitig einsetzbar. Auch für Glace», sagt Tiziano Marinello.

Eine Blume, die ihn kulinarisch begeistert, ist die Lilie. «Man kann sie ganz essen. Sie ist knackig und hat einen erbsigen Geschmack. Die Blüte kann gefüllt oder im Bierteig ausgebacken werden», schlägt er vor.

Baum, der nach Poulet schmeckt

Ins Schwärmen gerät der Obst- und Gemüsehändler, wenn er vom Flamingo-Gemüsebaum spricht. «Seine Blätter enthalten neun Prozent Protein. Sie schmecken – man glaubt es kaum – nach frittierter Poulethaut.»

Nicht nur Tiziano Marinello ist ein grosser Fan von essbaren Blumen und Blättern. Auch der Private Chef Ralph Schelling hat ein Flair für Blühendes.

Ralph Schelling, was fasziniert Sie am Kochen mit Blumen und Blüten?

Ganz klar die Vielfalt an Farben, Formen, Düften und Aromen sowie die abwechslungsreichen Einsatzmöglichkeiten. Aus Muskatnussblüten mache ich so etwas wie einen würzig-pfefferig-blumigen Negroni. Japanische Kirschblüten lege ich ein, fermentiere sie oder mache eine Essenz daraus. Damit aromatisiere ich Reis oder Desserts.

Wie ist es mit den einheimischen Blüten?

Auch da gibt es vieles, was kulinarisch interessant ist. Die Knoblauchsrauke, die in Gärten oft als Unkraut wuchert, ist schön und geschmackvoll. Sie ist aber nicht so intensiv und dominant wie Bärlauch. Lustig finde ich Rhabarberblüten, die man unter anderem wie Brokkoli verwenden kann. Bärlauch- oder Holunderkapern sind irgendwie auch cool. Holländische Kresse oder Stiefmütterchen hingegen finde ich langweilig. Sie sehen schön aus, bieten kulinarisch aber keinen Mehrwert.

Wie stehen Sie zum Einsatz von Blütenessenzen?

Ich bin ein Fan echter Rosen-, Jasmin- und Orangenblütenessenzen. Damit lassen sich ohne grossen Aufwand überraschende Aroma-Effekte erzielen. Zum Beispiel kann man bei frischen, noch ungekühlten Erdbeeren vom Feld mit einem Tropfen Jasminblütenessenz das Aroma so verwandeln, dass sie nach Walderdbeeren schmecken.

Mit welcher Blüte kochen Sie am liebsten?

Eine Favoritin habe ich nicht. Wobei … diesen Frühling hat es mir die Magnolie sehr angetan. Ich war auf Sizilien. Da gab es einen Blutorangen-Fenchelsalat. Unter den habe ich Magnolienblätter gemischt. Magnolie hat roh, als Salat, eine tolle zart-bitter-blumige Note. Man kann sie aber auch im Teig ausbacken.

(Riccarda Frei)


Zur Person

Ralph Schelling kocht für die Schönen und Reichen und für alle, die gerne gut und kreativ essen. Auf Instagram (IG@ralph.schelling) postet er regelmässig auch Rezepte.Ein Porträt über den inter­national tätigen Privatkoch ist in der HGZ 10/24 erschie­nen und kann hier nachgelesen werden.

Mehr infos unter ralphschelling.com


Rose, die edle

Bereits seit der Antike werden Speisen mit Rosen veredelt. Die Königin der Blumen wird bei uns vorwiegend für Süsses wie Gelee, Sirup und Konfitüre oder Glace verwendet. Doch auch Liköre und Brände lassen sich mit ihr herstellen. Ein paar Tropfen Rosenwasser reichen, um ein herkömmliches Rezept aufzuwerten. Luxuriös ist nicht nur die Farben- sondern auch die Aromenvielfalt. Es gibt Rosen, die neben der blumigen auch fruchtige Geschmacksnoten wie Erdbeere, Orange oder Lemongras aufweisen. Der Rosenspezialist Pheno Geno ist daran, unter dem Markennamen «Taste of Love» eine ganze Kollektion an essbaren Rosen mit unterschiedlichsten Geschmacksnuancen zu züchten.

Kapuzinerli, die würzige

Die Kapuzinerblüte ist neben dem Veilchen die wohl am häufigsten aufgetischte essbare Blume in Schweizer Restaurants. Das würzig-scharfe und dennoch leicht süssliche Aroma ihrer Blätter und Blüten verdankt die Kapuzinerkresse Senföl­glykosiden. Diese haben eine antimikrobielle, entzündungshemmende Wirkung. Unter anderem deshalb wurde die grosse Kapuzinerkresse 2013 zur Heilpflanze des Jahres gekürt.

Veilchen, der Klassiker

Sie gelten als Symbol der jungen Liebe und haben Künstler zu Gedichten und Liedern inspiriert. Die hübschen Blümchen mit dem betörenden Duft haben in der Parfumindustrie wie auch in der Küche und Pâtisserie seit langem einen festen Platz. So sollen kandierte Veilchen die Lieblingsnascherei von Kaiserin Sissi gewesen sein. Auch als Glace­aroma macht sich das Veilchen gut. Die Blüten enthalten Vitamine und Mineralien. Sie eignen sich neben dem Aromatisieren von Süssspeisen auch zum Verfeinern von Salaten und Suppen.

Orchidee, die exotische

Asiatische und tropische Gerichte werden oft mit einer Orchideenblüte dekoriert. Die meisten Menschen lassen die exotische Blüte unberührt auf dem Teller liegen, dabei wäre auch sie essbar. Allerdings sind ihre Blätter etwas zäh. Statt sie nur auf den Teller zu legen, kann die Blume auch frittiert oder gezuckert angeboten werden. In Drinks macht sich die Orchidee gut, wenn sie zuvor in einen Eiswürfel eingefroren wurde. Schmilzt der Würfel im Drink, schwimmt die Blüte frei im Glas und verleiht dem Getränk einen zart-blumigen Hauch.

Rapsblüte, die spannende

Eine Flasche Rapsöl steht wohl in jeder Schweizer Küche. Dass diese Nutzpflanze aber kulinarisch wesentlich mehr zu bieten hat als bloss ihr Öl, ist längst kein Allgemeinwissen mehr. Dabei ist von der Wurzel bis zum Samen alles vom Raps essbar. Bis in die 70er-Jahre wurden die jungen Rapsblätter als Kohl-, Spinat- oder Salatersatz gegessen. Die Blüten sind nicht nur dekorativ, sondern haben zudem einen spannenden, leicht nussigen Geschmack.

Tagetes, die vielseitige

Die Tagetes ist ein Tausendsassa. Im Garten hilft die Studentenblume gegen Drahtwürmer und lenkt Schnecken vom Gemüse ab. Mit ihrem leuchtenden Orangegelb bringt sie Farbe auf den Teller. Nicht alle Tagetes-Sorten schmecken gut. Auch unterscheiden sich ihre Aromen je nach Sorte. Tenuifolia haben je nach Untersorte einen Orangen- oder Zitronengeschmack. Lucida und Minuta bieten eine Anisnote. Besonders intensiv ist Filifolia, auch Lakritztagetes genannt. Sie hat kleine, weisse Blüten und ähnelt optisch gar nicht der Tagetes, wie wir sie kennen. Ihre Blätter können als kalorienarme Leckerei genascht werden oder dienen als Basis für Lakritz-tee und Lakritzessig.

Taglilie, die pflegeleichte

Ihren Namen verdankt die Pflanze der Tatsache, dass ihre Blüte nur einen einzigen Tag lang blüht. Dafür wachsen der Pflanze bis zu 500 Blüten pro Sommer. Als Gartenpflanze braucht sie wenig Pflege und gedeiht auch im Halbschatten gut. Ihre Knospen, Blüten und Blätter sind essbar. Ihr Geschmack reicht von knackig frisch und herb bis fruchtig-zitronig. Am besten sollen übrigens die halb geöffneten Knospen schmecken. Essbare Taglilien gibt es in Weiss, Hellgelb, Gelb und Rot.

Dahlie, die tolle Knolle

Die Blütenblätter der Dahlie können als farben­froher Salat gegessen oder zur Herstellung von Likör verwendet werden. Auch ihre Knollen haben es in sich, wobei der Geschmack je nach Sorte variiert. Einige Sorten schmecken fenchelartig, andere erinnern im Geschmack an Spargel, Schwarzwurzel oder Kohlrabi. Nicht alle Dahlienknollen sind lecker. Schmack­hafte Knollen haben beispielsweise die Dahlien­-sorten Black Jack, Kennedy oder Sunset. Zubereitet werden die Dahlienknollen wie Kartoffeln: Schälen und 30 bis 40 Minuten kochen.

Blumen, Blüten und Blätter kulinarisch zu entdecken macht Spass. Bei aller Entdeckerfreude aber bitte nur Pflan­zenteile verwenden, von denen man mit Sicherheit weiss, dass sie bekömmlich und ungespritzt sind.

Mehr Informationen unter: marinello.ch (Suchbegriff: essbare Blüten)


Rezept

Ralphs Magnolien-Buchweizen-Tempura (glutenfrei)

Zutaten für 4 Personen:

1 TL Backpulver

2 EL Maismehl (Maizena)

2 EL Buchweizenmehl Gran Alpin

1 TL Öl 1 dl kaltes Wasser oder Bier

5 Magnolienblüten

Maismehl zum Mehlieren, Öl zum Frittieren

So wird’s gemacht:

Für den Tempurateig alle Zutaten bis auf die Magnolienblüten mischen. Die Magnolienblüten auseinanderzupfen, waschen, trocken tupfen und dann im Maismehl wenden. Die Magnolien­blütenblätter in den Teig dippen und 30 Sekunden bei 180 Grad frittieren. Gut abtropfen und mit Küchenpapier trocken tupfen.

Serviertipps:

Die Magnolien-Tempura mit fein gemahlenem Salz, Yuzu oder Zitronenzesten bestreuen. Wer die fruchtige Note besonders mag, kann die Zesten auch bereits in die Teigmasse geben. Die Magno­lien-Tempura kommen zudem sehr gut zur Geltung, wenn man sie mit einer japanischen Mayonnaise oder einer Miso-Sauce serviert.

Japanische Mayonnaise:

Ein Eigelb, ein Esslöffel Reisessig, 150 Milliliter Sojaöl mischen und mit Salz und Zucker abschmecken.

Miso-Sauce:

Ein Esslöffel leichte Miso-Paste vermischen mit zwei Esslöffeln japanischer Mayonnaise, zwei Esslöffeln Wasser und einem Esslöffel Mirin (süsser Reiswein).