Grundbildungen werden regelmässig Revisionen unterzogen. Bildungsexperte Heinz Berger erklärt, was alles hinter so einer Reform steckt.
Heinz Berger, warum braucht es Berufsreformen?
Reformen sind die Antwort auf Veränderungen, die in der Arbeitswelt und in der Gesellschaft auftreten. Stellen Sie sich vor, wir würden noch heute im Kochberuf nach den Rezepten der klassischen französischen Küche mit den Arbeitsmethoden, Lebensmitteln, Geräten und Technologien von damals Gerichte herstellen. Der Aufwand wäre riesig und die Kosten auch. Zudem könnten wir solche Speisen heute nicht mehr verkaufen, weil sich der Geschmack, die Bedürfnisse und das Konsumverhalten der Gäste verändert haben. Wer hätte sich vor 30 Jahren vorstellen können, dass ein grosser Teil der Gäste vegetarisch oder sogar vegan essen will. Oder dass es Küchengeräte gibt, die automatisch die gewünschte Zubereitung ermöglichen. Solche Entwicklungen müssen in einer Grundbildung berücksichtig werden.
Wie läuft eine Berufsrevision eigentlich ab?
Die Revision einer Grundbildung geschieht im Rahmen einer Partnerschaft von Bund, Kantonen und den zuständigen Organisationen der Branche und richtet sich nach den Vorgaben des Bundes. Die Schweizerische Kommission für Berufsentwicklung und Qualität überprüft mindestens alle fünf Jahre, ob eine Grundbildung noch zeitgemäss ist. Der effektive Prozess der Berufsentwicklung umfasst dann sechs Schritte. Erstens: Überprüfung und, wenn Handlungsbedarf besteht, Anmeldung beim Bund. Zweitens: Erstellen des Qualifikationsprofils. Drittens: Bildungsverordnung und -plan in drei Amtssprachen formulieren. Viertens: Bund, Kantone und Interessenten überprüfen die eingereichten Dokumente. Fünftens: Erlass der Verordnung durch den Bund. Sechstens: Umsetzung und Fertigstellen der Dokumente für Berufsfachschulen, überbetriebliche Kurse (ÜK), Lehrbetriebe und Lernende.
Wie lange dauert das und was kostet es?
Das Verfahren dauert in der Regel rund vier Jahre und kostet einige Hunderttausend Franken. Der Bund beteiligt sich an den Kosten; den Hauptteil tragen jedoch die Branchenorganisationen, die für den Beruf verantwortlich sind.
Welchem Beruf steht als Nächstes eine Revision bevor?
Die nächsten Revisionen stehen bei den Hotelfachleuten und Hotellerieangestellten an. Hier wird ein Zusammenwirken mit Hauswirtschaft Schweiz angestrebt, um eine einheitliche Grundbildung für Hotelfachleute und Fachleute Hauswirtschaft zu erreichen. Die Verhandlungen dazu laufen noch. Beim Kochbereich ist die Revision weiter fortgeschritten. Die Pläne wurden in einer internen Vernehmlassung bereits im Herbst 2020 den Sektionen der beteiligten Verbände sowie der kantonalen und regionalen Hotel & Gastro Formation unterbreitet. Wegen Corona musste die Projektleitung das Inkrafttreten der Revision des Kochberufs aber auf den 1. Januar 2023 verschieben.
Was bedeutet es für Lernende, wenn eine Revision während ihrer Lehrzeit in Kraft tritt?
Lernende, die sich bereits in der Grundbildung befinden, sind von einer Revision nicht betroffen.
Berufslehren werden nicht nur modernisiert, sondern auch neu geschaffen. Wer bestimmt, ob es einen neuen Beruf gibt?
Seit 2013 wurden die Grundbildungen Systemgastronomiefachleute und Hotel-Kommunikationsfachleute lanciert. Die Nachfrage nach neuen Lehren entsteht jeweils in der Branche selbst. Die Ausbildung der Systemgastronomiefachleute bestand bereits in Deutschland und Österreich. Sie wurde von multinationalen Ketten genutzt. Diese waren es auch, welche eine solche Ausbildung in der Schweiz wünschten. Bereits 2005 befasste sich das Führungsgremium von Hotel & Gastro Formation Schweiz in Weggis mit dieser Thematik. Es dauerte aber etliche Jahre, bis die neue Grundbildung formuliert war und offiziell angeboten werden konnte.
Und der Beruf Hotel-Kommunikationsfachleute?
Diese Grundbildung entstand aus regionalen Sonderlösungen in einer privaten Hotelfachschule in Graubünden und einem kantonalen Projekt im Wallis. Es galt, eine nationale Lösung zu schaffen, um Fachkräfte für kleinere und mittlere Hotels auszubilden, die in allen Arbeitsbereichen eingesetzt werden können.
Warum dauert die Einführung/Revision eines Berufs so lange?
Eine Grundbildung zu schaffen, ist eine komplexe Angelegenheit, bei der Bund, Kantone, Berufsverbände, Lehrbetriebe, Berufsschulen, Lehrpersonen, ÜK-Leitende, QV-Experten und Auszubildende involviert sind. Zuerst müssen die Bildungspläne erarbeitet und durch die Behörden und Verbände genehmigt werden. Damit die neue Ausbildung reibungslos beginnen kann, müssen Ausbildner und Lehrpersonen mit den neuen Dokumenten vertraut gemacht werden. Allein diese Phase dauert über ein Jahr. Weil der ganze Prozess so aufwendig ist, überlegen sich alle Stellen gut, ob eine Revision wirklich notwendig ist.
(Interview Riccarda Frei)
Heinz Berger ist Bildungsexperte und hat schon viele Berufsrevisionen begleitet. Er war unter anderem von 1990 bis 2010 Rektor der Interkantonalen Berufsfachschule für Köche und Vize-direktor von Hotel & Gastro Formation Schweiz.