Mediadaten Données Media Olympiade der Köche

Ist die künstliche Intelligenz Freund oder Feind?

Damit künstliche Intelligenz die Gesellschaft weiterbringt, muss sie so gestaltet werden, dass sie dem Menschen dient – und nicht umgekehrt. Ein Interview zu den Chancen und Risiken für die Hospitality-Branche. 

  • Jordan Kestle rät Gastgebern herauszufinden, was sie überhaupt erreichen wollen. Diese Entscheidungen nimmt einem keiner ab. (Bilder Roy Matter)
  • Roger Basler de Roca glaubt persönlich stark an eine positive gemeinsame Zukunft von Menschen, Algorithmen und Maschinen.

Kaum ein Thema bewegt die Branche aktuell so sehr wie die künstliche Intelligenz, kurz KI. Gastgeber fragen sich: Ist sie Fluch oder Segen? Oder ein bisschen von beidem? KI hat auf jeden Fall das Potenzial, einen grossen Einfluss auf die Hospitality-Branche auszuüben. Ein simples Beispiel: Um wettbewerbsfähig zu bleiben, distanzieren sich die Gastgeber bereits von auswendig gelernten, regelbasierten und automatisierten Systemen wie Chatbots und tendieren stattdessen hin zu intelligenten, kognitiven Agenten, die Rohdaten verarbeiten, menschenähnliche Interaktionen durchführen und kontinuierlich lernen und besser werden. 

Den vielen Vorteilen, die der Branche durch die Nutzung von KI erwachsen, stehen auch Risiken und ethische Bedenken gegenüber. Sicherheit und Datenschutz sind wichtige Aspekte. Ein weiterer möglicher Nachteil ist die Entfremdung der Gäste. Wenn zu viel Automation in den Kundenservice und das Gästeerlebnis integriert wird, kann dies zu Lasten der persönlichen Interaktion gehen, was von Gästen negativ wahrgenommen werden könnte.

Ungeklärte Fragen verlangen nach Antworten, die aber kaum abschliessende Gültigkeit haben. Die Experten Jordan Kestle und Roger Basler de Roca sind sich sicher: Insgesamt bietet künstliche Intelligenz enormes Potenzial für die Hospitality-Branche. Sie wissen aber auch, dass ihre Implementierung eine sorgfältige Abwägung der Vor- und Nachteile sowie die Berücksichtigung der Gästebedürfnisse und -erwartungen erfordert.

Das Experteninterview geht dem sich ständig wandelnden Thema auf den Grund und gibt Antworten auf brennende Fragen. 

Jordan Kestle, was ist künstliche Intelligenz KI?
Künstliche Intelligenz bezieht sich auf digitale Mechanismen, die entwickelt werden, um Informationen zu assimilieren und intelligente Aufgaben auszuführen. Das soll ihre Chancen auf Erfolg optimieren. Es gibt zwei Arten von KI: starke KI und schwache KI. Starke KI umfasst Maschinen, die Bewusstsein und Intellekt besitzen. Im Vergleich dazu ist schwache KI für Aufgaben wie die Technologie von autonomen Fahrzeugen konzipiert.

Müssen wir die KI fürchten?
KI bietet enorme Chancen und Vorteile, darunter die Automatisierung von Aufgaben, die Analyse grosser Datenmengen und die Verbesserung von Produkten und Dienstleistungen. Sie hat das Potenzial, unser Leben zu verbessern, sofern sie korrekt eingesetzt wird. Natürlich gibt es auch berechtigte Sorgen und Herausforderungen. Dazu gehören Datenschutzbedenken, ethische Fragen im Zusammenhang mit autonomen Systemen, Arbeitsplatzverlust durch Automatisierung und die Möglichkeit von Missbrauch von KI-Technologien. KI ist weder gut noch böse, sondern ein Werkzeug, das von Menschen gestaltet und verwendet wird. Es liegt also an uns sicherzustellen, dass KI zum Wohl der Gesellschaft eingesetzt wird und gleichzeitig ethischen Grundsätzen und Datenschutzprinzipien folgt.

Welche Bedeutung hat KI für die Hospitality-Branche?
Ich nenne gerne einige Beispiele: KI kann den Hotelalltag verbessern, indem sie repetitive Aufgaben wie Buchung und kontaktloses Einchecken automatisiert. Dadurch haben Mitarbeitende mehr Zeit für Aufgaben wie die persönliche Gästebetreuung. KI kann zudem den Kundenservice durch Chatbots und virtuelle Assistenten verbessern, die bei Reservierungen, Fragen und Empfehlungen helfen können. KI kann zudem das Revenue Management vereinfachen, indem sie «Predictive Pricing» verwendet, um historische Daten zu analysieren und zukünftige Nachfrage und Einnahmen vorherzusagen. Dies ermöglicht eine optimale Preisgestaltung und Belegung und maximiert die Einnahmen. 

Wie können Marketing und Sales von KI profitieren? 
KI wird das Hotelmarketing verändern, indem sie umfangreiche Daten über Gäste sammelt und analysiert und so Vorlieben, Verhaltensweisen und Demografien identifiziert. Basierend darauf können Hotels personalisierte Marketingbotschaften erstellen. Das gestaltet die «Guest Journey» persönlicher und erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Buchung. Ebenfalls unterstützt KI das MICE-Geschäft, also Meetings, Incentives, Conventions und Events. Durch die Anwendung von «Predictive Analytics» kann KI zukünftige Nachfrageprognosen erstellen, die es Hoteliers ermöglichen, frühzeitig auf die Bedürfnisse von Geschäftsreisenden zu reagieren. Dies bedeutet, dass Hotels Personal und Ressourcen effizient einsetzen, wenn Konferenzen oder Veranstaltungen in der Nähe stattfinden. Zudem kann KI personalisierte Angebote erstellen, die auf die Anforderungen von Geschäftsreisenden zugeschnitten sind. Dies könnte Rabatte für längere Aufenthalte oder individuelle Pakete umfassen.

«KI ersetzt nie die persönliche Beziehung zum Gast.»

Jordan Kestle, Geschäftsleitungsmitglied Hotel & Gastro Union

Wirkt sich KI negativ auf die Interaktion mit Gästen aus?
Im Fokus muss immer das Gästeerlebnis stehen. Und Menschen wollen mit Menschen zu tun haben. Nichtsdestotrotz birgt der Einsatz von KI Chancen für das Gästeerlebnis. Durch KI-gestützte Lösungen wird es möglich, den Gästen personalisierte Empfehlungen anzubieten. Zudem ermöglicht KI eine effiziente Automatisierung von Aufgaben, was zu verkürzten Wartezeiten und einem reibungsloseren Ablauf beim Check-in und Check-out sowie bei anderen Prozessen führt. Nicht zuletzt ermöglicht intelligente Zimmertechnologie den Gästen die Anpassung ihrer Raumumgebung nach ihren individuellen Vorlieben, was den Komfort und die Zufriedenheit erheblich steigert.

Inwiefern wirkt sich KI positiv auf den Umsatz aus?
Der Einsatz von KI verspricht eine erhebliche Steigerung des Umsatzes, weil der Impact in den Bereichen Effizienzsteigerung, Personalisierung, Zeitersparnis und Qualitätsverbesserung besonders gross sein wird: KI automatisiert gewisse Aufgaben, so dass Mitarbeitende mehr Zeit für anspruchsvollere und strategische Aufgaben haben. Dank massgeschneiderter Angebote können sich Gäste mit dem Service identifizieren, was die Wahrscheinlichkeit von Verkäufen erhöht. Personalisierung schafft zudem eine Bindung zwischen Gast und Hotel, was zu einer höheren Loyalität führt. Nicht zuletzt werden durch automatisierte Qualitätsprüfungen Prozesse auf höchstem Niveau gehalten. Dies führt zu zufriedeneren Gästen, weniger Reklamationen und einem positiven Ruf, was wiederum den Umsatz steigert.

«Technologische Revolution ­verdrängt Arbeitsplätze, schafft aber auch neue.»

Roger Basler de Roca, Unternehmer, Buchautor und Redner

Roger Basler, gibt es auch Schattenseiten – insbesondere in Bezug auf die Verdrängung von Arbeitsplätzen?
Roger Basler de Roca: Das ist eine gute Frage und sicherlich ein Kernpunkt der Diskussion über die Rolle künstlicher Intelligenz in unserer Gesellschaft. Tatsächlich besteht die Gefahr, dass Jobs, insbesondere jene, die routinemässige und vorhersagbare Aufgaben beinhalten, durch KI-Systeme ersetzt werden könnten. Das kann von einfachen Aufgaben wie der Datenverarbeitung bis zu komplexeren Jobs wie der Diagnose von Krankheiten reichen. Dabei muss jedoch betont werden, dass KI auch das Potenzial hat, neue Arbeitsplätze zu schaffen und vorhandene zu transformieren. Historisch gesehen hat jede technologische Revolution Arbeitsplätze verdrängt, aber auch neue geschaffen.

Können Sie weitere Gefahren von KI identifizieren?
Das Sammeln, Speichern und Analysieren grosser Datenmengen birgt Risiken in Bezug auf Privatsphäre und Datenmissbrauch. KI lernt in vielen Fällen durch Daten. Wenn diese Daten Vorurteile oder Diskriminierung reflektieren, kann die KI diese ungewollt übernehmen und sogar festigen. Ein Beispiel hierfür ist die Gesichtserkennungssoftware, die bei Menschen verschiedener Hautfarbe oder Ethnie unterschiedliche Genauigkeiten aufweist, weil die Trainingsdaten oft nicht repräsentativ sind. Ein weiteres Beispiel sind Algorithmen zur Personalbeschaffung. Sie bewerten Kandidatinnen und Kandidaten basierend auf historischen Einstellungsdaten und bauen so womöglich Geschlechter- oder Altersdiskriminierung in ihre Empfehlungen ein. Die ethischen Überlegungen bei der Entwicklung und Anwendung von KI sind enorm. Zunächst muss geklärt werden, wer für die Handlungen einer KI verantwortlich ist: der Entwickler, der Benutzer oder gar die KI selbst? Diese Themen sind nicht nur technische, sondern auch gesellschaftliche Herausforderungen, die interdisziplinäre Ansätze und eine breite öffentliche Debatte erfordern. Es ist wichtig, dass wir als Gesellschaft aktiv darüber diskutieren und Entscheidungen treffen, bevor technologischer Fortschritt uns vor vollendete Tatsachen stellt.

Ist der Einsatz von KI teuer? 
Wir wissen, dass «OpenAi» derzeit für den Betrieb von «ChatGPT» 700 000 US-Dollar pro Tag zahlt. Aber «OpenAi» hat auch eines der komplexesten Modelle, welches es betreiben muss. Die Kosten für den Betrieb und die Entwicklung von KI-Systemen können stark variieren, abhängig von der Hardware: Spezialisierte Hardware kann teuer sein – je nach Grösse des Computerchips und wie schnell dieser die Berechnungen durchführt. Bezüglich der Software: Einige KI-Plattformen sind kostenpflichtig, während andere Open-Source sind – also eine Software, deren Quellcode frei verfügbar ist und die von unabhängigen Dritten eingesehen werden kann. Auch das Sammeln, Reinigen und Verarbeiten von Daten kann teuer und zeitaufwendig sein. Zudem verlangen spezialisierte KI-Ingenieure und Datenwissenschaftler hohe Gehälter. Die Kosten für den Einsatz von KI variieren je nach Bedarf. (Konkretere Kostenbeispiele finden sich in der rechten Spalte, Anm. d. Red.) 

Und welche Unternehmen implementieren KI?
Cloud-Anbieter beispielsweise: also Dienste wie Google Cloud’s KI. Sie kosten zwischen 0,01 und drei Dollar pro Stunde für Modelltraining und -wissen. Dann gibt es ganz auf KI spezialisierte Unternehmen. Deren Kosten können bei grossen Projekten leicht in den sechs- bis siebenstelligen Bereich gehen. Zu den Beratungsunternehmen: Je nach der Grösse des Projekts und der Dauer können die Beratungsgebühren zwischen 50 000 und mehreren Millionen Dollar liegen. Wichtig ist hier zu sagen, dass man KI immer in einer minimalen Lösung auch selbst aufbauen kann, dabei braucht es aber vor allem eines: Know-how.

Lohnt sich KI nur für Hotel­gruppen und Grossbetriebe? 
Es gibt viele erschwingliche KI-Dienstleistungen, die speziell für kleinere Unternehmen konzipiert sind. Ich empfehle immer, sich bei unterschiedlichen Anbietern schlau zu machen. Denn die Implementierung von künstlicher Intelligenz kann KMU einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Es ist jedoch unerlässlich, die Kosten und den erforderlichen Aufwand gegeneinander abzuwägen.

(Andrea Decker)


Beispiele aus der Praxis

Wer nutzt KI?

Vor allem Hotelketten bedienen sich schon jetzt der Möglichkeiten künstlicher Intelligenz: 

Yotel 

Yotel ist eine Hotelkette, die in ihren Hotels weltweit Roboter zur Gepäckaufbewahrung und Reinigung verwendet. Sie bietet zudem einen ­robotergesteuerten Gepäckservice an.

Marriott 

Marriott nutzt KI im Revenue ­Management, um Preise dynamisch anzupassen, sowie im Gästeservice, um personalisierte Empfehlungen zu geben. Ebenfalls ist bei Marriott ein Kundenbindungsprogramm namens Bonvoy im Einsatz, das KI nutzt, um personalisierte Angebote und Empfehlungen für Gäste zu ­erstellen. 

Hilton

Hilton hat die Hilton Honors App mit KI-Funktionen entwickelt, die es Gästen ermöglicht, über die App einzuchecken, ihre Zimmertür zu ­öffnen und sogar das Zimmer-personal anzufordern. 

Henn-na 

Das Henn-na Hotel im japanischen Nagasaki ist vollständig von Robotern besetzt und stellt Informationen, Réceptionsdienste, Aufbewahrungsdienste sowie Check-in- und Check-out-Dienste automatisiert bereit. 


Kosten für KI-Einsatz

Die Kosten für den Einsatz von KI variieren je nach Bedarf: 

Hardware 

Spezialisierte Hardware kann zwischen 1000 und 10 000+ US-Dollar pro Einheit kosten, je nach Leistung. 

Software

Während Open-Source-Lösungen kostenlos sind, können kommerzielle KI-Plattformen zwischen 10 US-Dollar/Monat und 10 000+/Monat kosten, je nach Funktionsumfang. 

Daten 

Datenbeschaffung und -reinigung können je nach Quelle und Umfang zwischen null (für öffentliche Daten) und mehreren tausend US-Dollar kosten. 

Expertise 

KI-Ingenieure und Datenwissenschaftler können Jahresgehälter zwischen 80 000 und 300 000+ US-Dollar verlangen, je nach Region und Erfahrung.


Die Experten

Jordan Kestle

Jordan Kestle ist Geschäftsführer des Berufsverbands Hotel, Administration & Management der ­Hotel & Gastro Union und Mitglied der Geschäftsleitung. Seine Leidenschaft für digitale Transformation und Bildung in der Schweizer Hospitality-Branche spiegelt sich in seiner Rolle als Co-Studienleiter des Weiterbildungslehrgangs Director of E-Commerce wider. Seine Laufbahn umfasst Abschlüsse in Tourismus und Betriebswirtschaft sowie einen Master in Digital Business Administration.

hotelgastrounion.ch

Roger Basler de Roca

Roger Basler de Roca hat einen Master in Digital Business. Als ­Digital Unternehmer, Buchautor und Top-100-Redner und Trainer ist er seit 25 Jahren mit Leidenschaft in digitalen Welten unterwegs, mit einer Vorliebe für künstliche Intelligenz und Algorithmen. Zu seinen Spezialgebieten gehört der Aufbau von digitalen ­Geschäftsmodellen und Wachstumsmodellen durch «Educational Consulting». Er hat nach über zehn Jahren im Ausland im Rahmen von Private Equity vor Jahren be­gonnen, seine eigenen digitalen Unter­nehmen zu gründen.

rogerbasler.ch