Zunge, Herz, Niere: Auf den meisten Speisekarten fristen Innereien ein Nischendasein. Dabei gelten viele Stücke als Delikatesse – und bieten Potenzial für frische Frühlingsgerichte.
Ab und zu trifft man sie in der Gastronomie an: Kutteln an Tomatensauce, Leberli mit Rösti oder Leberwurst zur wieder modern gewordenen Metzgete. Ansonsten finden Innereien kaum Platz auf den gängigen Speisekarten der Schweiz. Was die hiesige Bevölkerung verschmäht, wird exportiert oder weiterverarbeitet – unter anderem zu Tierfutter. Neben den sogenannten Special Cuts feiern derzeit aber auch Innereien im Zuge der Nose-to-Tail-Philosophie ein (noch) leises Revival.
Den Ausdruck Nose to Tail verwendet Florian Jenzer ungern. Trotzdem legt das Restaurant Freibank in Bern, welches er gemeinsam mit Adrian Wittwer führt, grossen Wert darauf, Tiere ganzheitlich zu verwerten. «Viele werben heute mit der Nose-to-Tail-Philosophie. Oft bedeutet das allerdings nur, dass ab und zu Special Cuts angeboten werden. Wirklich durchgezogen wird das Konzept selten», so Jenzer. Anders in der «Freibank»: Im Gebäude eines ehemaligen Schlachthofs verwertet Küchenchef Adrian Urfer hier mehrheitlich ganze Tiere oder auch Stücke, welche keine anderen Abnehmer finden.
Um das Bewusstsein für die ganzheitliche Verwertung von Tieren zu fördern, findet in der «Freibank» zudem mehrmals pro Jahr eine Metzgete statt. «Dabei steht immer wieder ein anderes Tier im Mittelpunkt», so Jenzer. Angeboten wird keine grosse Schlachtplatte, sondern ein mehrgängiges Menü, welches die Fleischstücke einmal anders präsentiert. «Unser Ziel ist, Innereien so zu verpacken, dass jeder davon probiert und im besten Fall auf den Geschmack kommt.» So gibt es beispielsweise dünn aufgeschnittenes getrocknetes Herz oder eine Pouletleberpasten-Praline im Schokoladenmantel.
Innereien einmal anders gibt es auch im Restaurant Alpenblick in Adelboden/BE. Dort gibt es jeweils im November eine Metzgete als Gourmetmenü in sieben Gängen. Serviert werden Gerichte wie Leberwurst-Sauerkraut-Ravioli mit Entenleber-Consommé und schwarzem Trüffel oder zum Dessert Blutwurst-Crumble mit Pflaumen, Milch und Schokolade. Manche Metzgete-Gerichte können die Gäste auch während des Jahres bestellen, denn Innereien gibt es im «Alpenblick» nicht nur im Winter. «Oft stehen sie aber gar nicht auf der Karte, da Innereien sehr frisch verarbeitet werden müssen», sagt Gastgeber Björn Inniger. «Vieles empfehlen wir daher mündlich am Tisch, ganz nach dem Motto: ‹Es hät solangs hät›.» Die so angepriesenen Speisen seien jeweils schnell weg. Innereien haben viele Liebhaber, ist Inniger überzeugt: «Wir merken immer wieder, dass auch junge Gäste vermehrt Gerichte wie Leberli bestellen.»
Wer mit Innereien arbeitet, muss einige Dinge beachten. «Am wichtigsten ist die Frische und Qualität des Fleischs», sagt Björn Inniger. Dies unterstreicht auch Florian Jenzer von der «Freibank»: «Wir wissen genau, woher die Tiere kommen, wie sie gehalten und womit sie gefüttert werden.» Zudem brauche es in der Küche etwas Erfahrung im Umgang mit Innereien: «Viel Know-how ist leider verloren gegangen, weil Innereien nicht mehr auf jeder Karte stehen.» Daher helfe es, erfahrene Köche zu haben, welche ihr Wissen weitergeben können. «Mittlerweile haben wir sogar viele Bewerber, die bei uns arbeiten möchten, um sich diesbezüglich weiterzubilden.»
Weiter ist die Kommunikation mit den Gästen beim Thema Innereien besonders wichtig. «Die Mitarbeitenden müssen sich damit auskennen und den Gästen die Geschichten hinter den Gerichten erzählen können», so Jenzer. «Dann gibt es immer wieder Momente, in denen die Gäste aus allen Wolken fallen – weil sie merken, dass auch weniger bekannte Stücke wie Innereien oder Stücke älterer Tiere sensationell gut schmecken können.»
(Angela Hüppi)
Das Herz von Rind, Schwein und Poulet ist eine besondere Delikatesse: Es besteht aus festem, feinfaserigem Muskelfleisch und ist nicht nur zart und fettarm, sondern enthält auch viel Eiweiss. Normalerweise wird das Herz in der Gastronomie als Plätzli oder Geschnetzeltes zubereitet. Die Branchenorganisation Proviande empfiehlt beispielsweise, in dunklem Bier marinierte Rindsherzscheiben zu grillieren und mit Majoran zu bestreuen. Dazu passt für ein sommerliches Gericht etwa ein Salat. Auch Pouletherzen überzeugen mit einer festen Konsistenz und ihrem kräftigen Geschmack. Häufig werden sie für Füllungen und Fonds verwendet. Sie können aber auch gebraten, gesiedet oder geschmort werden. Eine Idee für die warme Jahreszeit: gegrillte marinierte Hühnerherzen am Spiess.
Insbesondere das Fleisch der jungen Rinds- oder Kalbszunge erreicht gemäss Proviande einen hohen Marktwert. Es ist zart, saftig und kräftig im Geschmack. Für die Zubereitung wird die Zunge zunächst für zwei bis drei Minuten gekocht und mit kaltem Wasser abgespült. Danach kann sie in einem Sud mit Gemüse, Kräutern, Gewürzen, Wein und Salz etwa anderthalb Stunden zugedeckt bei schwacher Hitze leicht geköchelt werden. Sobald sich eine Fleischgabel leicht hineinstechen lässt, die Zunge herausnehmen und von ihrer Haut befreien. Zunge gilt als Delikatesse und wird oft mit einer säuerlichen Sauce wie zum Beispiel einer Salsa verde serviert.
Der Rindsmagen besteht aus mehreren Teilen: Netzmagen, Blättermagen, Labmagen und Pansen. Letzterer wird weissgekocht und geschnitten als Kutteln verkauft. Früher standen Kutteln in fast jedem Restaurant auf der Karte, heute ist dies kaum mehr der Fall. Für die Zubereitung werden Kutteln in der Schweiz traditionellerweise in einer Tomatensauce geschmort. Eine badisch-schwäbische Spezialität sind saure Kutteln, die mit Essig gekocht und abgeschmeckt werden. Kutteln eignen sich aber unter anderem auch als Salat, wie Fernsehkoch Robert Letz in seinem Buch «Letz Cook» beweist. Dafür kocht er die Kutteln in Essigwasser, lässt sie auskühlen und kombiniert sie dann mit geröstetem Ingwer, Chilischoten und Knoblauch sowie Sojasauce, Jungzwiebeln, Limette und Kräutern.
Das würzige Knochenmark aus dem Markbein des Rinds oder Kalbs ist beliebt und gilt als Delikatesse. Auch in der Gastronomie trifft man die Spezialität heute wieder öfter an. Markbeine können nicht nur in Suppen oder im Ragout mitgeschmort werden, sondern auch im Backofen gebraten und im Knochen serviert werden – zusammen mit etwas warmem Brot eine perfekte Vorspeise. Eine andere Variante gibt es im Restaurant Smith and de Luma in Zürich: Dort wird das Markbein mit einem Tatar kombiniert. Möglich ist auch die Zubereitung auf dem Grill. Dafür eignet sich ein ganzer Markknochen mit Gelenk, da das Mark so nicht ausrinnen kann und keine Fettbrandgefahr besteht.
Die Nieren weisen einen sehr intensiven Geschmack auf. Daher rät Proviande, das Fleisch vor der Zubereitung in Milch, Essig- oder Zitronenwasser einzulegen. Wichtig: Vom Schwein isst man nur die Nieren von ganz jungen Tieren. Nieren können ganz oder als Geschnetzeltes zubereitet werden. Oft werden sie in Ragouts oder Suppen eingesetzt. Auch für das ursprüngliche Rezept von Zürcher Geschnetzeltem wird nicht nur Kalbfleisch, sondern zu gleichen Teilen auch Kalbsniere verwendet, die in feine Streifen geschnitten wird. Zum Frühling passt beispielsweise ein Gericht mit gebratenen Nieren mit Frühlingszwiebeln, Speck und Salbei.
Die Leber gehört wohl zu den am meisten verbreiteten Innereien in der Schweizer Gastronomie. Sei es als in Butter gebratene Leberli oder als Leberwurst, das Gericht erfreut sich grosser Beliebtheit bei den Gästen. Am intensivsten schmeckt die Leber vom Rind, die bis zu acht Kilogramm schwer wird. Neben dem Braten in der Pfanne bietet sich – gerade für den Frühling und Sommer – auch die Zubereitung auf dem Grill an. Dafür kann die Leber beispielsweise mit Olivenöl, Thymian und Pfeffer mariniert und anschliessend von beiden Seiten für etwa zwei Minuten grilliert werden. Für ein leichtes Sommergericht passen dazu verschiedene Salate und Kartoffeln.
In der Schweiz sind Hoden auf der Speisekarte ein unübliches Bild. Dabei sind sie genauso essbar wie andere Innereien. Der österreichische Haubenkoch Max Stiegl bereitet Hoden nach Grenobler Art zu: goldbraun angebraten und mit Tomaten, Kapern,Zitrone sowie warmer Knoblauchbutter angerichtet. Eine Wiener Spezialität sind gebackene Stierhoden. Serviert wird dazu meist Kartoffel- oder grüner Salat. Die französische Köchin Laëtitia Visse hat den Hoden ein ganzes Kochbuch gewidmet. Dort schlägt sie unter anderem vor, Hoden eingewickelt in Schweinsnetz mit Mangold zu servieren oder sie ganz simpel in Öl und Knoblauch knusprig anzubraten. Sie empfiehlt zudem, die Hoden in Scheiben oder Würfel zu schneiden, damit die Gäste sich nicht an der Optik stören.
Därme werden in erster Linie als Wursthülle verwendet. Pro Kilogramm Wurstmasse rechnet man mit etwa 1,2 bis 1,5 Meter Darm. Als Alternative gibt es auch Kunstdärme, etwa aus Kollagen, PVC oder Zellulose. Diese sind allerdings meist nicht essbar. Naturdärme eignen sich hervorragend für geräucherte und getrocknete Wurstwaren. Dank ihrer Luftdurchlässigkeit kann die Wurst ihr volles Aroma entfalten. Rinderdärme sind ideal für Roh-, Koch- und Brühwürste, Schweinedärme hingegen für Grill- und Bockwürste, Landjäger, Salami und Bratwürste. Schweinedärme sind etwas kürzer als Rinderdärme. Schafsdärme sind bekannt für ihre Zartheit und den charakteristischen «Knack-Effekt» bei Würsten.
Zutaten für 4 Personen
1 frisches Rinderherz
1 rote Zwiebel
0,5 dl Gemüsebouillon
0,5 dl Balsamicoessig
1 dl Rapsöl
50 g Senf
1 Bund Radieschen
1 dl Himbeeressig
0,5 dl Wasser
etwas alter Bergkäse Salz, Pfeffer und Zucker zum Abschmecken
Herz
Das Herz der Länge nach aufschneiden und anschliessend alles wegschneiden, was nicht Muskelfleisch ist. Das Fleisch kompakt in Frischhaltefolie einwickeln, vakuumieren und schockfrosten.
Vinaigrette
Zwiebel hacken und mit Senf, Balsamicoessig, Gemüsebouillon und Rapsöl vermischen. Mit Salz und Pfeffer abschmecken.
Radieschen
Himbeeressig und Wasser mit etwas Zucker, Salz und Pfeffer aufkochen. Radieschen rüsten, nach Belieben zuschneiden und beigeben. Kurz aufkochen und abkühlen lassen.
Anrichten
Vorbereitetes Rinderherz gefroren (oder allenfalls leicht angetaut) mit der Aufschnittmaschine dünn aufschneiden und auf Tellern anrichten. Mit Vinaigrette und Radieschen ausgarnieren. Nach Belieben etwas Bergkäse mit einer feinen Küchenreibe darüberhobeln.