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Boden ist einfach da – aber er muss leben

«Den Boden so bearbeiten, dass das Leben zurückkehrt», ist ein vielgehörter Satz in Gesprächen mit Winzern. Was bedeutet das?

Bei tiefen Böden liegt eine dicke Schicht Erde auf dem felsigen Untergrund. (zvg)

Boden ist Gras, Erde und Steine, auf denen die Menschen häufig achtlos herumlaufen. Die oberste Schicht, Horizont genannt, ist die Auflage. Darunter folgen Humus, mehrere Horizonte Unterboden und dann das Muttergestein. Im Jura, von Genf bis Schaffhausen, ist dies Kalk. Das Mittelland wird von Sandstein dominiert. Berner und Urner Alpen bilden das Helvetikum, die Walliser Alpen bestehen aus Granit und Gneis, und im Bündnerland dominiert Schiefer – grob gesagt. Darüber haben Gletscher und Flüsse reichlich Geröll verteilt. Durch das Absterben von Pflanzen entstanden über Jahrmillionen organisches Material, das sich mit Mineralien und Spurenelementen mischte und zum Boden wurde.

Darin verzweigt die Rebe ihr Wurzelsystem. Je grösser Steine und Kiesel sind, umso schneller fliesst das Wasser ab. In diesen trockenen Böden wurzeln die Reben tiefer, bilden kleinere Blätterwände und weniger Trauben, leiden rasch an Trockenstress. Lehm und Ton mit feiner Körnung sind hingegen gute Wasserspeicher.

Kaum Nährstoffmangel in Monokulturen

Damit das verzweigte Wurzelsystem der Weinrebe bestimmte Nährstoffe aufnehmen kann, geht sie eine Symbiose mit sogenannten Mykorrhiza-Pilzen ein, was zur Genügsamkeit des Rebstocks beiträgt. Diese Genügsamkeit und die gute Anpassung der Reben an magere Böden und Trockenheit stehen im krassen Kontrast zur vielerorts noch üblichen Produktionsweise mit chemisch-synthetischen Düngern. Diese wirken wie Doping für das Wachstum der Blätter und schaden der Lebendigkeit des Bodens.

Die heute übliche Begrünung zwischen den Rebzeilen bringt genügend Stickstoff als Dünger für die Reben in den Boden und fördert die Biodiversität. Gesund ist ein Boden, wenn in jeder Handvoll mehrere Milliarden Mikroorganismen leben. Doch es kann vorkommen, dass nach Jahrzehnten rebbaulicher Monokultur gewisse Spurenelemente wie Magnesium und Kalium fehlen.

Mineralien haben keine Aromen

Die Verfügbarkeit von Wasser und natürlichen Nährstoffen hat grösseren Einfluss auf das Wachstum der Reben und den späteren Geschmack des Weins als die mineralische Zusammensetzung des Bodens. Es ist eine schöne Geschichte mit verkaufsfördernder Wirkung, dass im Boden enthaltene Mineralien über die Rebe in die Trauben und somit in den Wein gelangen. Wissenschaftlich ist sie nicht bewiesen. Forscher der Geological Society of America haben den Zusammenhang von Boden und Geschmack des Weines untersucht. Sie stellten fest, dass die nachweisbaren Mengen an Mineralien im Wein deutlich unter der Wahrnehmungsschwelle des Menschen liegen. Zudem enthalten Mineralien keine flüchtigen Radikale und sind somit geruchlos.

Erwiesen ist jedoch, dass Reben auf steinigen Böden Weine mit höheren Säurewerten ergeben und solche von Ton- oder Humusböden als vollmundiger empfunden werden.

(Gabriel Tinguely)