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Botschafter für Artenvielfalt

Die Gastronomie kann bei der Erhaltung der Agrobiodiversität eine wichtige Vermittlerrolle spielen.

Die violette Karottensorte «Gniff» stammt aus dem Tessin. (Pro Specie Rara)

Rüebli sind orange. Das lernen Kinder von klein auf. So sehen die Rüebli in den Supermarkt-Regalen und auf vielen Restaurant-Menüs auch aus. Das orange Rüebli wird weltweit vermarktet und gehört zu einer Hochleistungssorte, die unter den richtigen Bedingungen sehr hohe Erträge liefert.

Doch es gibt auch rote, violette, gelbe, weisse, milde, herbe, süsse Rüebli. Diese Sorten seien in den letzten Jahrzehnten stark in Bedrängnis geraten, erklärt Mathias Bamert. Er ist Agronom und arbeitet als Projektleiter Gastronomie und als Produktkundschafter bei Pro Specie Rara. «Im Saatgutbereich dominieren fünf Grosskonzerne 80 Prozent des Weltmarktes. Wir wollen hingegen die alten Sorten erhalten und fördern.» Das Ziel der Stiftung ist dabei, die vergessenen Sorten wieder unter die Leute zu bringen.

«Die Gastronomie ist dafür geradezu prädestiniert», sagt Bamert. «Sie kann zeigen, dass es kulinarisch eben mehr gibt als das orange Rüebli.» Die Arbeit mit seltenen Sorten und Rassen habe das Potenzial, einem Betrieb ein Alleinstellungsmerkmal zu geben. Es gebe viele Geschichten zu den Produkten zu erzählen, die Verarbeitung in der Küche sei zudem äusserst spannend, so der Produktkundschafter.

Unterstützung durch Experten

Der Preis für die Vielfalt auf dem Teller ist laut Bamert ein grösserer Planungsaufwand, insbesondere bei Frischprodukten. Pro Specie Rara kann hier Hand bieten. Betriebe, die sich für ein Pro-Specie-Rara-Gütesiegel bewerben, erhalten bei der Produzentensuche Unterstützung von Experten wie Mathias Bamert. Die Zertifizierung kostet 250 Franken im Jahr. Die Betriebe müssen dabei die Bezugsquellen der Pro-Specie-Rara-Produkte offenlegen, um sicherzustellen, dass diese von zertifizierten Lieferanten stammen.

Ein Betrieb, mit dem Mathias Bamert jüngst zusammengearbeitet hat, ist das Hotel-Restaurant Fidazerhof im bündnerischen Fidaz. «Wir haben schon lange mit einem hohen Anteil an regionalen und Bio-Produkten gekocht und sind auch von Goût Mieux zertifiziert», sagt Besitzer und Gastgeber Roland Häfliger. Der Input für die Zusammenarbeit mit Pro Specie Rara sei dann aus dem Küchenteam mit Küchenchef Jiri Tomis gekommen. «Wir wollen alte Sorten fördern und uns so auch von anderen Betrieben abheben», sagt Häfliger.

Zeit und Erfahrung nötig

Fix in der Karte stehen im «Fidazerhof» nun unter anderem Bergkartoffeln und Ackerbohnen aus dem Albulatal sowie Fleisch vom Evolèner Rind. Ende November will das Team zudem bei einem Slow-Food-Anlass hauptsächlich auf Pro-Specie-Rara-Produkte setzen. «Aktuell sind wir dafür noch auf der Suche, Gemüse und Früchte sind dabei besonders schwierig zu finden», so der Gastgeber. «Es braucht Zeit, bis man gewisse Erfahrungen gesammelt und ein Netzwerk aufgebaut hat.»

Ein Betrieb, der bereits über ein solches Netzwerk verfügt, ist das Landhotel Hirschen in Erlinsbach bei Aarau. «Wir arbeiten seit Beginn aus tiefster Überzeugung heraus nachhaltig», sagt Gastgeber Albi von Felten, der den Betrieb 1999 von seinen Eltern übernommen hat. Sorten wie blaue Kartoffeln, goldene Randen oder alte Rassen wie das widerstandsfähige Wollschwein gehören in der Restaurantküche seit jeher selbstverständlich dazu.

Der Gastgeber ist stets auf der Suche nach neuen Produkten und Projekten. «Alles andere wäre langweilig», sagt er. So wachsen im hauseigenen Garten seit zehn Jahren Pro-Specie-Rara-Quitten. Diese sollen schon bald in der Likörwerkstatt zum Einsatz kommen, die Albi von Felten diesen Sommer eröffnet hat. «Als Gastronom hat man auch die Verantwortung, den Gästen die Schönheit der Natur näherzubringen», sagt von Felten weiter. «Ich will Produkte fördern, die für Mensch und Natur wertvoll sind. Massenproduktion kann das nicht gewährleisten.»

(Alice Guldimann)


Pro Specie Rara

Die Non-Profit-Stiftung Pro Specie Rara wurde 1982 gegründet, um gefährdete Nutzrassen und Kulturpflanzen vor dem Aussterben zu bewahren. Heute setzt sie sich für die Erhaltung von 1860 Obst- und 400 Beerensorten, 1300 Garten- und Ackerpflanzensorten sowie32 Nutztierrassen ein.

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