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Klima wandelt Wahrnehmung

Haselsträucher, die im Januar blühen, und Bienen, die im Februar ausschwärmen. Der Klimawandel hat Folgen. Für die Landwirtschaft und damit auch fürs Gastgewerbe.

(Illustration Sonja Buri)

Warmwetter im Winter, Frost im späten Frühling und Trockenperioden im Sommer – solche Wetterkapriolen hat es immer schon gegeben. Doch in den letzten Jahren scheinen sie sich zu häufen und in ihrer Intensität und Dauer sogar zuzunehmen. Fürs Gastgewerbe bedeutet das: Es muss spontaner und flexibler werden, was die Nutzung der Aussensitzbereiche betrifft. Auch kann der Personalbestand nicht mehr so einfach saisonal hoch- und runtergefahren werden, da die Jahreszeiten klimatisch nicht mehr klar trennbar sind. Noch grösser sind jedoch die Herausforderungen, vor die der Klimawandel die Landwirtschaft stellt.

Alles eine Frage des Timings

Sind die Temperaturen im Winter zu warm, bringt das den über Jahrmillionen perfekt getakteten und bewährten Zeitplan von Mutter Natur durcheinander. 12 Grad im Januar verändern die Wahrnehmung der Tiere. Bienen meinen, es sei Frühling und schwärmen aus. Dies noch bevor ihre Nahrungsquellen, allen voran die Obstbäume, erblüht sind. Die Insekten vergeuden so wertvolle Energie und gehen ein.

Im Gegenzug blühen Weiden, Hasel oder Krokusse in einem warmen Winter möglicherweise schon, noch bevor die Insekten überhaupt unterwegs sind.

In einem Interview im «Bund» brachte Hannes Baur, Entomologe am Naturhistorischen Museum in Bern, das Problem so auf den Punkt: «Aufgrund des falschen Timings zwischen Tier und Pflanze führt der ökologische ‹Mismatch› dazu, dass unter Umständen die ganze Ernte ausfällt und dann alles futsch ist.»

Manche mögen es kalt

Im Gegensatz zu den Bienen und anderen Insekten können einheimische Obstbäume recht gut mit Kalt- und Warmphasen umgehen. Die meisten von ihnen brauchen sogar einige längere kalte Phasen, damit sie im Frühling zum Blühen bereit sein können. Klimaforscher gehen davon aus, dass Obstbäume in Zukunft verspätet blühen und weniger Früchte ausbilden werden. Dies, weil solche für die Bäu-me wichtigen Kältephasen künftig zu kurz ausfallen oder sogar ganz ausbleiben.

Kleine Ernte, hohe Preise

Kleinere Ernten oder gar Ernteausfälle führen – dem Gesetz von Angebot und Nachfrage folgend – unweigerlich dazu, dass die Preise für Früchte, Gemüse und andere Agrarprodukte steigen. Hohe Warenkosten wiederum sind etwas, das man im Gastgewerbe natürlich möglichst vermeiden möchte.Die Wohlfühltemperatur für Obstbäume können Gastgewerbler nicht direkt beeinflussen. Aber sie können durch umweltbewusstes Handeln und Wirtschaften den CO2-Ausstoss in ihren Betrieben senken und so einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Und sie können durch frühblühende, bienenfreundliche Bepflanzung von Blumenkistchen, Töpfen und Vorgärten sowie das Aufhängen von so genannten Insektenhotels den zu früh aktiven Bienen Nahrung und Unterschlupf gewähren.

Klimagewinner und -verlierer

Wie immer, wenn sich etwas wandelt und verändert, gibt es Gewinner und Verlierer. Während die eine Pflanzensorte unter der Wärme leidet, blüht die andere richtig auf. Auf die Frage, welche Pflanzen oder Obstsorten zu den Gewinnern des Klimawandels zählen, antwortet Peter Küchler, Direktor der landwirtschaftlichen Schule Plantahof in Landquart/GR: «Die Verhältnisse rund um die Auswirkungen der Klimaveränderung auf Kulturpflanzen sind sehr komplex und vielschichtig.» Es sei daher nicht möglich, diese Frage kurz und allgemeingültig zu beantworten.

Dennoch nennt Peter Küchler ein paar Beispiele: «Im Weinbau ist es unter anderem die Traubensorte Merlot, die in unserer Gegend von der Klimaerwärmung profitiert.» Nach gut dreissig Jahren sei auch der Anbau von Sojabohnen für die menschliche Ernährung wieder stärker ins Blickfeld gerückt. Dies gelte auch für weitere eiweisshaltige Kulturen wie Bohnen und Erbsen aller Art sowie für Lupinen und Linsen.

Zudem ergibt sich die Chance, Obst-, Gemüse- oder Getreidesorten neu in Höhenlagen anzubauen, auf denen sie bis anhin nicht gedeihen konnten. Der Direktor des Plantahofs weist aber darauf hin: «Der Anbau von Acker- und Gemüsekulturen in höheren Lagen hat bisher nicht nur wegen mangelnder Wärme und kurzer Vegetationszeit nicht stattgefunden, sondern weil der Boden oft derlimitierende Faktor ist.» Die Bodenqualität werde sich auch mit dem Klimawandel kaum verändern. Verändern wird sich aber, womit die Nutztiere gefüttert werden. «Im Futterbau wird die Luzerne als trockenheitsresisten­te Pflanze mehr Bedeutung erhalten», ist sich Peter Küchler sicher.

Neue Kulturpflanzensorten braucht das Land

Um selbst in heissen, trockenen oder kalten, feuchten Jahren gute Ernten einzufahren, hat der Bund die landwirtschaftlichen Forschungsanstalten Agroscop und Fibl beauftragt, neue Kulturpflanzensorten zu züchten. Dies ist eine langwierige und kostspielige Angelegenheit. «Der Plantahof macht in der zweiten Stufe dieser Entwicklungsarbeit mit, wenn es darum geht, die neuen Sorten oder Mischungen in der Praxis zu testen», erklärt Peter Küchler. Dies geschehe zurzeit bei Wiesenmischungen für den Futteranbau, im Obstbau und bei verschiedenen Ackerkulturen.

Von dieser Forschung profitiert das Gastgewerbe. Denn es wird auch in Zukunft Waren aus einheimischer Produktion verarbeiten können. Darunter vielleicht sogar Sorten, die bis anhin als exotisch galten oder nur im Treibhaus gediehen.

(Riccarda Frei)


Insekten

Von der Bestäubung über die Schädlingsbekämpfung bis zur Zersetzung von Abfällen: Insekten sind unentbehrliche Arbeiter in der Landwirtschaft. Welche Bedeutung allein die Bienen für die Nahrungsmittelproduktion der Menschen haben und was geschieht, wenn die fleissigen Tierchen nicht mehr in ausreichender Zahl ausschwärmen, zeigt der Film «More than Honey» sehr eindrücklich. Er kann kostenlos auf dem Streamingportal playsuisse.ch angeschaut werden. Verschiedene Schweizer Forschungsinstitute, darunter auch Agroscope, haben das Projekt «Insect» ins Leben gerufen. Darin analysieren sie, weshalb und wie sich die Insektenfauna in der Schweiz in den letzten 40 Jahren verändert hat. Die Resultate zeigen: Kälteliebende Insektenarten werden immer seltener, wärme­liebende Arten aus dem Tiefland hingegen breiten sich weiter aus. Der Hauptgrund dafür liegt in der intensiveren Grünlandnutzung, aber hauptsächlich am Klimawandel. Insekten sind gleich auf mehreren Ebenen von diesem Wandel betroffen. Einerseits können Hitzewellen und Dürren die Insekten­populationen drastisch schädigen, so dass sie sich nur schwer erholen. Andererseits können sich die Tiere nicht so schnell an stark erhöhte Temperaturen anpassen, wie es nötig wäre. Zudem wirkt sich der Klimawandel auch negativ auf viele Pflanzen aus, die den Bienen, Schmetterlingen und Co als Nahrung dienen.

Obst

Verschiedene Apfel- und Kirschsorten reagieren unterschiedlich auf veränderte Temperaturverhältnisse. Deshalb ist es wichtig, Obstsorten anzu­pflanzen, die mit dem Klimawandel gutklarkommen, um auch in Zukunft Früchte in guter Qualität und ausreichender Menge ernten zu können. Agroscope ist das Kompetenzzentrum des Bundes für land­wirtschaftliche Forschung. Zusammen mit dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau Fibl und weiteren Partnern arbeitet Agroscope daran, eine resiliente Obstproduktion mit angepassten Sorten (Äpfel, Birnen, Kirschen, Zwetschgen und Aprikosen) aufzubauen.

Vieh-/Fleischwirtschaft

Kühe werden weltweit oft als Klimakiller und Sünden­böcke für die hohen CO2-Emissionen dargestellt. Neben dem Methangas, das sie ausstossen, stellt das übermässige Abgrasen von Weiden aber ein fast noch grösseres Problem dar. Kühe, Schafe und Ziegen fügen dem Boden mit ihrem Dung Nährstoffe zu. Werden aber zu viele Tiere auf einer Fläche gehalten, kommt es zu Überweidung. Die schützende Pflanzendecke wird dann zu dünn. Der Boden erodiert und im schlimmsten Fall kommt es zu Wüstenbildung. So weit ist es in der Schweiz zum Glück nicht. Doch auf gewissen Alpen führt der Klimawandel bereits zu Wasserknappheit. Letzten Sommer musste in manchen Regionen das Vieh vorzeitig ins Tal getrieben werden. Das ist schade für die Tiere, die Alp­kooperationen, aber auch für die Touristen, die beim Wandern leere Weiden und unbewirtschaftete Alpsennereien vorfinden.

Ackerbau/Getreide

Getreideanbau ist die wichtigste Ackerkultur in der Schweiz. Getreide wird auf einer Fläche von ungefähr 140 000 Hektaren angebaut, was etwa der Grösse des Kantons Luzern entspricht. Aufgrund des Klimawandels nehmen extreme Wetterereignisse wie Starkregen und Trockenheit zu. Beides kann die Erntemenge reduzieren oder sogar ganze Getreidefelder verwüsten. Mit neuen Züchtungen wird versucht, Getreidesorten zu entwickeln, die möglichst viele positive Eigenschaften erfüllen und dem Klimawandel standhalten. Bis eine marktfähige Getreidesorte entsteht, dauert es zwölf bis fünfzehn Jahre. Es gibt aber auch alte Sorten, die sich bewährt haben. Roggen etwa ist besonders resistent gegenüber Trockenheit und kalten Wintern. Zudem kann er auch in grosser Höhe angebaut werden.

Wein

Rebstöcke reagieren empfindlich auf Veränderungen von Temperatur und Vegetationsperiode. Gemäss einer Studie, die im Fachjournal «Proceedings of the National Academy of Sciences» (pnas.org) erschienen ist, wird der Weinanbau weltweit durch Klimaverän­derungen beeinträchtigt. Die Forscher erhoben Daten zu weit verbreiteten Rebsorten, darunter Cabernet Sauvignon, Chasselas, Chardonnay, Merlot oder Riesling. Sie analysierten Aufzeichnungen zu Knospen­bildung, Blüte und Reifung aus den Jahren 1956 bis 2015. Diese kombinierten sie mit Temperaturaufzeichnungen, die von 1880 bis 2013 reichten. Das Ergebnis ist ernüchternd. Gemäss den Berechnungen der Forscher werden 56 Prozent der weltweiten Weinbaugebiete bis zum Jahr 2100 verschwunden sein, wenn die Erdtemperatur um zwei Grad Celsius ansteigt. Würde die Temperatur sich um vier Grad erhöhen, wären sogar 85 Prozent der heutigen Weinbaugebiete nicht mehr für den Rebbau nutzbar. Zugleich würde sich die Zahl der Rebsorten halbieren. Ein Wechsel zu wärmeresistenteren Trauben­sorten würde die Situation zwar verbessern. Bei zwei Grad Erwärmung betrüge der Verlust immer noch 24 Prozent und bei vier Grad 58 Prozent. Das jedoch nur, wenn gleichzeitig Anstrengungen, noch höhere Temperaturen zu vermeiden, erfolgreich sind.


Rund um die Welt

Neue Kartoffelsorten trotzen dem Klima

Es gibt weltweit über 4800 Kartoffelsorten. Pro Jahr werden etwa 359 Millionen Tonnen dieser Knollen angebaut. Die Ernten der viertwichtigsten Nahrungspflanze sind von Dürren bedroht. Gemäss dem Centro Internacional de la Papa CIP in Lima (PE) könnte der weltweite Ertrag bis 2026 um rund ein Drittel sinken. Um dem entgegenzuwirken, hat das Kartoffelzentrum CIP klimaunempfindlichere Kartoffel- und Süsskartoffelsorten durch Züchtung verbessert. Entstanden sind die dürre- und hitzetoleranten Sorten Tacna und Unica. Die beiden Sorten können in salzhaltigen Böden wachsen und benötigen nur einen Bruchteil des Wassers, das andere Kartoffelsorten verbrauchen. Sie werden daher in wasserarmen Regionen und Jahreszeiten angebaut. So ist die klimaresistente Unica inzwischen unter anderem in den Trockenregionen Kenias zu finden. Sie wird auch im Tiefland Tadschikistans gepflanzt.ag Dies in den Monaten, in denen es dort für den Weizenanbau zu heiss ist.cipotato.org

Portugiesische Trauben helfen im Bordeaux aus

Reifen die Trauben während eines heissen Sommers zu schnell, müssen sie früher geerntet werden. Im letzten Jahr begann die Weinlese bereits Mitte August, drei Wochen früher als normal üblich. Die frühere Lesezeit stellt ein Risiko für die Qualität des Weins dar. Die beste Lesezeit wäre im September, wenn die Tage norma­lerweise mild und die Nächte kühl sind. Hohe Temperaturen bei der Weinlese sorgen dafür, dass die Früchte zwar viel Zucker, aber im Gegenzug wenig Säure produzieren. Das führt dazu, dass der Wein viel Alkohol entwickelt, jedoch wenig aromatisches Profil. Um dieses Problem zu lösen, wird im Bordeaux der Einsatz der später reifenden Rebsorte Touriga Nacional aus Portugal getestet. Sie darf den Bordeaux-Weinen als Hilfstraube beigefügt werden. Ihr Anteil darf aber maximal fünf Prozent betragen. agro-bordeaux.fr

Erdbeeren wachsen jetzt auch in Grönland

Die grösste Insel der Welt ist eigentlich zu 82 Prozent von Eis und Schnee bedeckt. Doch das ändert sich durch den Klimawandel markant. Im Sommer 2021 war es im Süden von Grönland bis zu 30 Grad warm. In Illulissat, im Westen Grönlands, baut Sulut Christiansen 300 Kilometer nördlich des Polarkreises Kartoffeln an. Im Süden, in der Landwirtschaftlichen Versuchsanstalt in Upernaviarsuk, ist es dem Gärtner und Leiter der Versuchsanstalt Anders Iversen schon vor zehn Jahren gelungen, Freiland-Erdbeeren zu ziehen. Zudem baut er vierzehn Gemüsesorten an. Auf der Webseite planet-schule.de kann man dazu kostenlos den Film «Grönland: Erdbeeren am Polarkreis» anschauen.


Mehr Informationen unter:

agroscope.admin.ch

plantahof.ch

schweizerbrot.ch