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«Nur Mit Vorwürfen löst man keine Konflikte»

Jugendliche sollte man nicht mit Samthandschuhen anfassen, findet Karin Schmid. Aber man sollte lernen, sie zu verstehen.

Karin Schmid, was passiert in der Pubertät mit dem Gehirn? 
Das Gehirn wird neu organisiert. Man kann sich vorstellen, dass bis zum Alter von etwa zwölf Jahren der Rohbau erstellt ist. Dann kommt es da-rauf an, welche Kompetenzen ein Mensch braucht. Der Rohbau muss plötzlich andere Erwartungen erfüllen, alle Leitungen werden rausgerissen und neu verlegt. Bis zu 40 000 Nervenverbindungen pro Sekunde werden getrennt.

Welche Auswirkungen haben die Bauarbeiten im Gehirn?
Am stärksten betroffen ist der Frontallappen. Dort sitzt zum Beispiel die Motivation zum Lernen oder zum Aufstehen. Aber auch das Zeitgefühl, Struktur und Planung, das Abschätzen von Konsequenzen und die Empathie. Zum Teil wird so viel gleichzeitig gebaut, dass die Jugendlichen noch 20 Prozent Hirnleistung haben. Das hat Konsequenzen.

Mit 14 Jahren müssen Jugendliche über ihren beruflichen Weg entscheiden. Zu früh?
Es kommt vor, dass Kinder sehr früh wissen, was sie werden wollen. Das ist aber selten. Die meisten haben keinen Plan. Sie sind in dieser Zeit stark mit sich selbst beschäftigt und können nicht einschätzen, was sie entscheiden.

Das heisst, das Umfeld spielt dabei eine grosse Rolle?
Es spielt eine riesige Rolle. Oft läuft die Berufswahl so, dass die Jugendlichen auf Anraten der Eltern einige Berufe ausprobieren. Wenn sie sich in einem Lehrbetrieb wohlfühlen, entscheiden sie sich für eine Ausbildung. Das hat oft wenig mit dem Beruf selbst zu tun.

Dann kommen Jugendliche von der Schule in die Arbeitswelt. Wie geht es ihnen dabei?
Das erlebe ich sehr unterschiedlich. Die einen sind total glücklich und blühen auf, wenn sie nicht mehr in die Schule müssen. Für viele ist es am Anfang aber ein Kampf, sich plötzlich in der Erwachsenenwelt zu bewegen.

Karin Schmid war schon zu ihrer Zeit als Primarlehrerin fasziniert davon, wie sich Kinder und Jugendliche entwickeln und verändern. (zvg)

Wie gehen Ausbildende mit fehlender Motivation um?
Eine Vertrauensperson sollte das Gespräch suchen und schauen, wie es dem Lernenden im Betrieb geht und was hinter dem Moti-vationsverlust steckt. Manchmal sind es kleine Sachen, die dem oder der Jugendlichen aber riesengross erscheinen.

Wie soll man im Konfliktfall kommunizieren?
Ich finde das Thema gewaltfreie Kommunikation sehr interessant. Dabei geht es darum, die Situation zuerst neutral zu beschreiben, dann die eigenen Bedürfnisse zu formulieren und mit einer klar erfüllbaren Forderung zu kommen. Geht man mit Ansprüchen und Vorwürfen in das Gespräch, geht das Gegenüber in eine Abwehrhaltung, und man erreicht nichts. Wenn klar ist, was hinter einem Verhalten steckt, kann man immer noch Forderungen stellen oder gemeinsam mit den Eltern oder der Schule Zielvereinbarungen machen.

In welchen Fällen sollte man externe Hilfe beiziehen?
Wenn es dem oder der Lernenden offensichtlich schlecht geht, zum Beispiel wenn der Anfang einer Depression oder eine Suchtproblematik vorliegt. Die Pubertät ist eine besonders vulnerable Zeit, und mit der Digitalisierung hat sich das noch verschärft. Um es kurz zu sagen: Das Handy macht einfach unglücklicher.

Wie können Ausbildende Lernende ideal begleiten?
Es macht schon viel aus, wenn den Berufsbildenden klar ist, dass die Lernenden eine riesige Veränderung durchmachen. Es braucht eine Betreuung, die verständnisvoll und sehr klar ist. Wichtig ist, die Lernenden nicht mit sich allein zu lassen und zu erwarten, dass sie funktionieren wie Erwachsene. Ich meine nicht, dass man sie mit Samthandschuhen anfassen muss. Aber dass man zum Beispiel mal nachfragt, wie es ihnen geht und ob sie Anschluss gefunden haben.

(Alice Guldimann)


Zur Person

Karin Schmid ist seit 2008 selbständig als Einzel-, Paar- und Familienberaterin tätig. Ausserdem ist sie Mediatorin und bietet in ihrer Praxis in Zürich Laufbahnberatung an. Sie unterstützt auch bei der Auftrittskompetenz oder bei der Vorbereitung auf schwierige Gespräche.


Mehr Informationen unter:

karinschmid.ch