Wer von Nachhaltigkeit spricht, denkt dabei meistens an die ökologische Nachhaltigkeit. Für Betriebe der Beherbergungsbranche bietet sich diesbezüglich grosses Potenzial. Etwa bei der Positionierung des Betriebs und der Region, in der er sich befindet.
Bereits am 11. Mai 2021 hatten die Schweizerinnen und Schweizer mehr natürliche Ressourcen verbraucht, als ihnen für das ganze Jahr 2021 zustehen würden. Seither lebt die Schweizer Bevölkerung auf Kosten der kommenden Generationen. Das geht aus einem Bericht des WWF zum Swiss Overshoot Day hervor. Die Non-Profit-Organisation hat aber glücklicherweise gleich ein paar Tipps parat, wie man seinen ökologischen Fussabdruck reduzieren kann. Einer davon lautet: «Verbringen Sie Ihre Ferien in der Schweiz oder im nahen Ausland und reisen Sie mit den öffentlichen Verkehrsmitteln statt mit dem Auto». Das ist ein Anfang. Noch besser ist es, wenn man sich auch gleich für ein Hotel entscheidet, bei dem Nachhaltigkeit nicht nur als Schlagwort im Marketing genutzt, sondern auch wirklich gelebt wird.
Eines dieser Hotels ist das historische Hotel Rosenlaui im Berner Oberland. Das nachhaltige Handeln beginnt im «Rosenlaui» schon bei der Anreise. Gästen, die sich entschliessen, mit öffentlichen Verkehrsmitteln anzureisen, bezahlt das Hotel die An- und Abreise. «Seit Corona reist nur noch die Hälfte der Gäste mit dem öffentlichen Verkehr an. Davor waren es deutlich mehr», sagt Hotelière Christine Kehrli. Das Angebot, den öffentlichen Verkehr der Region während des Aufenthalts gratis zu nutzen, nähmen hingegen praktisch alle Gäste gerne an.
Gäste, die ihr Geld zwar nicht für den ÖV, wohl aber in den Geschäften der Region ausgeben, entsprechen ganz dem Credo des «Rosenlaui», wie Kehrli erläutert. «Die langfristige Zusammenarbeit mit lokalen Handwerkern, Lieferanten und Dienstleistungsanbietern ist uns sehr wichtig.»
Von der Biogasanlage über das Brennholz bis hin zum Käse bezieht das «Rosenlaui» alles aus der Region. Den Strom produziert das Hotel sogar selber. Kehrli erläutert: «Wir betreiben ein eigenes Kleinwasserkraftwerk.»
Auch das Hotel Schloss Wartegg in Rorschacherberg/SG am Bodensee verfügt über ein eigenes Wasserkraftwerk. «Wie viel Strom das Flusswasserkraftwerk produziert, hängt stark vom Regen ab. Wir sprechen von etwa drei Prozent völlig autonomer Energie für die Notversorgung beispielsweise für Server oder die Beleuchtung», sagt Richard Butz, Hotelier des «Schloss Wartegg». Um den Stromverbrauch zu reduzieren, setzt das «Schloss Wartegg» unter anderem auf moderne Technik: «Wir haben eine Lichtsteuerungsanlage, die die Intensität der Beleuchtung dem Tageslicht entsprechend anpasst.»
Der sparsame Umgang mit Strom ist einer der Gründe, weshalb das «Schloss Wartegg» von der NZZ im Rahmen des Hotelratings 2021 zum besten 3-Sterne-Hotel der Schweiz gekürt worden ist. Denn bei dem Rating ging es nicht nur um die Schönheit des Hotels und um den guten Service, sondern vor allem um die Nachhaltigkeit. Und hier nimmt das «Schloss Wartegg» eine Vorreiterrolle ein. «Der Sandstein für die Fassade kommt direkt vom Rorschacherberg, das Holz für Bettenrückwände und andere Möbel entstammt dem eigenen Schlosspark, die Bettwäsche besteht zu 100 Prozent aus Bio-Baumwolle», zählt Richard Butz auf. Letzteres sei in der Hotellerie noch nicht so weit verbreitet, «da natürlich deutlich höhere Kosten bei der Beschaffung anfallen.»
Ein weiteres Highlight, nebst dem eigenen Flusskraftwerk, ist der hauseigene Demeter- und Pro-Specie-Rara-Garten des Hotels Schloss Wartegg. «Die Küche stimmt die Gerichte auf den Garten ab. Im Winter müssen wir Gemüse dazukaufen, dennoch bieten wir immer auch eigenes Lagergemüse an wie beispielsweise Randen oder Pastinaken.» Exotische Früchte fallen komplett weg. «Doch wir glauben nicht, dass das der Gast vermisst, da wir mit unseren Pro-Specie-Rara-Produkten extrem schmackhafte Gemüse, Früchte und Kräuter anbieten können», ist Butz überzeugt.
Beim Fleisch wiederum setzt das Hotel auf heimische Produkte und Nose to Tail. «Wir sind überrascht, wie gut dieses Konzept bei den Gästen ankommt. Allerdings arbeiten wir oft mit Kombinationen. Wir bieten beispielsweise Zweierlei vom Rind an, wobei wir Kurzgebratenes mit Geschmortem kombinieren.»
Ein weiterer Bereich, in dem die Beherbergungsbranche etwas für die Umwelt tun und dabei gleichzeitig Zeit und Geld sparen kann, ist der Bereich Reinigung. «Wir haben uns hierbei von einer Fachperson der Hotel & Gastro Union beraten lassen. Seither brauchen wir viel weniger Wasser und verwenden ausschliesslich ökologisch abbaubare Reinigungsmittel», sagt Anthony Cottle. Er führt in Rheinfelden/AG gemeinsam mit seiner Frau Nathalie Wermeille das Bed & Breakfast Guesthouse Ambrosia.
Die beiden versuchen, auch in allen anderen Bereichen so ressourcenschonend und nachhaltig wie möglich zu wirtschaften. So werden etwa 80 Prozent des Abfalls, der im «Ambrosia Guesthouse» anfällt, recycelt. «Für Papier, Karton, Plastik, Aludosen und Kompost haben wir separate Kübel aufgestellt», sagt Nathalie Wermeille.
Die Gäste mit dem Aufstellen von Kübeln beim Recycling miteinbeziehen, das ist die Strategie des Vereins Schweizer Jugendherbergen, zu dem schweizweit 50 Beherbergungsbetriebe gehören. Die meisten davon sind durch das Nachhaltigkeitslabel Ibex Fairstay zertifiziert. Das Label begleitet Betriebe in der Schweiz auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit. Solche Zertifizierungen sollen den Gästen bei der Wahl des Hotels helfen. Nur: Nebst Ibex Fairstay gibt es noch zig andere Zertifizierungen im Bereich Nachhaltigkeit. In dem Wirrwarr verlieren Gäste leicht den Überblick – findet zumindest Schweiz Tourismus. Um hier Licht ins Dunkel zu bringen, hat die Organisation Anfang 2021 die Swisstainable-Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt (siehe Interview).
(Désirée Klarer)
Schweiz Tourismus hat eine Nachhaltigkeitsstrategie lanciert: Swisstainable. Laut dem Verantwortlichen Samuel Wille ist das Ziel der Strategie, die Schweiz weltweit als nachhaltiges Reiseziel zu etablieren.
HGZ: Samuel Wille, der Fokusmarkt von Swisstainable ist derzeit noch die Schweiz. Sind sich Schweizerinnen und Schweizer nicht bewusst, dass Nachhaltigkeit in der Schweiz grossgeschrieben wird?
Dass die Schweiz über unzählige nachhaltige Tourismusangebote verfügt und bei internationalen Nachhaltigkeitsrankings immer auf den Spitzenplätzen rangiert, ist noch nicht im breiten Bewusstsein der Öffentlichkeit und vor allem der potenziellen Gäste angekommen. Auch in der Schweiz nicht.
Wie hilft Swisstainable dabei, das zu ändern?
Swisstainable ist nicht einfach nur eine Werbekampagne. Es ist vielmehr eine Bewegung der gesamten Schweizer Tourismusbranche. Es geht darum aufzuzeigen, wie wir – alle Branchenvertreter gemeinsam – Nachhaltigkeit für das Reiseland Schweiz zu einem Differenzierungsfaktor machen können.
Ihr Ziel ist, dass sich bis Ende Jahr 1500 Beherbergungs- und Gastronomie-Betriebe am Programm beteiligen. Sind Sie auf Kurs?
Es haben sich bereits über 400 touristische Betriebe für das Programm angemeldet. Betriebe aus der Hotellerie und Parahotellerie sind aktuell am stärksten vertreten. Aus der Gastronomie beteiligen sich bis jetzt erst wenige Leistungsträger. Dies wohl auch aufgrund der weniger verfügbaren Nachweise.
Ich nehme an, mit Nachweisen meinen Sie die Vielzahl an Nachhaltigkeitszertifikaten, die es in der Beherbergungsbranche gibt?
Ganz genau. Swisstainable ist kein neues Label beziehungsweise Zertifikat. Dennoch spielen Nachhaltigkeitszertifikate eine grosse Rolle.
Inwiefern?
Im Swisstainable-Nachhaltigkeitsprogramm werden alle Nachhaltigkeitsnachweise zusammengefasst. Das erlaubt eine Einordnung der Betriebe nach dem un-terschiedlichen Grad ihres Nach-haltigkeits-Engagements.
Können auch Betriebe mitmachen, die noch kein Nachhaltigkeitszertifikat haben?
Selbstverständlich – sofern sie sich dazu bereit erklären, einen Nachhaltigkeitscheck durchzuführen und innerhalb von zwei Jahren mindestens drei Massnahmen im Bereich Nachhaltigkeit umzusetzen.
(Désirée Klarer)
Samuel Wille ist seit 2019 Leiter Strategische Partnerschaften bei Schweiz Tourismus. Davor war er zuletzt während gut sechs Jahren Head of Corporate Relations bei WWF Schweiz, wo er unter anderem ebenfalls für Strategic Partnerships verantwortlich zeichnete.