Baden ist die älteste Bäderstadt der Schweiz. Mit der neuen Wellnesstherme Fortyseven, die Mitte November eröffnet wird, soll die Geschichte weitergeschrieben werden.
Es liegt ein Hauch von geschäftiger Aufbruchstimmung über Baden/AG. Im November ist es endlich so weit: Die neue Botta-Wellnesstherme Fortyseven wird eröffnet. Das Bäderviertel ist jetzt im Frühherbst zwar eine grosse Baustelle, und das wird zum Teil auch nach der grossen Eröffnungsfeier des Botta-Bades so bleiben, zumindest rund um den «Verenahof». «Es wird noch ein paar Jahre dauern, bis dieses historische Gebäudeensemble fertig renoviert sein wird», weiss Nina Suma, Geschäftsleiterin der Thermal Baden AG.
Doch im Thermenbereich neigen sich die Bauarbeiten dem Ende zu. Vieles ist bereits fertig. Die Fassade erstrahlt in einem ockergelben Ton. Eine grosszügige Drehtür dient als Haupteingang zur Therme. Gleich beim Eingangsbereich befindet sich ein öffentliches Selbstbedienungsrestaurant mit einer Kaffeebar. «Hier können auch Auswärtige konsumieren, die keinen Eintritt in die Therme lösen», so Nina Suma.
Matthias Keller, Leiter Gastronomie, ist gelernter Koch und diplomierter Hotelier-Restaurateur HF. Er serviert im Selbstbedienungsrestaurant eine gesunde, vitale Genussküche. «Unsere Produkte stammen vorwiegend von lokalen und regionalen Lieferanten», verrät er. «Gewürze und Kräuter dürfen aber aus allen Regionen der Welt kommen.» Serviert werden die Gerichte in so genannten Pots.
Keller hat einen guten beruflichen Rucksack dabei. Sein Weg führte ihn nach seiner Ausbildung in das Unternehmen «Das Zelt». Dort verantwortete er als Leiter Gastronomie, die damals zur Genossenschaft Migros Zürich gehörte. Vor seinem Wechsel nach Baden zeichnete er als Gruppenleiter für sieben öffentliche Restaurants beim ZFV verantwortlich. Unterstützt wird er im «Fortyseven» von acht Mitarbeitenden in der Küche und elf im Service.
Gäste, die einen Eintritt lösen, werden mit einem Chiparmband ausgerüstet, mit dem sie nicht nur den Garderobenschrank verschliessen, sondern auch Konsumationen innerhalb der Therme aufladen lassen können. «Das erleichtert das Bezahlverfahren am Schluss des Besuches», sagt Suma. So ist es zum Beispiel möglich, am Bistro im Saunabereich etwas zu konsumieren oder an der Réception im Badbereich eine Anwendung zu buchen.
Beim Spaziergang durch den Thermenbereich fällt immer wieder auf, dass das 47-Emblem in den Mosaiken eingebracht worden ist. «Mario Botta war so begeistert, als wir uns für den Namen Fortyseven für die Therme entschieden, dass er die Zahl 47 immer wieder in den Innenausbau integriert hat», freut sich Nina Suma. Die Ziffer 47 besagt die Temperatur, mit der das Wasser aus dem Boden schiesst. Insgesamt 18 mineralienreiche Thermalquellen gibt es in Baden. Mit 46 Gramm Mineralien pro Liter hat die Stadt an der Limmat das mineralreichste Thermalwasser der Schweiz. Vergleichbare Quellen gibt es in Europa nur noch in Ungarn. An der tiefsten Stelle der Juraklus, wo die Limmat den Muschelkalk anschneidet, gelangt das Wasser nach acht bis zehn Jahren mit einer Wärme von eben diesen 47 Grad Celsius an die Oberfläche. Die gelösten Mineralien wie Natrium, Kalzium und Sulfat sowie Spurenelemente haben eine positive Wirkung auf den ganzen Organismus und auf das vegetative Nervensystem.
Ist der Betrieb der Therme einmal aufgenommen, will man bis zu 400 000 Liter Thermalwasser pro Tag nutzen. Damit wird künftig nicht nur die Therme, sondern auch die angrenzende Residenz 47 mit über 38 Mietwohnungen und medizinischen Angeboten im Erd- und Untergeschoss sowie das Verenahofgeviert beheizt.
Das neue Bad ist eng mit der gemeinnützigen Stiftung Gesundheitsförderung Bad Zurzach und Baden verbunden, zu der auch die Zurzach-Care-Gruppe sowie die Thermalbäder Zurzach und Aqualon in Bad Säckingen gehören. Nachdem Mario Botta das Studienauftragsverfahren für die neue Therme gewonnen hatte, wurde die Stiftung nach Jahren des Stillstands angefragt, ob sie die Realisierung der Um- und Neubauten übernehmen würde.
Mit der Wellnesstherme Fortyseven möchte die grosse Bäderstadt Baden wieder neu aufleben und an vergangene Zeiten anknüpfen. Dieses Ziel wurde seit der Schliessung des ehemaligen Thermalbades und des Hotels Verenahof seit vielen Jahren konsequent verfolgt. Davon zeugt auch der im Jahr 2017 gegründete Bäderverein Baden. Sein Ziel ist es, das Kulturerbe der Thermen in Baden und Ennetbaden zeitgemäss zu vermitteln.
Die Entdeckung der warmen Badener Quellen geht auf Zeiten vor Christi Geburt zurück (siehe dazu Text rechts). Im Mittelalter kam die Badekultur zu neuer Blüte, und Baden war über Jahrhunderte das Modebad Europas. Bedeutende Persönlichkeiten verbrachten im Badener Bäderquartier ihren Kuraufenthalt. Badegasthöfe und Badegasthäuser entstanden. Im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war Baden gar ein Global Player unter den Kurorten. Gäste kamen aus Russland und aus Übersee.
Mitte der 1960er-Jahre wurde das öffentliche Thermalbad Baden auf dem topografischen Niveau der Thermalquellen gebaut. Es folgte Ende der 1960er-Jahre der Neubau des Hotels Staadthof. Damit versuchte man, den Niedergang des Kurtourismus zu stoppen. Erfolglos. Der klassische Kurgast blieb weg. Nacheinander schlossen die traditionsreichen Hotels. Um die Jahrtausendwende standen grosse Teile der Bäder still. Nur zwei Hotels führen die Badetradition bis heute fort: der «Limmathof» und die «Blume».
Im «Limmathof» steht das 75 Quadratmeter grosse Thermalbad auch externen Gästen offen. Das Atrium-Hotel Blume hat eine eigene Thermalquelle und ein Spa. Auch hier ist die Bade- und Wellnesszone öffentlich zugänglich.
Neben diesen Hotelangeboten war es in Baden nur an wenigen öffentlich zugänglichen Einrichtungen möglich, vom Heilwasser zu profitieren: in der Thermalbank, einem Fussbad direkt am Limmatufer, den Heissen Brunnen, dem Bagno Popolare sowie dem Trinkbrünneli und Ellenbogenbad im Bäderviertel.
(Ruth Marending)
Eines vorneweg: Dass in jedem Haushalt und in jedem Gäste-zimmer eine Dusche oder eine Badewanne steht, ist eine Erscheinung des 20. Jahrhunderts. Zuvor ging das Volk in öffentliche Bäder. Auch in Baden war das so, wo die ersten Thermen auf die Römer zurückgehen. Diese entstanden im ersten Jahrhundert nach Christus, als die Eroberer in Vindonissa beim heutigen Brugg ein Legionslager gründeten. Die Badekultur breitete sich unter ihrer Herrschaft auf der ganzen nördlichen Alpenseite aus.
Ab dem 15. Jahrhundert war es in ganz Europa gang und gäbe, ein Badehaus aufzusuchen. Holzmangel und die Angst vor Syphilis setzte dem öffentlichen Baden in Badestuben jedoch gegen Ende des 16. Jahrhunderts arg zu. Mehr Vertrauen brachte das Volk den Heilbädern entgegen, wo es sich vor Ansteckung sicher fühlte. Es entstanden nach und nach das Gontenbad in Gonten/AI, Bad Fideris im Prättigau/GR, Bad Pfäfers in Pfäfers/SG oder Bad Weissenburg im Simmental/BE.
Mitte des 18. Jahrhunderts kamen in den Appenzeller Voralpen Molkenkuren auf. So zum Beispiel im ausserrhodischen Gais, das sich zu einem bekannten Molkenkurort entwickelte. Um 1860 gab es schweizweit rund 100 Anstalten, die Molkenkuren anboten. Auch das Angebot an Trinkkuren wurde immer grösser.
Die touristische Nachfrage stieg stetig, auch in der bis anhin verschmähten Alpenregion. Bevor Albrecht von Haller sein Werk «Die Alpen» verfasste, flössten die Berge der nicht alpinen Bevölkerung Angst und Schrecken ein. Das bis anhin als unbewohnbar und ungesund empfundene Gebirge erfuhr mit Hallers Werk eine neue Wertschätzung. Berge wurden fortan mit reiner Luft und gesunder Ernährung gleichgesetzt. Dazu kam das neue Hygie-neverständnis. Mit der Industrialisierung Anfang des 19. Jahrhunderts wuchs das Bedürfnis nach neuen Kurmethoden, welche Linderung der Folgen der neuen, ungesunden städtischen Lebensweise versprachen. Gleichzeitig veränderte sich der Rhythmus. Sassen die Badegäste früher oft stundenlang in der Wanne, wechselte diese Aufenthaltsdauer auf kurze ein- bis zweistündige Badekuren. Der bis anhin angestrebte Badeausschlag, bei der die Haut durch das lange Baden in mineralhaltigem Wasser aufplatzte, war nicht mehr modern.
Schweizweit entstanden in der Folge gegen Ende des 19. Jahrhunderts zahlreiche Bäder, die sich meist aus lokalen Bädern und Gaststätten entwickelten. Nach dem Niedergang des Bädertourismus Anfang des 20. Jahrhunderts erlebt der Wellness- und Gesundheitstourismus seit einigen Jahrzehnten einen erneuten Aufschwung. Die Wellnesstherme in Baden ist ein Zeichen dafür.
(rma)
Die Serie «Bädertourismus in der Schweiz» zeigt den Kurtourismus von einst und heute auf.
2000 Jahre ist Badens Bädergeschichte alt. Gleich lang wie jene von Bath in England und dem deutschen Baden-Baden.
Bauherrin der Botta-Therme ist die Verenahof AG.
1850 war Baden Tourismusort Nummer eins in der Schweiz.
Die grosse Zeit des internationalen Bädertourismus fand zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein jähes Ende.
2009 löste die angepeilte Neugestaltung der Bäder in Baden archäologische Grabungen aus. Sie dauerten bis 2018.
160 Millionen Franken beträgt der Kredit, den die Verenahof AG ins Badener Thermalbad investiert.
Eine Badenfahrt bezeichnete eine dreiwöchige Fahrt in ein Bad. Der Begriff wurde im Mittelalter geprägt, als Baden wegen seiner heissen Thermalquellen ein beliebtes Reiseziel war.