Die Schneegrenze steigt, die Zahl der Wintersportler sinkt. Was können Skigebiete und Hoteliers tun, um in Zukunft noch zu bestehen?
Beheizte Sessellifte, Parkhäuser an der Talstation und wenn möglich Schnee von November bis März – der Schweizer Skitourist ist anspruchsvoll. Und die Vision vom Winterwunderland Schweiz generiert einen beträchtlichen wirtschaftlichen Umsatz.
Doch die Zukunft ist trüb: grüne Skigebiete statt Schnee an Weihnachten, Steine-Eis-Matsch, Schneekanonen und Autokolonnen, die die Luft verpesten. Was können Wintersportorte also tun, um Skifahrertage stabil zu halten und die Klimaerwärmung trotzdem nicht noch weiter voranzutreiben? Worauf sollen Tourismusorganisationen und Hoteliers achten? Welche gezielten Massnahmen müssen in Wintersportorten dringend getroffen werden?
Der Gast hat Ferien. Für diese paar Wochen denkt er meist alles andere als «grün». Als Folge kumulieren sich die Emissionen in den Skiorten jedoch zu einer Masse. Wir sind in einer Zeit angekommen, in der Bergdörfer immer mehr zu Mega-Destinationen verkommen und ein Ort wie Davos in der Skisaison eine höhere Luftverschmutzung aufweist als die Zürcher Innenstadt. Die Betreiber müssen jetzt ihre Verantwortung wahrnehmen und den Wert der Natur begreifen.
Es geht nicht darum, Schneesport zu verteufeln. Er ist ein Bestandteil des Schweizer Erbes und ein wichtiger Wirtschaftszweig. Aber wenn schon künstliche Beschneiung, dann nachhaltig. Wenn Pistenmaschinen, dann mit möglichst wenig Schadstoffen. Und wenn Energie, dann erneuerbar. Hotels verursachen ein Fünftel der touristischen Umweltbelastung. Wie können diese ihre Emissionen senken? Wie kann man den Gast dazu bewegen, ökologischer zu denken? Selbst wenn es nur kleine Schritte sind, müssen alle dazu beitragen, dass Wintersportorte in 100 Jahren überhaupt noch bestehen.
Viele Skigebiete werden auch in diesem Jahr grüne Weihnachten erleben. Frau Holle will es einfach nicht herabrieseln lassen. Doch wer ist schuld? Liegt es an der Klimaerwärmung? Jede Bergbahn, jedes Hotel, jede Schneekanone und jedes Auto tragen Stück für Stück dazu bei, dass unsere Urenkel nicht mehr wissen werden, was Skifahren überhaupt war. Die Luftverschmutzung in Alpendörfern zur Wintersaison stinkt zum Himmel. Teilweise steigen die Schadstoffwerte um das Fünffache an.
Von den 164 heute schneesicheren Skigebieten in der Schweiz werden bei einem Grad Erwärmung (im Jahr 2025) noch 159 schneesicher sein, da die Schneegrenze bis dahin um etwa 200 Meter nach oben geklettert ist. Bei zwei Grad Anstieg (im Jahr 2050) sind nur noch 129 schneesicher und bei vier Grad (im Jahr 2100) noch 78. Um vier bis acht Wochen würde sich die Schneesaison zudem verkürzen und die Schneefallgrenze 600 Meter in die Höhe klettern. Die Gebiete müssten beschneit werden, sofern überhaupt Minusgrade herrschen. Schneekanonen fressen Strom, Kunst- schnee zerstört den Boden und der Kreislauf wird immer mehr zur Spirale. Die Gletscher schmelzen, der Permafrost verschwindet und führt zu Erosion und Destabilisierung von Fundamenten, Gebäuden und Seilbahninstallationen. So das schlimmste Szenario. Und trotzdem wachsen viele Skigebiete unter Leistungs- und Konkurrenzdruck weiter: Sie fusionieren, und kleine Alpendörfer werden zu Grossprojekten.
Doch die grösste Verschmutzung verursacht nicht die Skiabfahrt, sondern die Anfahrt. Vier von fünf Touristen reisen mit dem Auto an. Klar, mit Skiern, Schuhen, Jacken und Ausrüstung reist es sich so bequemer. Dabei gehen 75 Prozent der touristischen CO2-Emissionen auf das Konto des Verkehrs. Für 21 Prozent sind die Unterkünfte und Hotels verantwortlich.
«Wir sind nur nachhaltig und erfolgreich, wenn es uns morgen überhaupt noch gibt», sagt Simon Zobrist, Geschäftsführer des Skigebiets Sattel-Hochstuckli. Nur in einer intakten Umwelt werden touristische Angebote bestehen können. Was können Skiorte, Bergbahnunternehmen und Hoteliers unternehmen, um in 50 Jahren noch zu bestehen?
Wie die Umwelt durch die Beschneiung leidet, zeigen deutlich einige Flüsse in den Alpen, die mittlerweile bis zu 70 Prozent weniger Wasser als vor der Einführung der Schneekanonen führen. Denn für eine Grundbeschneiung einer hektargrossen Piste mit 30 Zentimetern Schneehöhe sind etwa eine Million Liter Wasser notwendig. In der Wintersaison 2013/14 wurden schweizweit bis zu 13 Milliarden Liter Wasser für den Schneekanonenbetrieb verbraucht. Dies entspricht dem jährlichen Wasserverbrauch der Stadt Bern.
Was beim Wasser gilt, zählt auch für den Strom: Pro Hektare Piste werden im Schnitt 16 000 kWh Strom benötigt. Im Winter 2013/2014 sind somit schweizweit etwa 554 000 MWh für die Grundbeschneiung verwendet worden. Das ist so viel Energie, wie die Stadt Winterthur in einem Jahr verbraucht.
Einen Schritt in Richtung autarker Versorgung gingen in diesem Jahr die Brunni-Bahnen Engelberg. Auf der Bergstation Ristis wurde ein Solarkraftwerk in Betrieb genommen, das so viel Strom produziert, wie für die Beschneiung der Pisten in der Wintersaison benötigt wird. Damit entsteht aus reinem Bergquellwasser und Sonnenenergie CO2-freier Schnee.
Auch das Skigebiet Flims–Laax–Falera versucht sich an einer nachhaltigeren Methode zur Beschneiung. Anstatt Wasser aus dem Tal hochzupumpen, werden natürliche Ressourcen der Region verwendet. Denn im Sommer, wenn der Bach Flem viel Wasser führt, wird ein Teil des Wassers ohne Fremdenergie in einen Speichersee geleitet und im Winter für die Pistenbeschneiung genutzt.
Höher gelegenen Skigebieten bietet sich die Möglichkeit, Schneedepots anzulegen, um den «überwinterten» Schnee für die Beschneiung nutzen zu können.
Skigebiete haben viele Möglichkeiten, den fossilen Energieverbrauch zu verringern oder die Energie effizienter einzusetzen. Viele Bergregionen profitieren beispielsweise von einer überdurchschnittlich hohen Sonneneinstrahlung. Diese Energie kann mit Hilfe von Solarzellen und Photovoltaik-Anlagen für Strom und Wärme genutzt werden.
In den vergangenen fünf Jahren installierte das Skigebiet Flims–Laax–Falera fünf Photovoltaik-Anlagen, um einen kleinen Teil der Energieversorgung damit abzudecken. In den kommenden drei Jahren plant das Gebiet, einen Windpark mit sechs bis acht Turbinen auf dem Gletscher zu installieren.
Auch in Sattel-Hochstuckli wurde ein Windrad installiert, das 17 000 kWh Energie im Jahr produziert. Das Betriebsgebäude wird mit Solarenergie versorgt und die übrigen Energiebedürfnisse werden mit Strom aus erneuerbaren Energien gestillt. «Wir müssen jetzt reagieren, wenn wir nicht die Möglichkeiten für zukünftige Generationen verspielen wollen», sagt Simon Zobrist. Viele Skigebiete beziehen auch bereits Strom aus Wasserkraft, der für einen Mehrpreis von etwa zwei Prozent erhältlich ist.
Der Einsatz von Pistenfahrzeugen schwächt die Ökobilanz deutlich, ist für den Betrieb jedoch unerlässlich. Wichtig ist, auf neueste Generationen der Pistenfahrzeuge aufzurüsten, da diese Kraftstoff sparen und den neuesten Abgasstandards entsprechen. Saas-Fee hat beispielsweise sieben von insgesamt 23 Kässbohrer-Maschinen im Einsatz, die der aktuellen Abgasnorm «Euro6» entsprechen.
Vor zwei Jahren erwarb Laax die neue Generation der diesel- elektrischen «600 E+»-Modelle. Diese sparen zwar 20 Prozent Kraftstoff, verursachen jedoch höhere Emissionen, als die Abgasnorm erlaubt, wie uns Kässbohrer bestätigt. Diese werden nur für den Betrieb zugelassen, wenn nachträglich ein zusätzlicher Feinstaubpartikelfilter eingebaut wird, was Laax in diesem Jahr tat.
Der Kraftstoffverbrauch in Skigebieten ist enorm. Es macht Sinn, beim Diesel auf Emissionen zu achten. Viele Pistenbullys in Skigebieten wie Titlis, Zermatt, Meiringen-Hasliberg oder Sattel- Hochstuckli fahren mit «Eco Speed»-Diesel, der 10 Prozent weniger Schadstoffe ausstösst.
Nicht nur Autoschlangen, Schneekanonen und Energieschleudern setzen dem Wintertourismus zu. Immerhin tragen 21 Prozent der touristischen Umweltbelastung Unterkünfte und Hotels bei. Hoteliers müssen sich bewusst sein, dass Gäste mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht «grün» buchen – es handelt sich ja für sie nur um einige Wochen im Jahr. Für Hotels macht das jedoch die Masse und damit auch die Umweltbelastung aus.
Mit kleinen Massnahmen kann bereits viel Energie gespart werden. Es empfiehlt sich, keine Geräte im Stand-by-Modus zu betreiben, Thermostate an den Heizkörpern anzubringen und die Temperatur bei Nichtbenutzung zu senken. Isolierfenster tragen viel zum Energiesparen bei, genauso wie Stromsparlampen, Bewegungsmelder, Duschköpfe mit Sparbrausen und der Verzicht auf Klimaanlagen. Auch eine nachhaltige und regionale Gastronomie verbessert die Ökobilanz.
All diese Schritte setzen zwölf Sunstar-Hotels in Berggebieten um und stehen für klimaneutrale Ferien. Gäste erhalten hier die Möglichkeit, den CO2-Ausstoss der Anreise zu kompensieren, was Projekten von «myclimate» zugute kommt.
Von den Gefahren abgesehen, bietet die Klimaerwärmung für Touristiker und Hoteliers auch Chancen. Die Sommerzeit wird wärmer und niederschlagsfreier. «Wir müssen eine Vier-Jahreszeiten- Strategie führen», sagt Simon Zobrist, der im Skigebiet Sattel-Hochstuckli mittlerweile 50 Prozent des Umsatzes im Sommer macht. Neue Sommerattraktionen, Wellness-Angebote und Outdoor-Aktivitäten können die fehlende Bergzeit kompensieren.
Doch ob Winter oder Sommer: Ein bewusster Umgang mit der Natur ist gefragt.
(Anna Shemyakova)