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Wer gute Leute finden will, sollte sich Mühe geben

In allen Ecken der Schweiz suchen Betriebe nach Mitarbeitenden. Dennoch steht in Stelleninseraten kaum etwas, das einem das Gefühl gibt, die Bedürfnisse der Mitarbeitenden stünden im Zentrum. Neuromarketing kann dabei helfen, genau diese Gefühle zu wecken und Interesse zu erzeugen.

  • Mit gut ausgebildeten Fachkräften verhält es sich ähnlich wie mit Sternen: Es gibt sie irgendwo da draussen, nur finden, muss man sie. Gesucht wird fleissig: Stellen-anzeigen für Fachkräfte im Gastgewerbe haben laut dem Fachkräftemangel-Index der Universität Zürich bereits 2021 stark zugenommen. (Illustration Pierina Bucher)
  • Philipp Zutt beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Neuromarketing. (ZVG)

Der Fachkräftemangel ist prekär. Laut Bundesamt für Statistik sind 4,6 Prozent der Stellen in der Gastrobranche derzeit nicht besetzt. Restaurants, Hotels, Cafés, Bars – sie alle buhlen um die Gunst der Stellensuchenden und müssen sich dabei auch gegen andere Branchen durchsetzen. Wobei buhlen eigentlich das falsche Wort ist. Sieht man sich das Gros der Stelleninserate an, scheint es fast so, als seien diese in jener Zeit ­steckengeblieben, in der Stellensuchende sich noch nicht aus zig Betrieben jenen herauspicken konnten, der ihnen am ehesten entspricht. Ein Foto eines solchen Inserats postete Daniel Künzel kürzlich auf der Facebookseite «Gastro Jobs Schweiz». Die Überschrift: Finde den Fehler! Künzel ist gelernter Restaurantfachmann, Leiter Bildung und Projekte von Culinarium Alpinum und mit seiner Firma PCB Consulting beratend in den Bereichen Gastronomie und Bildung tätig. Unter anderem deswegen hat er grosses Interesse am Geschehen auf dem Stellenmarkt.

«Unsere Welt hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Sie ist komplexer, vielschichtiger und damit fluider geworden», so Künzel. Leider erkenne er nur ­selten, dass dies seitens der Arbeitgeber berücksichtigt werde. «Die Inserate empfinde ich teilweise als rückständig», sagt der Coach und Berater. In einigen Fällen könne man die fragwürdige Firmenkultur geradezu herauslesen. Es fehlten Innovation, Mut, Zeitgeist und Enkeltauglichkeit.

Präzise Formulierungen

Auf Künzels Post, in dem ein Foto einer Stellenanzeige zu sehen war, die 15 Anforderungen, aber gerade mal zwei Benefits listete, entbrannte eine hitzige Diskussion. Eine, die sich an der Diskussion beteiligte, ist Jana Schrag. Schrag ist Eventmanagerin des Zürich Marriott Hotels. Ihr falle auf, dass viele Personalverantwortliche beim Erstellen von Inseraten auf Floskeln zurückgreifen würden. «Diese dürften für junge Leute wenig anziehend wirken», sagt sie. Eine dieser Floskeln: «Attraktive Arbeitsbedingungen». «Diese verwenden HR-Leute dann, wenn sie nicht wirklich etwas zu bieten haben, sonst würden sie die Punkte nennen», ist Schrag überzeugt. Spätestens im Vorstellungsgespräch müssten die Punkte dann sowieso erläutert werden, was zu Enttäuschungen führen könne. Auch für Künzel ist der Begriff stossend. Er sei doppelt diffus, sagt der Coach und Berater. «Erstens ist attraktiv sehr subjektiv und verfügt über keinerlei Aussagekraft. Zweitens sind die Anstellungsbedingungen in der Schweiz weitestgehend geregelt», so Künzel. Er schlägt vor, ins ­Detail zu gehen. «Dann kann der Leser selbst entscheiden, ob die Bedingungen attraktiv sind.»

«Der generelle Fachkräftemangel ist ein Gespenst.»

Daniel Künzel, Inhaber Pcb Consulting, Oberdorf/NW

Künzel ist überzeugt, dass innovative Betriebe trotz Fachkräftemangel kein Problem haben, gute Mitarbeitende zu finden. Jene, die Probleme hätten, machten oftmals den Fehler, Mitarbeitende als Ressource zu betrachten. «Zeit und Geld sind Ressourcen, aber weder Zeit noch Geld haben Bedürfnisse, Werte, Ängste oder Sorgen.» Anders als Mitarbeitende, die Aufmerksamkeit und Wertschätzung benötigten und nach Glück, Sinn und Erfüllung strebten, so Daniel Künzel. Diesen Aspekten müsste bereits in Inseraten Rechnung getragen werden. Er empfiehlt zudem, zusätzlich in Active Sourcing und Employer Branding zu investieren (siehe Infobox).

Das Arbeitsklima ist entscheidend

Eine Firma, die sich unter anderem auf das Thema Employer Branding spezialisiert hat, ist die Farner Consulting AG aus Zürich. Laut Markus Gut, Partner und Head of Farner Branding & Change stellt das Employer Branding eine immer grössere Herausforderung für die Entwicklung einer Firma dar. «Es ist der grösste Treiber in der Wahrnehmung einer Firma auf dem Arbeitsmarkt und zugleich das beste Mittel, um die Mitarbeitenden an das Unternehmen zu binden», sagt Gut.

Wie wichtig Employer Branding derzeit ist, zeigt auch die Employer Branding Studie 2021 der HR-Firma Randstad, an der weltweit 190 000 Menschen aus 34 Märkten teilgenommen haben. 80 Prozent der HR-Fachkräfte ­gaben an, dass eine starke Arbeit­gebermarke grossen Einfluss auf den Erfolg bei der Mitarbeiter­suche hat. Für 96 Prozent der ­Befragten ist die Übereinstimmung der eigenen Werte mit jenen der Unternehmenskultur ein Schlüsselfaktor für Zufriedenheit am Arbeitsplatz. In der Schweiz ist den Menschen ein angenehmes Arbeitsklima am wichtigsten (71 %), es folgen ein wettbewerbsfähiges Gehalt und gute Sozialleistungen (70 %), Arbeitsplatzsicherheit (66 %) und Work-Life-Balance (60 %) sowie finanzielle Stabilität (56 %). Spannend: Noch 2019 und 2020 waren Lohn und Sozialleistungen und nicht das Arbeitsklima auf Platz eins.

Auch in der Gastronomie gäbe es Mittel und Wege, ennet des Lohns Mitarbeitende für sich zu begeistern. Ein Anfang wäre, im Inserat auszuführen, was unter «attraktiven Anstellungsbedingungen» zu verstehen ist und das Inserat so zu schreiben, dass es etwas beim Lesenden auslöst. Was dabei helfen kann, sind die Prinzipien des Neuromarketings (siehe Interview).

(Désirée Klarer)


Neuromarketing

Auf dem Gebiet der Hirnforschung werden die Vorgänge im Gehirn, die beispielsweise bei Entscheidungen entstehen, seit vielen Jahren untersucht. Der Neuromarketing-Ansatz fusst somit auf einer starken wissenschaftlichen Fundierung. Laut «Zutt & Partner» geht es beim Neuromarketing in erster Linie um die bewusste und unterbewusste Wahrnehmung von Marken- und Produktwelten sowie um die Entscheidungsfindung von Konsumentinnen und Konsumenten. Zudem berücksichtigt die Disziplin auch unterbewusste Prozesse, die im Konsumentenhirn ablaufen. Insbesondere Emotionen spielen daher eine zentrale Rolle. Um diese Emotionen greifen und auswerten zu können, spielen ausgeklügelte neuropsychologische Methoden eine wichtige Rolle. Ein Beispiel dafür ist der ­Emocompass, welcher, basierend auf ­wissenschaftlichen Erkenntnissen, die unterbewussten Emotionen (von ­potenziellen Kunden) in Form eines Online-Tools mithilfe von codierten Formen und Farben einfangen kann. Eine mit dem Emocompass durchgeführte Neuromarketing-Studie aus dem Jahr 2019 zeigt beispielsweise, dass McDonald’s im Schnitt fast doppelt so viele Emotionen auslöst wie dessen Konkurrent Burger King. Ein Grund dafür ist laut «Zutt & Partner» die spürbare Familienfreundlichkeit von McDonald’s.

Employer Branding & Active Sourcing

Unter Employer Branding versteht man grob gesagt alle internen und externen Massnahmen, die dazu beitragen, die Attraktivität der eigenen Arbeitgebermarke zu steigern und sich als attraktiven Arbeitgeber auf dem Markt zu positionieren. Weiter kann Employer Branding laut der Zürcher Beratungsfirma «Dodifferent» dabei helfen, Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden, die Leistungsbereitschaft der Mitarbeitenden zu erhöhen und sowohl das Image des Unternehmens als auch die Kultur zu stärken. Richtig umgesetzt, kann Employer Branding auch dazu beitragen, dass Mitarbeitende sich gegenüber Freunden und Bekannten positiv über den Betrieb äussern. Damit steigt wiederum die Bekanntheit des Unternehmens als attraktiver Arbeitgeber. Jene, die von diesem Bekanntheitsgrad noch weit entfernt sind, können in der Zwischenzeit auf Active Sourcing zurückgreifen. Unter Active Sourcing versteht man die Direktansprache von potenziellen Arbeitnehmenden, die gerade nicht aktiv auf Stellensuche sind. Man kontaktiert sie beispielsweise in den sozialen Medien, allen voran Linkedin, und versucht, sie von anderen Unternehmen abzuwerben. Das ist zwar ressourcenintensiv, kann sich laut der Recruiting-Firma Prospective aus Zürich jedoch lohnen, wenn es sich um ein schwer zu besetzendes Profil handelt.  


Mehr Informationen unter:

pcbconsulting.ch

farner.ch


Interview Philipp Zutt: "Man muss das Gehirn Stärker ansprechen"

Philipp Zutt, Sie sind Neuromarketing-Experte. Können Sie zusammenfassen, was unter dem Begriff Neuromarketing zu verstehen ist?
Philipp zutt: Neuromarketing ist modernes Marketing unter Einbezug neuer, wissenschaftlicher Erkenntnisse aus den Bereichen der Hirnforschung und der Neuropsychologie. Im Zentrum stehen dabei Emotionen. Es geht ­darum herauszufinden, was eine Marke oder ein Produkt wirklich im Gast oder Konsumenten auslöst. Und zwar bevor die Emotionen verbalisiert werden.

Können Sie das noch etwas genauer erläutern?
Nehmen wir an, Sie werden als Teilnehmerin einer Gruppendiskussion gefragt, wie ein bestimmter Hotelbrand auf Sie wirkt. Nehmen wir weiter an, vor Ihnen haben schon vier andere Teilnehmer gesagt, dass sie einen schlechten Eindruck von dem Brand haben. Dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie nicht mehr ganz die Wahrheit sagen werden, obschon sie vielleicht einen guten Eindruck hatten, relativ gross. Die Emotion, die sie jedoch initial hatten, ist unverfälscht. Vollkommen egal, was andere vor Ihnen gesagt haben. Und genau dort setzt Neuromarketing an.

Wie finden Sie denn heraus, wie etwas auf den Gast oder Konsumenten wirkt? Immerhin können Sie ja schlecht in deren Gehirn blicken.
Das stimmt so nicht ganz. Man kann beispielsweise mithilfe der Magnetresonanztomographie durchaus sehen, ob jemand zum Beispiel bei Pepsi oder Coca-Cola stärker emotional reagiert beziehungsweise eine höhere Aktivität im limbischen System zu sehen ist. Oftmals bleibt es jedoch bei solchen Messungen. Wir haben 2003 das Tool Emocompass nach sechs Jahren Entwicklung eingeführt, mit dem wir beziehungsweise unsere Kunden ihre Zielgruppe besser verstehen und in ihren Entscheidungen darauf basierend unterstützen können.

Wie gehen Sie dabei vor?
Wir arbeiten ganz gezielt mit Mustern, so genannten Patterns. Bei Coca-Cola zum Beispiel gibt es nach der Messung bei den verschiedenen Probanden und deren Auswertung ein bestimmtes Pattern. Wir versuchen, dieses Pattern zu ergründen und zwar ohne dass die Probanden die Gefühle verbalisieren müssen. Wenn ich Sie zum Beispiel frage, welches Gefühl löst die Vorstellung in Ihnen aus, sie hätten drei Wo-chen Ferien und Geld ad libitum zur Verfügung, ermitteln wir über Farben und Formen, welches Gefühl das ist. Rot zum Beispiel wirkt auf alle Menschen physiologisch anders als Blau – und zwar kulturell unabhängig.

Können Sie ein branchen-spezifisches Beispiel nennen?
Nun, mal angenommen, ein Hotel möchte wissen, ob es trendy wirkt, würden wir die Probanden bitten, ein Bild zu machen. Mit Formen und Farben, die wir ihnen zur ­Verfügung stellen. Und zwar ohne ihnen zu sagen, was das Hotel herausfinden möchte.

Und wie hängen nun die Pattern damit zusammen?
Je nach Form- und Farbkombination ist ein anderes Pattern hinterlegt. Spannend wird es dann, wenn wir vorgängig fragen: Wie sollte das Hotel sein? Dann kann man anfangen zu vergleichen. Das wiederum hilft auch bei der Profilierung im klassischen Marketing beziehungsweise in der Werbung.

Bis zu welchem Grad kann man Werbung und Mitarbeiter­suche miteinander vergleichen?
Es ist sehr gut miteinander vergleichbar. In beide Fällen will man jemanden für sich gewinnen.

Wie kann Neuromarketing dabei helfen, Stellensuchende besser anzusprechen?
Beginnen wir beim Stelleninserat. Es muss etwas auslösen, auffallen. Dies gelingt, wenn man sich an das hält, was Stellensuchende sich wünschen – und nicht daran, was man sich als Firma wünscht. Das steht bei Neuromarketing stark im Fokus. Weiter sollte es im ­Gehirn mehr auslösen als bloss der geschriebene Text. Bei einem ­­multisensualen Erlebnis wird das ­Gehirn stärker aktiviert.

Gibt es noch weitere Punkte?
Ja, die gibt es. Es sollte ein emotionaler, roter Faden vorhanden sein. So sollten etwa Anforderungen und Benefits im Inserat dasselbe Gefühl auslösen. Das gilt auch für den Rest der Employee Journey. Die Firma sollte zudem authentisch und ehrlich wirken. Wer sagt, dass er Löhne nach L-GAV bezahlt, lobt etwas aus, das völlig normal ist. Ich sage beim Verkauf eines Liter Milchs schliesslich auch nicht, dass es in der Packung Milch hat.

(Désirée Klarer)


Zur Person

Der Neuromarketing-Experte Philipp Zutt ist unter anderem an verschiedenen Universitäten und Fachhochschulen als Dozent tätig. Mit seiner Firma «Zutt & Partner AG» hilft er zudem Firmen dabei, die Emotionen ihrer Kunden zu entschlüsseln und dadurch Kundenerlebnisse wirkungsvoller zu gestalten.