Die Kurhäuser und Heilbäder der Schweiz arbeiten meist ohne grosses Aufsehen. Während der Pandemie gerieten sie jedoch wegen Covid-Langzeitpatienten in die Schlagzeilen.
Diego Bazzocco, in der Regel bleibt Ihr Schaffen als Leiter des Kurhauses am Sarnersee von der medialen Öffentlichkeit unbemerkt. Anfang Jahr änderte sich das. Warum?
Bazzocco: Wir haben ein Angebot für Langzeit-Covid-Erkrankte, mit dem Betroffene Kraft für den Alltag schöpfen.
Mussten Sie für diese Gäste interne Abläufe ändern?
Bazzocco: Nein, es ist unser Konzept und unsere Stärke, dass wir alle Gäste und Patienten individuell und persönlich beraten, begleiten und betreuen. Die medizinischen und pflegerischen Strukturen sind vorhanden und etabliert. Die Küchenbrigade ist kompetent im Zubereiten von Spezialmahlzeiten und Diätkost.
Die Fallzahlen sind tief. Wird dieses Angebot noch genutzt?
Bazzocco: Zurzeit nicht. Bislang haben sich jedoch bei uns zwei Dutzend Patienten von den Folgen von Covid erholen können.
Falls im Herbst die Covid-Zahlen wieder steigen, sind Sie bereit zu reagieren?
Bazzocco: Wir haben in den letzten Monaten bewiesen, dass wir sehr schnell reagieren und in einer solchen Situation die Akut-Spitäler effektiv unterstützen können. Dies wird auch bei einer nächsten Welle oder in einer anderen Krise der Fall sein.
Ladina Bruggmann, Sie sind seit zwei Jahren Geschäftsführerin des Verbandes der Schweizer Kurhäuser und Heilbäder mit 40 Betrieben. Wie ist Corona an diesen Betrieben vorbeigegangen?
Bruggmann: Die Kurhäuser hatten im Frühling 2020 einen starken Einbruch an Logiernächtezahlen. Danach ging es bei denjenigen, die keine Wellness-Anlage hatten, bescheiden weiter. Diejenigen mit Wellness- angeboten konnten jedoch im Winter 20/21 Rekordmonate verzeichnen. Die Thermalbäder mussten grösstenteils schliessen, sind jetzt aber wieder offen.
Vor Corona wurde eine Kooperation mit Schweiz Tourismus angedacht. Was ist daraus geworden?
Bruggmann: Schweiz Tourismus setzt in der Gesundheitskampagne ausschliesslich auf ausländische Gäste. Wir haben deshalb keinen gemeinsamen Weg für den Schweizer Markt gefunden und in der Folge das Projekt nicht weiterverfolgt.
Was ist der Unterschied zwischen Wellnesshotels und Ihren Kurhäusern?
Bruggmann: Uns ist wichtig, uns von allgemeiner Wellness abzugrenzen. Die Betriebe bieten Gesundheitsaufenthalte mit medizinischer Fachkompetenz an.
Bazzocco: Im Unterschied zu klassischen Wellnesshotels zeichnen wir uns zusätzlich durch eine Kombination von Schul- und Komplementärmedizin aus. Diese Kompetenz der integrativen Medizin ermöglicht es uns, sehr individuell auf die Gesundheits-bedürfnisse der Gäste einzugehen und diese ganzheitlich zu betreuen.
In Zusammenarbeit mit der Hochschule Luzern realisiert Ihr Verband das Innotour-Projekt «Angebotsentwicklung und Rentabilitätsoptimierung». Was ist der Hintergrund dieses Projektes?
Bruggmann: Wissen und Informationen beeinflussen die Qualität der Management-Entscheidungen ganz wesentlich. Hier setzt das Projekt an und stellt den Betrieben bisher fehlende Informationen zur Verfügung. Gleichzeitig wird ein Benchmark-System mit Kennziffern als Basis für die Optimierung der Leistungserstellung im Betrieb und auf Verbandsebene ermittelt.
Und welchen Nutzen versprechen Sie sich davon?
Bruggmann: Diese Informationen erhöhen die Reputation des Verbands und der Branche, was wiederum zu besseren Rahmenbedingungen führt. Resultate sollten bis 2023 vorliegen.
Bazzocco: Unser Betrieb nimmt ebenfalls am Benchmark-System teil, und wir arbeiten aktiv in der Projektgruppe mit. Ich erhoffe mir, dass wir Erkenntnisse für die Zukunft der Branche bekommen werden. Damit kann auch unser Haus die Angebote noch besser auf die Gästebedürfnisse ausrichten.
(Interview Ruth Marending)