Christina Maass-Gojny ist Expertin für Wohnpsychologie. Als solche berät sie Privatpersonen und Firmen bei der bedürfnisgerechten Gestaltung ihrer Räume.
Christina Maass-Gojny, was verbirgt sich hinter dem Begriff Wohnpsychologie?
Jede Umgebung und jeder Raum wirkt auf uns Menschen, ohne dass wir das bewusst wahrnehmen. Die junge Wissenschaft der Wohnpsychologie erforscht diese Einflüsse auf unser Verhalten und unsere Gefühle, mit dem Ziel, daraus allgemeingültige Schlüsse zu ziehen, die sich in die Gestaltung von Räumen einbinden lassen, um humane Lebensräume zu kreieren.
Können Sie ein Beispiel dieser Forschung nennen?
Im Restaurant ist meist jener Platz zuerst besetzt, der anscheinend den besten Überblick über den ganzen Raum liefert. Die Wohnpsychologie versucht hier, die diesem Verhalten zugrunde liegenden Regeln zu finden und zu erklären, warum das so ist. Isoliert betrachtet, ist das nichts Neues. Neu daran ist, alle Aspekte im Zusammenspiel von Raum und Verhalten zu beleuchten. Das Wissen darum macht es möglich, die Attraktivität und Qualität von Räumen verlässlich zu erhöhen.
Wie lässt sich das Thema Wohnpsychologie auf die Gastronomie übertragen?
Im Restaurant gelten viele Grundsätze, die auch in Wohnbereichen greifen. Je nachdem, ob ich mit meinem besten Freund ein sehr privates Gespräch führen will, mit einer Gruppe guter Bekann-ter gemütlich tratsche oder Menschen bei einer Veranstaltung neu kennenlerne – das unmittelbare Umfeld im Raum muss jeweils andere Bedürfnisse erfüllen.
Und wie wird man diesen unterschiedlichen Bedürfnissen bei der Gestaltung gastgewerblicher Räume gerecht?
Indem man Bereiche anbietet, die unterschiedlich gestaltet sind. Mit dem besten Freund gehe ich daheim in die Küche, mit guten Bekannten teile ich die Bank auf dem Balkon und jemandem, den ich nicht so gut kenne, biete ich den Sessel im Wohnzimmer an. Diese Möglichkeiten muss man dem Gast im übertragenen Sinne auch im Restaurant bieten.
Wie stellt man es am besten an, wenn man seinen Betrieb in einen Ort der Begegnung verwandeln möchte?
Ein Ort der Begegnung zeichnet sich dadurch aus, dass einander fremde Menschen an einem Tresen beieinanderstehen oder an Tischen und auf Bänken oder Stühlen zusammensitzen können. Der Gastraum sollte zu diesem Zweck unterschiedliche Zonen anbieten, zwischen denen sich die Gäste nach Bedarf bewegen können. Grössere und kleinere Tische mit mehr oder weniger Stühlen oder Bänken, ein Stehtisch oder eine Bar mit oder ohne Hocker, je nachdem auch (leicht) variierende, angepasste Dekoration und Beleuchtung auf Tischen und an Wänden. Das schafft insgesamt eine lockere Atmosphäre.
Was bewirken Pflanzen in Hinblick auf das Wohlbefinden der Gäste?
Pflanzen verbessern das Raumklima und wirken ausgleichend. So können sie etwa das Empfinden von Schall reduzieren und die Verständigung im Raum verbessern. Darüber hinaus können sie genutzt werden, um verschiedene Bereiche zu markieren und so unterschiedliche Zonen zu schaffen. Interessant ist auch, dass Menschen in Bereichen mit Pflanzen tendenziell länger sitzenbleiben.
Was können Betriebe sonst noch dafür tun, dass die Gäste länger sitzenbleiben?
Wichtig ist das Gesamtpaket. Nebst dem Abstand zu den anderen Tischen spielen zum Beispiel auch Themen wie Schall, Licht, Behaglichkeit oder visuelle Orientierung eine Rolle. Wenn ich mein Gegenüber nicht verstehe, geblendet werde, mir der Kopf glüht und ich zudem erst suchen muss, bevor ich weiss, wo die Toiletten sind, werde ich mich kaum wohlfühlen.
Also Heizung und Licht aufdrehen, wenn man Feierabend möchte?
Nicht, wenn die Gäste wiederkehren sollen. In einer Bar finde ich ein sanftes Ritual schön. Dazu kann gehören, dass man jedes Mal eine bestimmte Musik spielt und sich das Licht in den verschiedenen Bereichen des Raums langsam und in einer bestimmten Reihenfolge verändert. Das animiert die Leute dazu, sich zu bewegen, wirkt aber nicht wie ein Rausschmiss.
(Interview Désirée Klarer)
Christina Maas-Gojny hat an der Hochschule für angewandte Wissenschaften und Kunst in Hildesheim (DE) Innenarchitektur studiert. Von 2017 bis 2019 bildetet sie sich an der Österreichischen Akademie für Psychologie in Wien zur Wohnpsychologischen Expertin weiter.