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«Berufswettbewerbe sind Weiterbildung»

Carmen Többen will es wissen. Nachdem sie zwei Berufswettbewerbe in der Schweiz gewonnen hat, bereitet sich die 20-Jährige nun auf die Euro Skills und World Skills vor.

«Wettbewerbe machen Spass», findet die Schweizer Meisterin. (ZVG)

Carmen Többen, Sie sind Schweizer Meisterin 2022 im Beruf Hotel Reception und AICR Best Young Receptionist Switzerland 2022. Wie haben diese Wettbewerbsgewinne Ihr Leben verändert?
Ich bin eigentlich eine schüchterne Person. Durch die Teilnahme an Wettbewerben reift man als Mensch und wird reflektierter. Ich habe gelernt, offener auf andere zuzugehen. Ausserdem habe ich nun ein viel grösseres Netzwerk. Am Wettbewerb lernt man in kurzer Zeit viele Leute kennen. Vor allem unter den Kandidatinnen und Kandidaten entsteht rasch eine Verbundenheit. Ich konnte sogar tiefere Freundschaften knüpfen.

In der Schweiz standen Sie letztes Jahr gleich zwei Mal auf dem Siegerpodest. Am Wettbewerb AICR World’s Best Receptionist Ende Februar 2023 in Doha (Katar) hat es dazu nicht gereicht. Sind Sie sehr enttäuscht?
Ein Medaillenplatz wäre schön gewesen, aber ich bin trotzdem mit meinem Ergebnis sehr zufrieden. An Berufswettbewerben kann man gar nicht verlieren. Man gewinnt immer an Erfahrung. Ich finde, dass Bianca-Alexandra Bogdan vom Hotel Mandarin Oriental in Doha verdient gewonnen hat. Genauso wie Elias Abou Jaoude vom Hotel Jumeirah Al Qasr in Dubai und Krzysztof Studziński vom Hotel Sofitel Grand Sopot in Polen.

Was denken Sie: Wo haben Sie Siegerpunkte eingebüsst?
Ich habe festgestellt: eine internationale Competition ist noch einen Zacken härter als ein nationaler Wettbewerb. In der Schweiz hatte ich bei den Backoffice-Aufgaben immer reichlich Zeit. In Doha hingegen lief mir diese etwas davon. Da alle Teilnehmenden sehr stark waren, fielen Kleinigkeiten viel stärker ins Gewicht. Zudem war die Altersspanne in Doha breiter als bei den Swiss Skills oder dem AICR-Wettbewerb Best Young Receptionist. Es gab Teilnehmende, die bis zu zwölf Jahre mehr Berufserfahrung hatten als ich. Von diesen Kolleginnen und Kollegen habe ich aber sehr viel gelernt.

Was zum Beispiel?
Fachliches, aber auch Menschliches. Das Organisationskomitee hat für uns spannende Workshops organisiert, in denen wir viel über uns selbst gelernt und uns ausgetauscht haben. Unter anderem über die Arbeitsbedingungen in unseren jeweiligen Herkunftsländern. Ich bin erstaunt, dass wir alle im gleichen Beruf tätig sind, aber so unterschiedlich arbeiten. In Dubai beispielsweise gibt es nur einen freien Tag pro Woche. Dafür wohnen die Angestellten gratis. Beeindruckt hat mich auch, dass so viele Teilnehmende ihre Heimatländer und Familien verlassen mussten, um sich eine Berufskarriere aufzubauen.

«An Berufswett­bewerben kann man nicht verlieren, man gewinnt immer Erfahrung.»

Das hat mir bewusst gemacht, wie gut wir es in der Schweiz haben. Wir müssen nicht weit weggehen und lange studieren, um einen Beruf erlernen zu können und finanziell auf eigenen Beinen zu stehen. Wer will, kann einfach eine berufliche Grundbildung absolvieren und verdient schon während der Lehrzeit sein eigenes Geld.

Sie haben in Doha zwar keine Medaille geholt, sind aber als «Winner of the Spirit of the Amical» geehrt worden. Was bedeutet Ihnen das?
Sehr viel, denn diese Auszeichnung wird nicht von der Jury, sondern von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern verliehen. Ich freue mich sehr über diese Ehrung. Besonders, weil wir einen so guten Zusammenhalt hatten und eine richtig coole Gruppe waren. Wir planen sogar, nächstes Jahr als Helfer und Statisten am Wettbewerb teilzunehmen.

Nach dem Wettbewerb ist vor dem Wettbewerb, heisst es. Wie geht es bei Ihnen weiter?
Ich bereite mich nun auf die Euro Skills in Danzig (PL) vom 5. bis 9. September vor. Mein Coach ­Egidio Marcato war in Doha dabei. Sein Feedback wird ins neue Trainingsprogramm einfliessen. Geplant ist, dass wir monatlich ein zweitägiges Training machen. Nach den Euro Skills nehme ich zudem an den World Skills in Lyon (FR) teil. Diese finden vom 10. bis 15. September 2024 statt.

Sie sind sehr wettbewerbserfahren. Haben Sie überhaupt noch Lampenfieber?
Ja, natürlich. Aber ich merke, wie das Lampenfieber von Wettkampf zu Wettkampf weniger wird. Ich habe jetzt einen Mentalcoach. Er hilft mir, mit Atemtechniken und anderem die Aufregung im Zaum zu halten.

(Interview Riccarda Frei)


Zur Person

Carmen Többen hat Hotel-Kommunikationsfachfrau gelernt. Ihre Ausbildung absolvierte sie im Hotel-Restaurant Schönbühl inHilterfingen/BE. Anschliessend arbeitete sie im Deltapark Vitalresort in Thun/BE als Réceptionistin. Noch bis Ende Wintersaison ist die 20-Jährige als Front Office Agent im Hotel Cervo Mountain Resort in Zermatt/VS tätig. Sie träumt davon, die Welt zu bereisen und einige ihrer neuen Berufskolleginnen und -kollegen zu besuchen.


Mehr Informationen unter:

euroskills2023.org

worldskills2024.com