Der Ruf einer Firma beeinflusst deren Erfolg massgeblich. Trotzdem reagieren Führungskräfte laut Reputationsexperte Christof Küng oft erst dann, wenn es zu spät ist: in der Krise.
Christof Küng, landläufig wird angenommen, dass es sehr lange braucht, um eine Reputation aufzubauen, aber nur Sekunden, um sie wieder zu zerstören. Entspricht das Bild der Realität?
Nein, die Aussage, dass es Jahre braucht, um einen Ruf aufzubauen und Sekunden um ihn zu ruinieren, ist zu pauschal. Eine Reputation, also einen Ruf, hat man von der ersten Sekunde an und nicht erst nach Jahren. Und hinsichtlich der Fragilität: Es gibt weltweit nur sehr wenige Fälle, in denen ein Reputationsskandal das Ende der Firma bedeutet hat. Mit einer starken Reputation heutzutage hält eine Firma fast jedem Skandal stand.
Gilt das für alle Branchen?
Jede Branche hat eigene Gesetze, nach denen sie funktioniert. Was sich jedoch in allen Branchen zeigt, ist, dass das Thema Reputation oft falsch verstanden und zu kurz abgehandelt wird. In das Riesenthema wird keine Zeit investiert. Dabei wäre das gerade heutzutage, in Zeiten von Onlinebewertung und rasanter Kommunikation, wichtig. Die Echokammern sind gewaltig.
Wie meinen Sie das?
Ein guter oder schlechter Ruf spricht sich heute viel rasanter herum als zu der Zeit, in der wir weder Internet noch Smartphone hatten. Betriebe in Hotellerie und Gastronomie könnten ihren guten Ruf gezielt als Differenzierungsmerkmal nutzen, tun dies aber viel zu wenig. Man denke etwa an Tourismusregionen, welche zum Teil nur wegen einer guten Re-putation, also eines guten Rufes, bekannt wurden. Die Schweiz wäre voll mit solchen Geschichten, aber nur wenige nutzen diese Schatzkisten.
Fairerweise sei gesagt, dass Hotelier oder auch Gastronom ein Fulltime-Job ist, der oft nur wenig Ressourcen für Dinge jenseits des operativen Geschäfts übrig lässt.
Zeit spielt natürlich eine zentrale Rolle, aber sie ist nicht alles. Viel wichtiger ist, dass die Reputationspflege vom Management vorgelebt wird und zwar in Form einer sinnhaften, integrierenden Unternehmensführung. Deshalb sprechen wir auch von Reputationsmanagement. Ohne Verständnis des Managements dafür, was Reputation genau bedeutet, wird es schwierig, sie zu pflegen oder den Mitarbeitenden zu vermitteln, welche Bedeutung ein guter Ruf für die Firma hat.
Und was ist mit den Gästen, Lieferanten, Behörden?
Zuerst muss man möglichst sämtliche Kommunikationskanäle von bestenfalls allen Stakeholder-Gruppen kennen. Dann gilt es, deren Kommentare, Meinungen und Stimmen einzufangen, einzuordnen und zu analysieren. Hier-zu gibt es mittlerweile gute Monitoring-Tools, die bei der Analyse helfen. Das spart Zeit.
Geredet wird aber nicht nur online oder via Smartphone.
Das stimmt. Nur kommt man an das, was niemand postet, schwieriger ran. Das ist die Realität. Ich kann mich als Vorgesetzter schliesslich schlecht in den Flur stellen und meine Mitarbeitenden oder Gäste bei ihren Gesprächen belauschen. Frage ich nach, erhalte ich mit ziemlicher Sicherheit eine verfälschte Bewertung. Denn wer sagt dem Chef schon, was er wirklich denkt? Welcher Gast reklamiert noch vor Ort? Das sind die wenigsten.
Haben Sie aktuell vermehrt Anfragen aus der Hotellerie, Gastronomie, dem Tourismus?
Die Anfragen aus diesen Sektoren nehmen in der Tat zu, jedoch in einem Bereich, welchen wir grundsätzlich nicht mehr machen: Krisenkommunikation. Wir erachten es nicht als sinnhaft, lediglich in einer Krise über Reputation nachzudenken. Wirklich richtig und ernsthaft gemeintes Reputationsmanagement ist nicht rückwärtsgerichtet, sondern beginnt mit Prävention.
Wie kann es gelingen, selbst wenn es augenscheinlich schon zu spät zu sein scheint?
Das sieht man am Beispiel des Hotels Badrutt’s Palace in St. Moritz. Dieses habe ich während 18 Jahren als Mitverantwortlicher in der Markenführung und damit in allen Belangen zum Thema Reputation beraten. Als ich das Hotel damals kennenlernte, befand es sich in einer schwierigen Phase.
Wie sind Sie vorgegangen?
Es galt, allen Beteiligten die Rückbesinnung auf die Werte des einst so erfolgreichen Hotels so zu vermitteln, dass sie unbedingt bei dieser Renaissance dabei sein wollten. Es ist dieses gewisse Etwas, welches alle ansteckt. Eine Geschichte, von der am Ende vom Inhaber über die Mitarbeitenden bis hin zu den Gästen alle be-geistert sind. Aber daran muss man kontinuierlich arbeiten. Der Faktor Mensch ist dabei die grösste Chance. Das Zauberwort? Vertrauen.
(Interview Désirée Klarer)
Christof Küng gilt als Experte für Reputation. Fast 25 Jahre lang begleitete er Start-ups, Konzerne und KMU. 2020 gründete er Cro.Swiss, um grundsätzlich auf die Wichtigkeit einer guten Reputation aufmerksam zu machen. Darüber hinaus engagiert er sich als Berater, Vortragsredner und Dozent.