Das sagt einer, der alles gab und lernen musste loszulassen.
Christoph Hunziker, Sie haben das Europa- und das Weltfinale des Kochwettbewerbs Bocuse d’Or absolviert. Wie fühlen Sie sich nach einem «normalen» Mittagsservice im «Schüpbärg-Beizli»?
Heute war tatsächlich mein erster Arbeitstag nach dem Finale in Lyon (FR). Dort genoss ich den Rummel. Hier war es schön, wieder einmal ein Stück Siedfleisch zu kochen.
Wie blicken Sie auf die zwei Tage in Lyon zurück?
Die Anspannung war gross. Jedes Team wollte gewinnen. Wir traten am Sonntagmorgen an. Zusammen mit Commis Céline Maier und Coach Dominic Bucher hatte ich einen sehr guten Tag. Wir schickten alle Gerichte besser als an den Probeläufen. Das sah auch Spitzenkoch Franck Giovannini vom «Hôtel de Ville» in Crissier/VD. Er lobte uns. Ganz besonders gefiel mir der Austausch unter den Köchen. Über alle Teams und Nationen hinweg konnten wir uns auf Augenhöhe austauschen.
Dann kam die mit Spannung erwartete Preisverleihung …
… und der zehnte Rang war für uns eine bittere Enttäuschung. Mittlerweile sind wir einigermassen zufrieden mit dem Ergebnis.
Womit sind Sie zufrieden?
Bei meiner ersten Teilnahme im Jahr 2015 setzte ich alles um, was gesagt wurde und erreichte den 16. Rang. Dieses Jahr zog ich meine Ideen durch und verbesserte mich auf Rang zehn. Wir hatten intensiv am Geschmack und der Optik gearbeitet. Auch die Organisation passte. Viele Teams bewunderten unser Entsorgungs- und Abwaschkonzept.
Was hat Sie enttäuscht?
Während die Verkostungsnoten transparent aufgeschlüsselt und nachvollziehbar sind, ist die Küchennote einfach eine Zahl. Dort, wo wir viel investiert haben und dafür auch bewundert wurden, büssten wir Punkte ein. So erging es auch den Schweden. Bei der Degustation waren sie zweimal Zweite. So schlecht konnte ihre Küchenorganisation nicht gewesen sein, dass sie das Podest verpassten. Da stellt sich schon die Frage, ob die Ergebnisse politisch motiviert sind. Zumal Ungarn der Austragungsort des Europafinals und Sponsor in Lyon war.
Wie unterschied sich das Europafinale in Budapest vom Weltfinale in Lyon?
Beide Finale waren top organisiert. Das in Lyon war pompöser und lauter. Ich konnte das Rundherum besser wahrnehmen. Budapest hatte den Vorteil, dass sich das Hotel auf dem Messegelände befand. An beiden Finalen waren die Pflichtprodukte, die vor Ort bezogen werden mussten, von bester Qualität. Alles andere haben wir von unseren Schweizer Lieferanten mitgenommen.
Wie haben Sie sich vom Stress und Adrenalinkick der Wettbewerbe erholt?
Ich war ehrlich gesagt froh, wieder zu Hause zu sein. Erst habe ich geschlafen, danach fünf Stunden die Fernsehprogramme rauf- und runtergezappt. Ich genoss das Abendessen, ohne daran zu denken, was ich noch alles tun sollte.
Sie haben innerhalb eines Jahres für zwei grosse Wettbewerbe trainiert. Was hat das mit Ihrem Geist und Körper gemacht?
Ich merkte, dass ich mit 40 nicht mehr der Jüngste bin und dass zu wenig Schlaf auf die Dauer nicht gesund ist. Als Patron eines eigenen Betriebes habe ich gelernt, Arbeiten zu delegieren, zu vertrauen und nicht mehr alles kontrollieren zu wollen.
Werden Sie noch einmal antreten?
Nein. Ich habe meiner Frau Sarah, die während meiner Abwesenheit vermehrt im Betrieb arbeitete, versprochen, dass dies der letzte Wettbewerb ist, an dem ich teilnehme. Sicher werde ich den nächsten Kandidaten unterstützen. Jeder, der will, kann sich anmelden und qualifizieren. Das ist das Positive am Bocuse d’Or. Doch im Milizsystem wird es niemand auf die ersten Plätze schaffen.
Ist dies eine leise Kritik an der Académie Culinaire, der Schweizer Koordinatorin?
Überhaupt nicht. Ich wurde super unterstützt und trainierte in der nachgebauten Wettbewerbsküche. Sicher hätte man mit mehr Budget noch mehr machen können. Doch als erfolgreicher Unternehmer konnte ich mich nicht nur auf den Wettbewerb konzentrieren. Immer dachte ich auch an meinen Betrieb. Die nordischen Länder wählen Finalisten aus Teams, die für die Teilnahme an Wettbewerben aufgebaut wurden. Zudem ist deren Budget um ein Vielfaches höher.
(Interview Gabriel Tinguely)
In der Gemeinde Schüpfen geboren, lernte Christoph Hunziker sein Handwerk bei Spitzenköchen im Berner Oberland. Das Mitglied im Schweizer Kochverband bildete sich zum Diätkoch, Gastronomiekoch und Küchenchef weiter. Beim Wettbewerb Goldener Koch 2012 lernte er seine Frau Sarah kennen, die den Wettbewerb noch heute mitorganisiert.
Zunehmende Professionalisierung prägte das Finale in Lyon (FR). Wie können sich Schweizer Kandidaten zukünftig darauf vorbereiten?
Seit fast 20 Jahren erreichen skandinavische Länder Podestplätze beim Kochwettbewerb Bocuse d’Or. Dieses Jahr holte sich erneut Dänemark den Sieg. Es folgten Norwegen, Ungarn und Schweden. Diese Erfolge sind auf beträchtliche finanzielle Mittel zurückzuführen, welche die Staaten und Partner aus der Lebensmittelindustrie bereitstellten. Damit wurden die Auswahl und Betreuung der Kandidaten professionalisiert. So wird es für die «Milizteams» zunehmend schwieriger, ganz vorne mitzuhalten.
Welche Optionen gibt es also? Hierzulande organisiert die Académie Suisse Bocuse d’Or die Auswahl der Kandidaten und betreut die Finalisten. Knapp 30 Partner unterstützten die Académie. Christoph Hunziker stand ein Budget von rund 150 000 Franken zur Verfügung – kein Vergleich zu den um ein Vielfaches höheren Budgets der Mitbewerber.
Doch auch in der Schweiz wurde einiges getan. So erhielt Christoph Hunziker Unterstützung von ehemaligen Finalisten. Zudem verfügt die Académie seit 2020 auch über eine Trainingsküche, die der Lyoner Wettbewerbsküche exakt nachempfunden ist. Doch vom Staat ist vorerst nichts zu erwarten. Auf das Argument, Kulinarik sei die beste Werbung für unser Land, wie dies die Siegernationen sehen, ging Präsenz Schweiz nicht ein.
Ob die Akteure der Schweizer Lebensmittelindustrie mehr zum Budget der Académie Suisse Bocuse d’Or beitragen könnten, ist eine unbeantwortete Frage. «Wir haben mehrere Wege angesprochen», sagte Lucien Mosimann, Koordinator der Académie. «Es gibt noch viel zu tun.»
(Patrick Claudet/gab)