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«Eigentlich wollte ich ein Jahr bleiben»

Er hat über drei Jahrzehnte die Arbeitsbedingungen im Gastgewerbe massgeblich mit­geprägt. Nun geht Stefan Unternährer im August in Pension. 

Stefan Unternährer war Leiter des Rechtsdienstes der Hotel & Gastro Union und Mitglied der Geschäftsleitung. (Filipa Peixiro)

Stefan Unternährer, wie lange waren Sie bei der Hotel & Gastro Union?

35 Jahre. Ich hatte die Anwaltsprüfung verbockt, musste als junger Familienvater aber Geld verdienen. Daher habe ich die Stelle als Rechtsberater bei der Hotel & Gastro Union angenommen. Eigentlich wollte ich nur ein Jahr bleiben.

Was hat Sie umgestimmt?

Ich kam zum Schluss, dass die Arbeit im Rechtsdienst viel sinnvoller ist, als in einer Anwaltskanzlei Klienten beim Erbstreit zu vertreten. Es kamen Fälle auf meinen Tisch, bei denen ich nicht glauben konnte, dass solche Ungerechtigkeiten 1988 im Gastgewerbe noch möglich sind.

Welche Fälle waren das?

In den 80er-Jahren wurden Mitarbeitende oft übers Ohr gehauen und ausgenutzt. Wegen des damals geltenden Saisonnierstatuts spielte der Arbeitsmarkt nicht.

Die Arbeitsbedingungen haben sich seither verbessert. Auch wegen des L-GAV *, den Sie regelmässig neu mitausgehandelt haben. Worauf sind Sie besonders stolz?

Darauf, dass sich der L-GAV und sein Vollzug positiv entwickelt haben. Bei den L-GAV-Verhandlungen sind immer mehrere Akteure beteiligt. Darum gibt es keine Errungenschaft, die einer Person allein zugeordnet werden kann. Auf einen Beitrag bin ich aber doch stolz: Früher herrschte beim Erstellen der Lohn- und Arbeitszeitabrechnungen grosses Durcheinander. Ich konzipierte für den Kommentar zum L-GAV ein Abrechnungsmodell. Das hat sich etabliert und führte – nicht zuletzt dank der Kontrollstelle des L-GAV im Gastgewerbe – zu mehr Rechtssicherheit und zu mehr Gerechtigkeit in der Branche. 

Vieles ist besser, und doch gibt es sicher noch offene Baustellen beim L-GAV. Welche?

Am L-GAV sind je drei Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände beteiligt. Sie haben die Aufgabe, Lösungen für die Probleme der Branche am Arbeitsmarkt zu finden. Doch Gastrosuisse verhindert die Verhandlungen seit Jahren. Das schadet der Branche.

Sie selber sind nicht mehr aktiv an den L-GAV-Verhand­lungen beteiligt. Was müsste, aus Ihrer Perspektive, als Nächstes geschehen?

Einsicht müsste einkehren. Gastrosuisse stört sich an den kantonalen Mindestlöhnen und verweigert darum die Teilnahme an den L-GAV-Verhandlungen. Das Verhältnis der kantonalen Mindestlöhne zu den L-GAV-Mindestlöhnen wird aber auf Gesetzesebene, also politisch und somit ausserhalb der Kompetenzen der sechs Sozialpartner entschieden.


«Wer an die Branche glaubt, gestaltet ihre Zukunft aktiv mit.»


Die Blockade hat daher keinen Einfluss auf den Ausgang des politischen Prozesses. Sie führt nur zu einem Reformstau in unserer Branche und sollte dringendst aufgehoben werden.

Wo besteht aktuell so ein Stau?

Bei der Finanzierung von Aus- und Weiterbildungen. Der L-GAV unterstützt seit über zehn Jahren Arbeitnehmende und Arbeitgebende bei der Aus- und Weiterbildung über die Bildungs- und Vollzugskostenbeiträge. 2023 zahlten Arbeitnehmende 90 und Arbeitgebende 10 Prozent dieser Beiträge ein. In Zukunft benötigt das System mehr Mittel, sonst müsste man die finanzielle Unterstützung zurückfahren. Weite Arbeitgeber-Kreise wären bereit, ihre Beiträge zu erhöhen. Dazu müsste aber im L-GAV ein Wortlaut verändert werden, was die Blockade von Gastrosuisse aber verhindert.

Sie haben mit Roger Lang frühzeitig Ihren Nachfolger als Leiter Rechtsdienst und Sozialpolitik aufgebaut. Haben Sie noch einen Rat für ihn?

Ich bin froh, dass Roger Lang mein Nachfolger ist. In den letzten Jahren hat er Schritt für Schritt meine Aufgaben übernommen. Inzwischen ist er überall gut eingearbeitet und braucht von mir keinen Rat mehr. Er ist in der Lage, sein eigenes Ding zu machen.

Am 1. August beginnt Ihr neuer Lebensabschnitt als Rentner. 

Richtig. Mit der Aufsichtskommissionssitzung im Juli endet mein letztes Mandat für die Hotel & Gastro Union. Ich werde mich danach vermehrt um diejenigen kümmern, die in den letzten drei Jahrzehnten etwas zu kurz gekommen sind: meine Frau und meine Familie.

(Riccarda Frei)

* L-GAV = Landes-Gesamtarbeitsvertrag für das Gastgewerbe. Dieser Vertrag ist allgemeinverbindlich, daher gilt er für alle im Gastgewerbe tätigen Personen. (Mehr Informationen unter L-GAV.ch)


«Entweder ... oder» mit Stefan Unternährer

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