Weihnachtsessen, Weihnachtsfeiern, Silverstermenüs: Nach der intensiven Festzeit steht vielen in puncto Essen der Sinn nach einer entspannteren, enthaltsameren Zeit. In den letzten Jahren haben sich daraus Trends entwickelt.
Der Dry January ist eine weltweite Bewegung. Jeweils im Januar gönnen sich Millionen von Menschen einen Januar ohne Alkohol. Die Bewegung hat ihren Ursprung in England. In der Schweiz wird der Dry January von einer breiten Allianz umgesetzt und vom Bundesamt für Gesundheit unterstützt. An der Organisation ist das Blaue Kreuz massgebend beteiligt. Dort melden sich jährlich über 8000 Personen für den Dry January an. Die Dunkelziffer über Teilnehmende, die mitmachen, aber sich nicht anmelden, liegt gemäss dem Blauen Kreuz bei einer Million.
Jüngeren Datums ist der Trend Veganuary. Der Begriff ist ein Kofferwort aus vegan und Januar. Ziel ist es, sich im Januar einen Monat lang vegan zu ernähren. Gegründet wurde die Organisation Veganuary 2014 in Grossbritannien. 2020 wurde der Veganuary erstmals in Deutschland, Österreich und der Schweiz durchgeführt. Hierzulande ist die Vegane Gesellschaft Schweiz die offizielle Kooperationspartnerin.
Am Veganuary 2022 haben um die 10 000 Privatpersonen in der Schweiz sich auf der Website veganuary.com registriert. «Für den aktuellen Veganuary rechnen wir wiederum mit einem neuen Teilnahmerekord», sagt Sarah Moser, Geschäftsleiterin Vegane Gesellschaft Schweiz. Gemäss Erhebungen des Kantar Marktforschungsinstituts mit Sitz in London kann davon ausgegangen werden, dass bis zu zehnmal mehr Menschen die vegane Ernährung ausprobieren, ohne sich anzumelden. Mittlerweile machen in der Schweiz über 800 Gastronomiebetriebe mit. Die HGZ hat Stimmen in der Gastronomie eingeholt. Lesen Sie, was das Gastgewerbe über diesen Aktionsmonat denkt und wer dabei mitmacht.
(Ruth Marending)
Rino Zumbrunn, Gastronom/Küchenchef, Restaurant Krone in Sissach/BL
«Es liegt in der Natur des Wortes: Trends kommen und gehen. Wer nun deswegen einen Monat auf Alkohol oder tierische Produkte verzichtet, kann es gleich sein lassen. Klar tut es der Menschheit gut, auf gewisse Dinge zu verzichten, dies sollte jedoch aus eigener Verantwortung kommen und nicht aus einer medialen Mode.Ich sehe diese Trends in meinem Betrieb nicht, weil in unserer ländlichen Region die Nachfrage fehlt. Ich entwickle immer wieder neue alkoholfreie Aperitifs, dennoch bleiben die klassischen beliebter. Den veganen Versuch könnte man sich im Sommer überlegen, wenn eine grosse Auswahl an Früchten und Gemüsen da ist.»
Peter Durrer, Gastgeber Culinarium Alpinum, Stans/NW
«Da wir nur mit regionalen Produkten direkt von den Bauern arbeiten, ist unsere Ausrichtung klar Farm-to- Table und Nose-to-Tail. Das ist im Januar das Wintergemüse und nicht die Hors-sol-Tomate. Und im Glas haben wir den sortenreinen Apfelsaft in der 25-Liter-Ballonflasche vom Spätherbst. Für uns ist ein ausgewogenes Angebot wichtig. Dass wir heute weniger fleischlastig sind, ist nicht erst seit gestern im Trend. Dass die weinseligen Business-Lunches – leider für uns Gastronomen – der Vergangenheit angehören, ist auch nicht neu. Also passen wir uns den veränderten Konsumgewohnheiten der Gäste einfach an und machen etwas Kreatives und Lustvolles daraus.»
Dirk Hany, Bar Manager Bar am Wasser, Zürich
«Die Nachfrage nach alkoholfreien Cocktails ist auch ohne Dry January gestiegen. Vor vier Jahren war noch einer von 20 Cocktails alkoholfrei, heute ist bereits jeder dritte ein No- oder Low-ABV-Cocktail, also Drinks mit wenig Alkohol. Das hat mit dem Verhalten der heutigen Generation zu tun, die bewusster durch den Alltag geht. Auch wenn solche Themenmonate interessant sind, sollte man an die Gastronomen denken. Wenn jeder Gast einen Monat lang auf Alkohol verzichtet, deshalb nicht in den Ausgang geht oder wenn doch, nur Mineral oder Softgetränke trinkt, gehen immense Umsätze verloren.»
Thomas Nussbaumer, Leitung Gastronomie Standort Olten,Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW
«Mit unserem Restaurant Von Roll und der Cafeteria Riggenbach der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW sind wir beim Trend Veganuary dabei. Wir erweitern unser veganes Angebot im Januar leicht. Das haben wir in 2022 zum ersten Mal gemacht. Doch auch unter dem Jahr arbeiten wir sehr gerne mit Hülsenfrüchten und Getreideprodukten. Jeden Tag gibt es ein veganes Gericht, eine vegane Suppe und verschiedenste weitere vegane Komponenten. Zudem haben wir vegane Gipfeli, vegane Sandwiches sowie vegane Brötchen im Angebot. Milch-Alternativen sind für uns selbstverständlich. Rund die Hälfte des Angebotes ist bei uns vegan. Das Salatbuffet sowieso und bei den Gemüsen, Beilagen und vegetarischen Gerichten schauen wir auf Abwechslung. Wir setzen tierische Produkte nur ein, wo es nötig ist. Zum Beispiel kann Pasta sehr gut eine vegane Sorte sein. Dazu gibt es zur Auswahl eine vegane Sauce, eine vegetarische Sauce und eine Sauce mit Fleisch.»
Loïc Mesqui, Gründungsmitglied, VR-Präsident, Elmira Fine Dining, Zürich
«Solche Themenmonate sind wertvoll, denn sie regen dazu an, alte Gewohnheiten zu hinterfragen und wecken die Lust, etwas Neues auszuprobieren. Im Restaurant Elmira folgen wir aber keinen Trends. Unser wichtigster Grundpfeiler ist die Nachhaltigkeit. Diese ist tief in unserer DNA verankert. Um dies langfristig und ganzheit- lich umzusetzen, sind kurzfristige konzeptionelle Änderungen nicht ziel-führend. Denn wir machen ohnehin bei beiden Trends mit – und zwar das ganz Jahr hindurch. Veganuary till Vegecember und Dry January till Dry December. Die Kundschaft kann sich flexibel für das tierische oder pflanzen- basierte Menü entscheiden. Gleiches gilt für die hochwertige, alkoholfreie Getränkebegleitung, welche mehrheitlich selbst gemacht ist. Diese wird den Gängen angepasst, damit ein hohes Mass an Harmonie entsteht. In unserer Gourmet-Küche werden exklusive Kreationen einstudiert und perfektioniert. Wer also bisher viel Fleisch gegessen und dazu automatisch Rotwein getrunken hat, probiert vielleicht mal unseren pflanzlichen Siebengänger und die hausgemachte alkoholfreie Begleitung.»
Gabriela Dal Santo, Chief Marketing Officer, ZFV-Unternehmungen, Zürich
«Der Veganuary ist fester Bestandteil des Jahresprogramms in unseren Betrieben. Wir sehen eine pflanzenbasierte Ernährung nicht als Trend, sondern als Teil einer zeitgemässen, ausgewogenen und umweltfreundlichen Ernährung. Darum bauen wir das Angebot in dem Bereich stetig aus. Im Januar wird es in unseren Betrieben täglich ein veganes Angebot geben. Mit innovativen Rezepturen und Kreationen wollen wir zeigen, wie vielfältig die pflanzenbasierte Küche ist. Unter dem Motto ‹Wir bringen Farbe in den Januar› möchten wir unsere Gäste inspirieren, die veganen Gerichte auszuprobieren. Mit unserem Menü-Nachhaltigkeits-Index, der jedes Essen bezüglich Umweltfreundlichkeit und Ausgewogenheit bewertet, sorgen wir zudem für Transparenz auf dem Teller.»
Silvio Germann, Küchenchef «Mammertsberg», Freidorf/Tg
«Viel wichtiger als ein veganer Monat ist für mich der respektvolle Umgang mit Lebensmitteln das ganze Jahr über. So arbeiten wir im ‹Mammertsberg›. Dazu gehören für mich gute tierische Produkte. Deshalb beziehen wir alles von ausgewählten Produzenten und aus nachhaltigen Zuchten. Einen Teil unseres Gemüses steuert unser kleiner Küchengarten bei. Für mich ist es ein Privileg, mit solchen Produkten arbeiten zu dürfen.»
Jeffrey Murphy, Co-Founder und Geschäftsführer Bio Bäckerei Vegery 155, Solothurn
«Der Veganuary ist ein guter Ansatz, um die Hürden zu veganem Essen herabzusetzen. Viele, die an den Festtagen von allem zu viel hatten, nutzen diese Gelegenheit. Dabei finden sie heraus, dass es viele Optionen gibt, um auf tierische Produkte zu verzichten. In unserer Biobäckerei haben wir mit einem breiten veganen Angebot das ganze Jahr «Vegan-Year». Des-halb nutze ich diesen Monat, um auf besondere Projekte aufmerksam zu machen. Zum Beispiel auf die Sea-Shepherd-Spendenaktion: Für jedes verkaufte Happy Tuna Sandwich spenden wir einen Franken.»
Stephan Kastl, Executive Chef Mitglied der Geschäftsleitung, «Seedamm Plaza», Pfäffikon/SZ
«Schon immer zählen zu unseren Gästen auch Vegetarier und Veganer. Seit einigen Jahren nehmen diese zu, was uns dazu brachte, in unseren Restaurants vegane Gerichte mit ins Programm zu nehmen. Dabei setzen wir weniger auf Fleischersatzprodukte als vielmehr auf eigenständige Gerichte. Wir sind überzeugt, dass wir so kreativere, individuellere und gesundheitsbewusstere Speisen anbieten. Im Bankettbereich sowie auch an unserem diesjährigen Asian Food and Culture Festival haben wir erstmals pflanzenbasierten Fleischersatz auf Basis von Erbsenproteinen verwendet. Diese sind bei den Gästen sehr gut angkommen. Ich bin überzeugt, dass, auch wenn die Gerichte entsprechend gekennzeichnet waren, vielen Gästen nicht bewusst war, dass es sich gar nicht um echtes Fleisch handelt.»
Markus Weishaupt, Leiter Hotellerie, Spital Muri, Muri/AG
«Das Positive an diesen Trends ist, dass man sich mit dem Essen auseinander setzt. Bei nicht korrekter Umsetzung der veganen Ernährung ist jedoch das Risiko für eine Mangelernährung sehr hoch. Aus diesem Grund sollten Kinder, Jugendliche, Schwangere, Kranke und ältere Personen diese Ernährungsform meiden. Grundsätzlich entscheidet jedoch der Kunde, welches seine Bedürfnisse sind. Wir geben gerne Inputs und bieten stets vegetarische Gerichten an und nur selten Veganes. Allgemein fördern wir die Gesundheit der Mitarbeiter mit einem breiten und frei wählbaren Angebot. Wöchentlich stellen wir gratis Obst zur Verfügung.Alkoholische Getränke gibt es bei uns nicht.»
Timo Fritsche, Küchenchef OZ by Andreas Caminada, Fürstenau/GR
«Trends sind immer ein wichtiger Gradmesser für unsere Gesellschaft, erst recht wenn sie kritischer Natur entsprungen sind. Sie spiegeln oft polarisierende Themen und steigern langfristig die Aufmerksamkeit dafür in der Öffentlichkeit. Deshalb finde ich es generell gut, dass Themen wie erhöhter Fleischkonsum unddessen Folgen für die Gesundheit und Umwelt, oder die Selbstverständlichkeit von überhöhtem Alkoholkonsum kritisch angesprochen werden, anstatt sie nur zu akzeptieren oder sogar positiv zu fördern. Durch Veganuary und Dry January werden klar verständliche und einfache Handlungsalternativen vermittelt. Das halte ich für wertvoll in unserer heutigen Zeit. Wir machen jedoch bei diesen Trends nicht mit, da unser Konzept bereits diesen Trends entspricht. Wir arbeiten im Restaurant rein vegetarisch und servieren unser stetig auf die Verfügbarkeit in unserem Garten angepasstes Sieben- oder Neun-Gang-Menü, auf Wunsch gerne auch vegan. Unsere alkoholfreie Getränkebegleitung ist sehr vielseitig und umfasst selbstgemachten Kombucha, Wasserkefir, Infusionen sowie frische oder fermentierte Frucht- und Gemüsesäften. Dennoch setzen wir uns kritisch mit den Trends auseinander und verstehen das gesellschaftliche Bedürfnis dahinter, aber aus meiner Sicht ist es keine Option, Trends wie Veganuary und Dry January Eins zu Eins in die eigene Restauration zu übernehmen. Die Kunst als Gastronom ist für mich, eigene Konzepte zu entwickeln, die den Problemen entgegenwirken, aber gleichzeitig dem Gast nicht das Gefühl von Reglementierung oder Verbot vermitteln. Unsere Aufgabe ist Genuss und schöne, nachwirkende Erlebnisse für unsere Gäste zu kreieren.»
Philipp Albrecht, Direktor Park Hotel, Winterthur/ZH
«Wir haben laufend ein sehr grosses vegetarisches Angebot, dazu einige vegane Gerichte auf der à la carte Karte. Daher sehen wir nicht, dass wir im Januar zusätzlich was machen sollten. Wir spüren dafür auch keine spezielle Nachfrage.»
Florian Bettschen, Leiter Gastronomie im Casino Bern
«Von der neuen Mode des Vegnuary halte ich genauso viel wie von zu Beginn eines Jahres gefassten Vorsätzen. Vorsätze und einen Monat auf Fleisch und Lebensmittel tierischen Ursprungs zu verzichten bringt nichts, wenn die Nachhaltigkeit fehlt. Ich empfehle eine bewusste und nachhaltige Ernährung übers ganze Jahr. Da kann man den Veganuary ruhig sein lassen. Wohlgemerkt: Ich verurteile niemanden, egal ob Veganer, Vegetarier, Fleischliebhaber oder jemand, der nur Süsses isst.»
Marc Almert, Chef Sommelier, Mitglied der Geschäftsleitung Baur au Lac Vins
«Für das Hotel Baur au Lac in Zürich als auch für Baur au Lac Vins sind vegan und alkoholfrei ein Thema, dass wir ganzjährig in unser Angebot integrieren. Im Hotel Baur au Lac führten wir kürzlich ein neues Fitness- & Ernährungsprogramm von Formel 1 Performance Coach Mark Arnall ein. So sind in allen unseren Outlets Plant-Based-Gerichte verfügbar. Vegane Gerichte und Weine sind auf der Karte entsprechend mit einem Blatt gekennzeichnet. Im Restaurant Pavillon bieten wir ein vegetarisches Menu mit alkoholfreier Getränke-Begleitung an. Bei Baur au Lac Vins sind vegane Weine gekennzeichnet. Neu haben wir auch alkoholfreie Weine und Traubensaft im Sortiment.»