Um keine Idee verlegen, denkt Fritz Erni am liebsten quer. Dabei schreibt er Teamwork gross und konzentriert sich auf Lösungen. 24 erfolgreiche Jahre als Direktor des «Montana» liegen nun hinter ihm.
Fritz Erni, wie ist es Ihnen seit Ihrem letzten Arbeitstag im Luzerner «Montana» ergangen?
Danke, es geht mir super. Aufgrund der unfreiwilligen Corona-Entschleunigung hatte ich gefühlt zwei Monate Wochenende und konnte tatsächlich zum ersten Mal das Wohnen in unserem schönen Zuhause geniessen.
Keine Lockdown-Langeweile?
Keine Sekunde! Aber ich gebe zu: Es hätte mir nicht gutgetan, das Tempo unvermittelt von hundert auf null zu drosseln. Wohlweislich hatte ich im Vorfeld meiner Pensionierung einige spannende Verwaltungsratsmandate angenommen, die mich in einem 50-Prozent-Pensum bei Laune und auf Trab halten. So darf ich mich unter anderem als Vizepräsident des «Montana»-Verwaltungsrats strategischen Aufgaben widmen.
Sie waren 24 Jahre Direktor des «Montana». An welche Highlights erinnern Sie sich besonders gerne?
Viele Meilensteine gehen in die Anfänge zurück. So auch die zentrale Frage: Was mache ich mit diesem Haus an bester Lage, das am Markt kaum wahrgenommen wird? Und da ich nicht an Zufälle glaube, sondern daran, dass einem etwas «zufällt», habe ich innerhalb kurzer Zeit Charakterköpfe gesucht und gefunden, die langjährige Wegbegleiter waren.
Wie haben die Sie als Wegbegleiter unterstützt?
Da muss ich etwas ausholen: Denn ganz zu Anfang lag die Arbeit alleine bei mir. Wie wild schrieb ich an einem Visionspapier, das sich über 30 Seiten erstreckte. Ich forderte mich heraus, meine Gedanken auf eine Seite zu kürzen. Doch das war mir noch immer zu viel. Ich habe solange um die Essenz meiner Vision gekämpft, bis ich die 30 Seiten auf einen Satz, gar ein Wort, zu reduzieren vermochte: «Leben». Will heissen: das Hotel, das lebt. Und jetzt zurück zu den Menschen, die mir dabei halfen, den Traum eines lebendigen Hotels zu verwirklichen.
Wir sind gespannt.
Ich lernte Vreni Mehr kennen. Legendäre Luzerner Barchefin, die jeder kannte und die jeden kannte. Auf meine Frage, was eine gute Bar denn ausmache, antwortete sie: Musik. Kurz darauf traf ich den Jazzpianisten Richard Decker, den ich kurzum als Leiter Unterhaltung fest anstellte. Er war nicht nur wohl der beste Pianist in der Schweiz, sondern auch ein kreativer Kopf: Er schlug vor, wöchentliche Jam Sessions, wie man sie aus Chicago oder New Orleans kennt, zu veranstalten. Also Konzerte mit einer Grundformation von drei Musikern, zu denen sich weitere Künstler gesellen konnten. Richard kannte die Schweizer Jazzszene wie kein anderer und holte jeden Donnerstag die namhaftesten Musiker aus der ganzen Schweiz in die Bar. Die Gage war nie ein Thema, es ging einzig um die Musik.
Das waren legendäre Abende!
Absolut. Tatsächlich ist die Louis Bar das Herzstück des «Montana» und Grundstein seiner Erfolgsgeschichte. Während die anderen Sternehäuser ihre Pianisten entliessen, engagierten wir einen. Der Nimbus des besten Musikhotels der Schweiz war geboren.
Kann man Querdenker führen?
Ich sage immer, man muss Menschen mögen. So konzentrierte ich mich stets auf ihre Stärken, nie aber auf ihre Schwächen.Es geht um Respekt und eine ehrliche Wertschätzung. Ohne diese Spielregeln funktioniert keine zwischenmenschliche Beziehung. Und egal, wen ich im Haus antraf – Gäste oder Staff: Ich suchte stets den Augenkontakt, grüsste zuerst, lächelte und spürte unmittelbar, ob alles im Lot ist oder ob der Schuh drückt.
Kann man Empathie lernen?
Nicht in der Schule. Es geht darum, sich bewusst für diese Haltung zu entscheiden und sie zu verinnerlichen. Hat man das begriffen, wird man mit der Zugänglichkeit des Gegenübers belohnt.
Sie haben viel Pionierarbeit geleistet und kreative Ideen umgesetzt.
Das war nicht nur ich alleine. Wir haben immer im Team und auf Augenhöhe gearbeitet. Jeder, egal auf welcher Hierarchiestufe, hatte die Chance, sich kreativ einzubringen, um nach getaner Arbeit am Erfolg teilzuhaben. Das motiviert jeden Mitarbeitenden ungemein. Wurde eine Idee jedoch nicht innerhalb von 48 Stunden angepackt, war sie für uns gestorben. Konnte sich eine Vision in unseren Köpfen und Herzen etablieren, standen wir stets zu hundert Prozent dahinter. Wer zweifelt, hat verloren. Denn Erfolg beginnt im Kopf, und Erfolg ist planbar.
Nennen Sie ein Beispiel?
Ich habe grundsätzlich immer das Gegenteil von dem getan, was die Mitbewerber machten. So steht es auch in unserer Vision: Wir sind einzigartig. Gerade in Corona-Zeiten haben offenbar viele Hoteliers Bedenken, den Betrieb wieder ganz hochzufahren. Doch wenn nicht jetzt, wann dann? Die Gäste bleiben in der Schweiz und sind bereit, für eine tolle Leistung Geld auszugeben. Es scheint offensichtlich, dass sie Nachholbedarf in Sachen «Vergnügen» haben. Und egal, welcher Krisensituation wir uns stellen müssen: Ich suche stets die Chance hinter einer Veränderung. Das ist nicht einfach. Aber wenn es einfach wäre, würde es jeder machen.
(Interview Andrea Decker)
Fritz Erni, geboren 1955, war seit 1996 Direktor des Art Deco Hotel Montana in Luzern. Der Visionär verfügt über profunde internationale Hotelerfahrung und durchlief die Kaderschulung von Hilton International. 2017 wurde er zum «Hotelier des Jahres» gekürt. Er führte das Traditionshaus mit ausserordentlichem Ideenreichtum zum besten Hotel des Jahres 2018/19 und wurde mit dem Lifetime-Award für seine Leistung ausgezeichnet.