Krisen lassen sich nur überwinden, wenn die Verbände zusammenarbeiten. Die Hotel & Gastro Union macht den ersten Schritt.
Geht es um das Verhältnis von Arbeitgebern und Arbeitnehmern taucht immer wieder der Begriff Sozialpartnerschaft auf. Sie ist ein Schweizer Erfolgsmodell und seit mehr als 100 Jahren tief in der berufspolitischen Kultur des Landes verankert. Vereinfacht ausgedrückt geht es darum: streiten ja, aber streiken verhindern. Ziel der Sozialpartnerschaft ist, dass Arbeitgeber zusammen mit Arbeitnehmern faire Rahmenbedingungen für ihre Branche aushandeln. Ist die Konkurrenzfähigkeit einer Branche wie beispielsweise des Gastgewerbes gefährdet, sind beide Seiten aufgefordert, Probleme zu lösen. Und das rasch.
Eine der dringlichsten Aufgaben ist der Stopp der Abwanderung von Arbeitskräften. Es ist im Interesse guter Betriebe, dass vor allem qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gastgewerbe bleiben. Und die lassen sich nur halten, wenn sie attraktive Arbeitsplätze in gut geführten Gastronomie- und Hotelbetrieben vorfinden. Die Hotel & Gastro Union weist seit Monaten darauf hin, dass der Personalmangel in dramatischer Weise zugenommen hat. Betriebe müssen ihr Angebot oder die Öffnungszeiten bei gleichbleibenden oder steigenden Fixkosten einschränken. Die Arbeit in Restaurants und Hotels wird deshalb auf immer weniger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verteilt. Der Leistungsdruck steigt. Und der Frust wächst, so dass immer mehr Berufskolleginnen und Berufskollegen kündigen.
«Damit muss endlich Schluss sein», sagt die Hotel & Gastro Union. Der Teufelskreis aus «Steigenden Kosten und immer weniger Arbeitskräften» muss durchbrochen werden. Dafür notwendig sind jedoch neue attraktive, sozialpolitische Rahmenbedingungen. «Leider blockiert der Arbeitgeberverband Gastrosuisse seit Mai 2019 die Verhandlungen über einen neuen Landes-Gesamtarbeitsvertrag L-GAV. Man muss es so deutlich sagen: Die Sozialpartnerschaft in unserer Branche befindet sich in einer Krise», sagt Roger Lang, Leiter Rechtsdienst der Hotel & Gastro Union.
Wo sind die Lösungen? Einen ersten Schritt macht die Hotel & Gastro Union mit der Unterschriftensammlung «Gemeinsam gegen Personalmangel». Mit ihr greift die Union die wichtigsten Problemfelder auf, die sofort angepackt werden müssen.
Erstens: Es braucht dringend eine noch bessere Ausbildung von Mitarbeitern und Arbeitgebern. Und damit verbunden die Fortführung der kostenlosen Aus- und Weiterbildung über 2023 hinaus.
Zweitens: Es bedarf eines Kulturwandels in der Führung. Ansagen wie «Ich bin der Chef, du hast zu spuren» sind von gestern.
Drittens: Beruf und Freizeit lassen sich nur unter einen Hut bringen, wenn die Arbeitszeiteinteilungen attraktiver werden und Dienstpläne rechtzeitig eintreffen. Und viertens: Die Löhne müssen steigen!
Wohlverstanden: Mit diesen Forderungen und mit dieser Unterschriftensammlung geht die Hotel & Gastro Union nicht auf Konfrontationskurs gegen die Arbeitgeber. Im Gegenteil: Namhafte Inhaber und Geschäftsführer von Betrieben wie Michel Péclard und Rainer Hoffer unterstützen die Kampagne, mit der die Hotel & Gastro Union dem Verband Gastrosuisse die Hand reicht und auffordert, L-GAV-Verhandlungen wieder aufzunehmen.
Bislang haben mehr als 8000 Personen die Unterschriftensammlung «Gemeinsam gegen Personalmangel» unterzeichnet. «Je mehr Gastgewerbler mitmachen, desto grösser ist der Druck auf Gastrosuisse, von ihrer Blockade wegzukommen und die Sozialpartnerschaft wieder aktiv zu leben», betont Roger Lang.
Um den vier Forderungen der Kampagne Nachdruck zu verleihen und die Verhandlungskraft gegenüber Gastrosuisse zu stärken, braucht es eine starke Hotel & Gastro Union. Aktuell bietet der Verband all jenen, die sich noch nicht in einem der fünf Berufsverbände der Hotel & Gastro Union organisiert haben, eine Gratismitgliedschaft für ein Jahr an. «Diese Chance, sich mit Kollegen zu vernetzen, von attraktiven Angeboten zu profitieren und sich für gute Arbeitsbedingungen einzusetzen, sollte man nicht verpassen», so Roger Lang.
(Jörg Ruppelt)