Hotelketten drängen in den Schweizer Markt. Das zwingt bisherige Betriebe, sich neu zu positionieren. Etablierte Betriebe schliessen sich einer internationalen Kette an.
Marc A. Kilchenmann ist der klassische Hotelier. Nach dem Besuch der Hotelfachschule Luzern betrieb er viele Jahre das Hotel Crystal in St. Moritz. Dann aber zog es ihn ins Mittelland zurück, wo er aufgewachsen war. Seit gut einem Jahr steht er dem Hotel Krone in Lenzburg vor. «Als ich mich nach einem neuen Wirkungsfeld umsah, trugen mir zwei Weinhändler unabhängig voneinander zu, dass die ‹Krone› einen neuen Gastgeber suchte.» Er sah es als einen Wink des Schicksals und nahm mit dem Besitzer, Aargau Hotels, Kontakt auf. «Das Haus interessierte mich von Beginn weg, es hat eine eindrückliche Geschichte und ist fest in der Stadt verankert.»
Die «Krone» wurde erstmals 1765 erwähnt. Insgesamt 69 Zimmer, verteilt auf drei Gebäude, stehen zur Verfügung. Gastronomisch werden die Gäste im regional ausgerichteten Restaurant Charly verwöhnt.
Bis vor zwei Jahren wurde der Betrieb über mehrere Generationen von der Familie Gruber geführt. Bereits die damalige Besitzerfamilie stellte die Weichen für die Zukunft. Weil es mit der geplanten familieninternen Nachfolge wegen eines tragischen Unglücks nicht klappte, entschloss sich die Familie, unter das Dach einer international aufgestellten Hotelmarke zu schlüpfen. Nach längerem Prüfen der auf dem Markt vorhandenen Möglichkeiten entschloss man sich für die Marke Mercure von Accor Hotels.
Mercure ist in der Schweiz neben dem Lenzburger Betrieb mit zwei Hotels in Biel und Zürich präsent. Mit dieser Marke bietet Accor Hotels individuell geführten Mittelklassehotels die Stärke eines internationalen Netzwerks.
Die «Krone» gehört erst seit Anfang Juni als Franchising-Betrieb zum französischen Konzern. Derzeit ist Kilchenmann daran, sein Hotel Mercure fit zu machen. «Da gibt es eine Reihe an Vorgaben», sagt er. Eine davon ist bereits im Eingangsbereich ersichtlich: Fahnen mit dem Mercure-Schriftzug begrüssen den Gast. Derzeit sind umfangreiche Renovationsarbeiten im Gange. Für rund drei Millionen Franken wird das unter Denkmalschutz stehende Hotelgebäude renoviert. Derzeit sind die Arbeiten im Gebäude aus den 1970er-Jahren in vollem Gange.
Mit dem Anschluss an die Marke Mercure sollen neue Gästegruppen nach Lenzburg gelockt werden: «Wir erhoffen uns mit der Anbindung an Accor Hotels mehr internationale Gäste», so Kilchenmann. Zwar kann er mit der derzeitigen Auslastung von rund 65 Prozent zufrieden sein, liegt er doch über dem nationalen Durchschnitt. «Die Umgebung von Lenzburg hat eine sehr umfangreiche Unternehmenslandschaft mit kleineren und mittleren Betrieben, mit denen viele Übernachtungen generiert werden», sagt Marc A. Kilchenmann. «Jedoch an den Wochenenden könnte mehr laufen.»
Der französische Hotelkonzern ist in den letzten Jahren stark gewachsen und hat sich ein umfangreiches Portfolio zugelegt. Zum Mutterhaus Accor Hotels, das bis vor zwei Jahren als Accor auftrat, gehören bekannte Marken wie Raffles, Sofitel, Ibis und Novotel. Ebenfalls gehören 25hours und Swissôtel zur Gruppe. Kürzlich übernahm das Unternehmen zudem «John Paul», weltweiter Marktführer von Services im Concierge-Bereich.
Mit dieser Wachstumsstrategie ist Accor Hotels punkto Bettenzahl auf den sechsten Platz im weltweiten Ranking der Hotelkonzerne gerückt. Platz eins des Hotelkettenrankings belegt Marriott Hotels, nachdem sich der amerikanische Hotelkonzern vergangenes Jahr Starwood einverleibt hat. Das weltweite Portfolio von Marriott International umfasst mehr als 6200 Hotels in 125 Ländern, verteilt auf 30 Marken.
In der Schweiz sind derzeit fünf Marken mit acht Hotels vertreten. Dazu gehört das Marriott Hotel in Zürich. Aber auch die Renaissance Hotels, Autograph Collection Hotels, das Ritz-Carlton, die Courtyard by Marriott und Moxy Hotels zählen dazu. Insgesamt haben die Häuser 1329 Zimmer. Courtyard by Marriott und die Moxy Hotels werden von SV Hotel betrieben, die zur SV Group gehört. «Es gibt in den nächsten beiden Jahren noch zahlreiche Eröffnungen», sagt Manuela Stockmeyer, Mediensprecherin von SV Hotel. In diesen Tagen wird das erste von der SV Hotel betriebene Moxy Hotel in Stuttgart seinen Betrieb aufnehmen. Im Herbst 2019 wird das Lifestyle-Hotel auch in der Schweiz Fuss fassen, und zwar im Lausanner Flon-Quartier. «Die Marke Moxy spricht eine neue Generation von Reisenden an, die einen Mix aus lebendigem Design und wohnlicher Atmosphäre und ein vorteilhaftes Preis-Leistungs-Verhältnis wünschen», sagt Manuela Stockmeyer. Moxy ist eine Marke, bei der die Einrichtung aufs Minimale reduziert wird. Es gibt kein Telefon, kein Restaurant. «Alles, was man nicht braucht, ist weg. Dafür gewinnt das Gemeinschaftserlebnis mit ‹Communal Tables›, ‹Chill-out-Lounge› und Bar an Bedeutung.» Auch hier ist Wachstum angesagt. Neben Neueröffnungen in Deutschland, die ebenfalls von SV Hotel betrieben werden, ist auf 2019 das erste Moxy in der Deutschschweiz geplant und zwar in Bern.
Doch nicht nur die bisherigen Player auf dem Schweizer Hotelmarkt weiten ihre Kapazitäten permanent aus. Nachdem in den letzten vier Jahren bereits Hotelmarken wie Motel One und Kameha Grand im Schweizer Markt Fuss gefasst haben, kommen laufend neue dazu. So plant zum Beispiel die französische Kette Groupe B & B Hôtels im September 2018 die Eröffnung der ersten Häuser in der Schweiz. In Rümlang wurde bereits ein Mietvertrag mit der Nestor Immobilien AG abgeschlossen. Das sich im Bau befindende Haus wird dereinst 179 Zimmer aufweisen können. Auch die deutsche MeiningerGruppe liebäugelt mit der Schweiz und hat sich per Ende 2019 einen Standort in der neu entstehenden Greencity in Zürich Süd gesichert.
In der Dienstleistungsdestination The Circle am Zürcher Flughafen werden zwei Hyatt-Hotels mit 550 Zimmern entstehen. Damit erweitert die Hotelkette ihr Schweizer Portfolio, zu dem bislang einzig das Fünf-Sterne-Superior-Hotel Park Hyatt in Zürich gehört, auf drei Häuser. Das geplante Hyatt Regency Zurich Airport fokussiert im Viersternebereich Urlaubs- und Geschäftsreisende. Unter der Marke Hyatt Place entstehen für ein junges und modernes Publikum von Geschäftsreisenden und Familien weitere 300 Zimmer, ein Restaurant, eine Bar und ein Fitness Center mit Cardiogeräten und Gewichten. Der Baustart des Grossprojektes erfolgte vor einem Jahr. Die erste Etappe sollte bis Ende 2018 fertiggestellt sein, die zweite bis 2019.
Angesichts dieser Entwicklung der Hotellerie vor allem in den beiden Städten Zürich und Basel stellt sich die Frage, wie denn die durchschnittliche Auslastung der Betriebe ist. «Unsere Hotels weisen im laufenden Jahr eine Zimmerauslastung von durchschnittlich 57,8 Prozent auf», sagt Felix Hauser, Hotelier und Präsident des Basler Hotelier-Vereins. Allerdings habe man in der ersten Jahreshälfte die Anzahl an Logiernächten um 7,8 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum im Vorjahr steigern können. Die neu hinzugekommenen Betriebe in der Stadt am Rheinknie bereiten ihm keine Sorgen, im Gegenteil: «Das stetig breitere Angebot zeigt den Hotels mit veralteten Strukturen, dass sie so nicht mehr weiterkommen.» Zudem habe jedes neue Produkt seine Berechtigung und seine Nische. «Genau das macht die Attraktivität einer Destination aus», so Hauser.
Die Basler Hotellerie muss auch wegen der Konkurrenz an der Landesgrenze gut aufgestellt sein. Im Juni diesen Jahres hat das Steigenberger Hotel Lörrach eröffnet. «Das neue Haus ist mit etwa 180 Zimmern ein grosses Hotel und liegt direkt beim Bahnhof von Lörrach, das werden wir auf dem Markt sicher spüren», konstatiert Felix Hauser.
Martin von Moos, Hotelier und Präsident des Zürcher Hotelier-Vereins, sagt zur Entwicklung im Raum Zürich: «Monatlich sind neue Projekte im Gespräch, es ist schwierig, die Übersicht zu behalten.» Er rechnet bis 2020 mit mindestens 2100 weiteren Zimmern. «Für die bestehenden Hotels wird es immer enger.» Wie gut der Markt diese neuen Hotels absorbiert, kann er derzeit noch nicht sagen: «Fakt ist, dass trotz der steigenden Logiernächtezahlen in Zürich die Nachfrage nicht so stark wachsen wird, wie es neue Zimmerangebote geben wird.» Das bedeutet für die Hotellerie, dass der Preis immer stärker unter Druck gerät. «Wir sind aber auch überzeugt, dass die neuen Projekte den Markt beleben werden», so von Moos.
(Ruth Marending)