Hotels und Restaurants werden oft mit Theatern verglichen, selten jedoch mit Museen. Dabei sind viele von ihnen mit Werken Alter Meister oder zeitgenössischer Kunst geschmückt. Etliche Hotels pflegen noch heute erfolgreiche Liaisons mit Kunstschaffenden.
Van Gogh, Gaugin, Vermeer, Toulouse-Lautrec, El Greco, Rembrandt – da sie erst nach ihrem Tod zu Ruhm gelangten, nagten die Maler zu Lebzeiten am Hungertuch. Wie viele vor und nach ihnen waren auch diese Künstler froh, wenn Wirte ihnen eine Mahlzeit spendierten oder ein Bild als Anzahlung nahmen.
Ein Hotel-Restaurant, das legendär wurde, weil der Wirt Künstler unterstützte, ist das «La Colombe d’Or». Es liegt in Saint-Paul de Vence an der französischen Côte d’Azur und wird seit 1920 von der Familie Roux geführt. Sie bewirtete Prominente wie die Schauspiellegenden Sophia Loren und Alain Delon sowie grosse Meister der modernen Malerei. Neben Picasso auch Mirò und Chagall.
Wer heute in der goldenen Taube einkehrt, sitzt in einer Kunstsammlung mit Weltklasse-Niveau, die sich laufend weiterentwickelt. Das neueste Werk ist eine Keramik des irischen Künstlers Sean Scully.
Auch in der Schweiz haben zahlreiche Wirte und Hoteliers Kunstschaffende unterstützt oder tun dies heute noch. Stellvertretend werden einige von ihnen in den Bilderrahmen rechts vorgestellt.
Gastgeber setzen Kunst auch seit jeher zu Werbezwecken ein. Ein Beispiel dafür ist das berühmte Flimser Panorama von Giovanni Giacometti. Das Hotel Waldhaus in Flims/GR hat zur Eröffnung seines Pavillons im Jahr 1904 bei Giacometti ein dreiteiliges Bild, ein so genanntes Triptychon, in Auftrag gegeben. Es hing zuerst im Pavillon, bevor es Jahrzehnte später auf dem Dachboden des Hotels eingelagert und dort vergessen wurde.
In den 1990er-Jahren entdeckte der damalige Hoteldirektor Josef Müller das Kunstwerk wieder und stellte es in der Lobby des Hotels aus. Die US-amerikanische Investorengruppe, welche 2015 das Hotelresort kaufte, hatte an dem Kunstwerk kein Interesse. Das Panorama von Flims, in dessen Mittelpunkt werbewirksam die Hotelanlage zu sehen ist, wurde vom renommierten Auktionshaus Koller für über vier Millionen Franken versteigert.
Es ist das letzte von drei grossen Panoramen, die Giacometti als Auftragswerke malte. Das erste stammt von 1898 und zeigt den berühmten Ausflugsort Muottas Muragl. Das zweite Werk schuf der Künstler 1899. Es ist eine Ansicht des Oberengadins mit dem majestätischen Hotel Palace in Maloja. 2021 widmete das Kunsthaus Chur den Giacometti-Panoramen eine Sonderausstellung.
Das Hotel Chesa Grischuna in Klosters/GR ist ein Bijou. Unter anderem wegen der Malereien von Alois Carigiet. Bevor er als Illustrator des Kinderbuchs Schellenursli berühmt wurde, hat Carigiet die Fassade der «Chesa Grischuna» sowie einige Wände im Hausinneren und die Kegelbahn verschönt. Zu seinen Ehren trägt die Taverne seinen Namen.
Im Schlosshotel Chastè in Tarasp/GR ist eines der Stübli dem Künstler Rudolf Mirer gewidmet. Dies nicht bloss, weil dessen Bilder die dortigen Wände schmücken. Der Künstler ist zudem mit Rudolf Pazeller befreundet. Dieser war 55 Jahre lang Direktor des Schlosshotels. Ursprünglich wollte Rudolf Pazeller Kunstmaler werden. Eines seiner Bilder hängt im Restaurant des «Chastè». Dann folgte er aber doch der Familientradition und wurde Koch. Die beiden Rudolfs verbindet ihre Leidenschaft für Kulinarik und Kunst. Bereits im Frühling 2011 haben Mirer und Pazeller gemeinsam das Kochbuch «Arte Cucina – Kunst und Kochen. Bündnerisch» veröffentlicht.
(Riccarda Frei)
Mit dem 25hours Hotel Zürich Langstrasse folgt ein modernes Haus der alten Hotellerie-Tradition «Artist in Residence». Die vom Hotel eingeladenen Künstlerinnen und Künstler hinterlassen am Ende ihres Aufenthalts eines ihrer Werke für die hoteleigene Kunstsammlung. Das künstlerische Herz des Hotels ist das Gastatelier im Erdgeschoss. Im Laufe ihres Aufenthalts öffnen die Artists in Residence das Atelier für Kunstinteressierte. Zusätzlich sind die Kunstschaffenden während eines Nachmittags im «Open Studio» anwesend. Dort stellen sie mit einer kleinen Ausstellung, einem Gespräch oder einer Präsentation die in Zürich entstandenen Werke, Notizen oder Recherchen vor. Für die Organisation des Hotelateliers und des Open Studios ist die Zürcher Künstlerin und Kuratorin Esther Eppstein verantwortlich. Noch bis 7. August ist die Künstlerin Marilyn Boror Bor zu Gast im Hotelatelier. Sie wird von Matheline Marmy abgelöst. Diese ist vom 14. bis 28. August im Hotel kreativ.
25hours-hotels.com/hotelatelier
Das historische Hotel Regina in Mürren/BE ist selber ein Stück Kulturgeschichte. Es ist aber auch Veranstaltungsort für kulturelle Anlässe und lädt jährlich zwei Kulturschaffende zu einem Atelieraufenthalt ein. Dieses Jahr war die Musikerin Katharina Weber einen Monat lang im Haus. Vom 1. September bis 1. Oktober wird die Künstlerin Aline Stadler ins Gastatelier im «Regina» einziehen, um dort ortsspezifische Impressionen zu gestalten.
reginamuerren.ch/air-artist-in-residence
Im Dezember 2022 hat die Weisse Arena Gruppe, zu der das Riders Hotel Laax/GR gehört, das Kulturprogramm «Laax Art + Culture» lanciert. Unter dieser Marke werden Konzerte, Open Mic Nights, Ausstellungen und andere Kulturevents durchgeführt. Kurator Luca Kuppelwieser wählt die Events aus, betreut die Kunstschaffenden, die im Riders Hotel einen «Artist in Residence»-Aufenthalt absolvieren sowie den Art Space, wo die Events stattfinden.
ridershotel.com
Das «Cervo» in Zermatt/VS versteht sich als Ort der Begegnungen und Erlebnisse sowie als Schmelztiegel der Kulturen. Einerseits werden im Resort die alten Werte und die Kultur der Alpen gelebt, gleichzeitig bietet das Cervo Mountain Resort auch Raum für moderne, internationale Einflüsse. Seit zwei Jahren lädt das Resort Kunstschaffende zu einem dreiwöchigen Aufenthalt ein. Im Gegenzug nehmen die Künstlerinnen und Künstler an zwei «Meet & Greet»-Apéros teil und stellen dort das Werk vor, an dem sie als Artist in Residence im «Cervo» arbeiten. «Jeder Künstler tut dies auf seine Weise», sagt Resort Manager Benjamin Dietsche. «Musiker geben ein Konzert, Autoren machen eine Lesung, Fotografen zeigen ihre Bilder.» Zurzeit ist Adam Stamp, ein Maler und Bildhauer aus Los Angeles, der Künstler im Haus. Wie seine Vorgänger und Vorgängerinnen wird auch er ein Werk oder etwas, das bei dessen Entstehung eine Rolle spielte, im Resort zurücklassen. «Wir planen, diese Objekte später einmal an einer Künstler-Wand, einer Wall of Art, auszustellen.»
cervo.swiss/cabin-essence
Im Hotel Restaurant Linde in Einsiedeln/SZ kommen die Freunde der Kunstrichtung Art Brut auf ihre Kosten. Rund 150 Werke von Menschen, die zwar keine künstlerische Ausbildung, aber etwas mitzuteilen haben, sind im ganzen Haus verteilt. Die Bilder gehören Daniel Kellenberger. Er betreibt in Herrliberg/ZH das Kunsthäuschen, eine Galerie, und ist Besitzer des Kunsthotels Linde. Jeweils donnerstags, freitags und samstags – sowie auf Anfrage – nimmt Daniel Kellenberger interessierte Gäste mit auf eine kostenlose Führung durch das Hotel. Neben der ständigen Art-Brut-Ausstellung organisiert die Hoteldirektorin Susanna Kälin Waldvogel in unregelmässigen Abständen Kulturevents wie etwa eine Holzschnitzerei-Vernissage.
linde-einsiedeln.ch