Seit 30 Jahren ist Jörg Ruppelt im Verlag der Hotel & Gastro Union tätig. Heute plaudert er aus dem Nähkästchen.
Jörg Ruppelt, können Sie sich noch an Ihren ersten Arbeitstag erinnern?
Nein, aber an die erste Reportage. Es ging um ein auf Poulet spezialisiertes Restaurant in Düdingen/FR. Damals gab es noch kein Navi und ich musste mir den Weg mit der Strassenkarte suchen. Die Bilder für die Reportage habe ich analog und in schwarz-weiss fotografiert. Farbfotos in Zeitungen und Magazinen waren 1993 noch die Ausnahme.
Sie haben Ihre journalistische Karriere in Ostdeutschland begonnen und wollten Sportreporter werden. Wie sind Sie dann im Schweizer Gastgewerbe gelandet?
Nach der Wende machte ich Wanderurlaub in Zermatt. Dort lernte ich meine Frau kennen. Zwar hatte ich ein Angebot, als Sportreporter in Oberfranken (DE) zu arbeiten, aber der Liebe wegen kam ich in die Schweiz. Da Stellen im Sportjournalismus rar waren, bewarb ich mich als Redaktor bei der Union Helvetia, wie die Organisation damals hiess. Seither bin ich der Union und dem Gastgewerbe treu und habe es nie bereut.
Was hat sich seither in der Branche verändert?
Am markantesten sicher die Essgewohnheiten. Früher gehörte es zum guten Ton, mittags ins Restaurant zu gehen. Heute ist Take-away angesagt. Den Fachkräftemangel gab es vor 30 Jahren schon, aber er hat sich jetzt noch weiter akzentuiert. Es ist höchste Zeit, endlich Veränderungen einzuleiten. Zum Beispiel durch mehr Wertschätzung, höhere Investitionen in Aus- und Weiterbildung sowie bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Auch im Verlag hat sich seit 1993 viel verändert. Sie haben die Entwicklungen massgeblich mitgeprägt. Worauf sind Sie stolz?
Darauf, dass wir es geschafft haben, uns auf dem Markt als führende Verbands- und Branchenzeitung zu positionieren, die den Puls des Gastgewerbes fühlt. Als Journalist ist mir kein Zacken aus der Krone gefallen, Publireportagen zu schreiben. Ich sah und sehe diese immer als wertvolle Fachinfo für unsere Leserschaft. Stolz bin ich auch auf das Team, dass wir beisammen haben, dass wir Kante zeigen und Standpunkte der Hotel & Gastro Union in sozialen und bildungspolitischen Fragen klar darstellen.
Im Lauf der letzten 30 Jahre haben Sie über 6000 Storys verfasst. Gibt es jemanden, der Sie besonders beeindruckte?
Ich empfand alle Gesprächspartnerinnen und -partner als angenehm, und ich konnte aus jeder Begegnung persönlich etwas mitnehmen. Besonders beeindruckt mich die hohe Sensibilität der Köche und wie sie an Wettbewerben auf dem Weg zu den Goldmedaillen den emotionalen Drahtseilakt zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt meistern.
Wenn die berühmte Fee käme und Ihnen ein Interview mit einer Person Ihrer Wahl ermöglichte, wer wäre das und was würden Sie fragen?
Rolf Mürner, Pâtissier der Schweizer Kochnati, die in Chicago 2007 Weltmeister wurde. Ein Jahr zuvor an der Koch-WM in Luxemburg unterlief ihm ein Fehler, der dem Team wertvolle Punkte kostete. In Chicago lief es der Equipe zunächst in der kalten Show wieder nicht rund. Es gab «nur» Silber. Teamchef Beat Weibel war am Boden zerstört. Nach dem warmen Wettbewerb wurde die Schweiz doch noch Weltmeister. Einen grossen Anteil daran hatte Rolf Mürner. Sein Dessert war der totale Hammer! – Ich würde Rolf Mürner gerne fragen, woher er damals seine unfassbare mentale Stärke geholt hat. Wie es ihm gelang, den Frust in Lust umzuwandeln? Und wie es war, vom Buhmann des Teams in Luxemburg ein Jahr später in Chicago zu dessen Held zu werden?
Sie sind seit 2022 Verlagsleiter. Was gefällt Ihnen an dieser Position?
Die Komplexität der Aufgaben eines Verlagsleiters fasziniert mich. Von den Verhandlungen mit den Druckereien über die Mitarbeiterführung und meinen neuen zusätzlichen Aufgaben als Head of Communication der Hotel & Gastro Union bis hin zu den Herausforderungen der digitalen Transformation mit all ihren Stärken, aber auch vielen Schwächen.
Sehen Sie Parallelen zwischen dem Gastgewerbe und dem Zeitungsgeschäft?
Der Konkurrenzkampf und der Druck, in kurzer Zeit Produkte in konstant hoher Qualität und mit begrenzten finanziellen Mitteln herzustellen, ist in beiden Branchen enorm.
Sie sind beruflich eng mit dem Gastgewerbe verbunden. Gibt es auch in Ihrem Privatleben einen Bezug zur Gastronomie?
Ich habe meine Tochter mit dem Gastgewerbevirus angesteckt. Sie hat Restaurantfachfrau gelernt.
(Interview Riccarda Frei)
Jörg Ruppelt ist verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Kindern. Der gebürtige Sachse hat in Leipzig Deutsch und Geschichte studiert, bevor er bei der ersten unabhängigen Tageszeitung der DDR ein Journalismuspraktikum absolvierte. Er ist begeisterter Fussball- und Eishockeyfan (FCZ und ZSC). Ursprünglich wollte Jörg Ruppelt Sportjournalist werden. Der Liebe wegen zog er vor über 30 Jahren in die Schweiz und entdeckte hier eine weitere Leidenschaft: die für das Gastgewerbe.