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Schlafen, wo einst Verbrecher hausten

Der «Sennhof» in Chur/GR hat eine bewegte Geschichte. Mit dem Hostel Bogentrakt wird nun ein neues Kapitel aufgeschlagen.

  • In der Bündner Kantonshauptstadt gibt es keine Jugendherberge. Mit dem «Bogentrakt» schliesst Marco Leibundgut die touristische Angebotslücke im Tiefpreissegment. In seinem Hostel kann man schon ab 32 Franken pro Nacht logieren. (Bilder ZVG)
  • Die Zellen haben sich in Zimmer mit WC und Lavabo verwandelt.

Was haben der gelernte Koch und Buchautor Erich von Däniken, der Öko-Terrorist Marco Camenisch und der Gustloff-Attentäter David Frankfurter gemeinsam? Sie verbrachten einen Teil ihres Lebens hinter den Mauern des «Sennhofs». Das Gefängnis am Rand der Churer Altstadt galt bis zu seiner Schliessung im Frühling 2020 als der härteste Knast der Schweiz. Wo böse Buben und schlimme Mädchen einsassen, entstehen nun Wohnungen, Gewerbe-, Kultur- und Eventräume sowie ein Restaurant und ein Hostel.

Historie und Moderne kombiniert

Das «Bogentrakt» befindet sich, wie es der Name ankündigt, im gekrümmten Teil der Anlage. Dieser schliesst an einen trutzigen Turm an. «Im Turm entstehen ein Co-Working-Space, ein TV-Raum sowie eine Küche für die Gäste», erklärt Marco Leibundgut. Er ist im Vorstand der Bogentrakt GmbH und operativer Leiter des Hostels. Der Eingang zum denkmalgeschützten Turm ist durch eine dicke, mit Eisenbeschlägen verzierte, historische Holztüre gesichert. Die Wände in den Gemeinschaftsräumen hat der Churer Streetart-Künstler Bane mit Wandgemälden geschmückt.

Damit die Schlafräume offener wirken, hat Marco Leibundgut in den Zellen die Gitter vor den Fenstern entfernen lassen. Die Gefängnistüren hingegen bleiben. Sie sind jedoch freundlich hellblau gestrichen. Die Guckfenster, durch welche die Gefängniswärter ihre Kontrollblicke warfen, werden noch mit Infos über den Sennhof und seine berühmtesten Insassen abgedeckt.

Ausgestattet sind die Zimmer mit Bico-Matratzen und modernen, zweckmässigen Möbeln, die ein lokaler Schreiner hergestellt hat. «Wir achten sehr darauf, regional und nachhaltig einzukaufen und zu handeln», sagt Leibundgut. Geheizt wird das Hostel Bogentrakt mit Fernwärme – der Abwärme aus der Kehrichtverbrennungsanlage. Klimaanlage gibt es keine. Die dicken Gefängnismauern dürften im Sommer der Hitze auch so trotzen. Das Hostel ist bereits vor der Eröffnung mit dem «Swisstainable»-Label der Stufe 1 ausgezeichnet worden.

Freier Zugang für alle

Neben der ökologischen Verantwortung nimmt die Bogentrakt GmbH auch ihre soziale Verantwortung ernst. Zum Beispiel als Begegnungsort. Im Hostel sollen Reisende aus aller Welt und Einheimische gemeinsam eine gute Zeit haben. «Die Events, die wir für unsere Gäste organisieren, sowie der Co-Workingspace und unser kleiner kioskartiger Laden stehen allen offen», kündigt der Hosteldirektor an.

Seine soziale Verantwortung nimmt das «Bogentrakt» auch in Bezug auf seine Angestellten wahr. Marco Leibundgut beschreibt das Arbeitsklima so: «Wir pflegen einen transparenten Führungsstil und legen Zahlen und Löhne offen. Das ganze Team soll mitgestalten, sich einbringen und voneinander lernen.» Sein Konzept scheint aufzugehen. Trotz Fachkräftemangel konnte er bereits alle Stellen mit Einheimischen besetzen.

Schlafen mit Polizeischutz

Neben Marco Leibundgut besteht die Bogentrakt GmbH aus seiner Freundin Sara Häring sowie deren Bruder Benjamin und dessen Frau Franziska Häring. Marco Leibundgut ist unter ihnen der einzige ausgebildete Gastgewerbler. Doch auch Franziska Häring passt perfekt ins Hostel im ehemaligen Gefängnis. Sie ist nämlich Polizistin.

(Riccarda Frei)


Das Hostel in Kürze

Zimmer
25 Zimmer mit 70 Betten

Anzahl Mitarbeitende
Neun in Teilzeitpensen

Besonderes
Im ehemaligen Spazierhof gibt es eine Grillstelle und einen Picknickplatz.

Gastronomie
Das Hostel hat kein eigenes Restaurant. Es wird aber eng mit dem nebenan entstehenden Restaurant Kostbar zusammenarbeiten.


Mehr Informationen unter:

bogentrakt.ch