Als «Ambassadeur du Champagne» soll Reto Künzi seine Freude an edlem Schaumwein weitergeben.
Geschichten über Winzer und Weine zu erzählen, ist die Leidenschaft von Reto Künzi. «Gestern Abend hatten wir eine Weinverkostung», entschuldigt er die zahlreichen leeren Flaschen auf einem der Tische im hellen Raum. Links beim Eingang ist ein Wein- und Spezialitätenladen eingerichtet. In der äusseren rechten Ecke betreibt ein Künstler und Goldschmied sein Atelier. Wir sind bei Scala Vini – Scala Gusti in Leissigen/BE. Deren Mitinhaber Reto Künzi wurde Mitte September vom Comité Champagne zum «Ambassadeur du Champagne» gekürt. Seine Mitstreiter waren Anna Valli, Sommelière und Weinberaterin aus dem Tessin, sowie Florian Bourgeois, Sommelier und Ausbildner aus Genf.
«Ich hätte noch einen Schluck Champagner», sagt Reto Künzi und bringt Gläser und eine angebrochene Flasche Magnum «Robert Moncuit», ein Brut aus Le Mesnil-sur-Oger.
Robert Moncuit ist ein unabhängiger Winzer, der Reben in besten Grand-Cru-Lagen besitzt und diese selber zu Champagner verarbeitet. «Champagner, ja, Schaumwein allgemein, war nicht mein Getränk», gesteht Reto Künzi. «Auch meine Frau, die als Flight Attendant arbeitete und am Feierabend gerne ein Gläschen Champagner trank, vermochte mich nicht zu begeistern.»
Heute ist alles anders. «Beim Probieren von gereiften Weinen und Winzer-Champagner hat es mich gepackt. Die Vielfalt bot eine neue, grössere Dimension. Damit könnten sich viele Gastronomen profilieren. Ich verstehe nicht, weshalb Restaurants die immer gleichen, bereits bekannten Champagner anbieten.» Heute würde man viel verspielter kochen als früher, und bei mehr als zehn Komponenten auf einem Teller seien Weinempfehlungen schwieriger geworden. «Das ist eine Chance für den Champagner. Die frische Säure reinigt den Gaumen und die Perlen beleben», erklärt Künzi.
Winzer-Champagner würden genauso sorgfältig produziert wie grosse Lagenweine. «Im Gegensatz zu Marken-Champagner haben diese ein ausgeprägtes Jahrgangsprofil. Bei gewissen Champagnern macht es deshalb Sinn, sie zu dekantieren. Auf jeden Fall sollten sie in grösseren Gläsern serviert werden als in den üblichen kleinen, schmalen Flûtes», sagt Künzi. Generell wünscht sich der ehemalige Koch, dass dem Weinservice in der Gastronomie mehr Beachtung geschenkt wird.
Reto Künzi lernte Koch, war später Küchenchef im Restaurant La Terrasse des Grand Hotels Victoria-Jungfrau in Interlaken und liess sich zum Sommelier ausbilden. 2001 machte er sich zusammen mit Thomas Adank, einem Freund aus der Kochlehre, selbständig. Dessen Passion für Wein führte ihn mit dem Weinhändler Christoph Künzli zusammen, der in Boca, im nördlichen Piemont, ein Weingut aufbaute. Zum Weinangebot von Scala Vini begannen die drei Partner ein Esswarensortiment aufzubauen. Scala Gusti war geboren. «Ab 2002 kam die Pasta-Produktion in der ‹S-Fabrik› in Leissigen dazu», sagt Künzi. «Seither beliefern wir private Kunden, Restaurants, Läden und Wiederverkäufer in der ganzen Schweiz jährlich mit rund zehn Tonnen Gnocchi malfatti und rund zwanzig Tonnen Ravioli.»
Qualitativ hochstehende Produkte müssen immer gleich hergestellt werden. Bei dieser monotonen Handarbeit bieten regelmässige Weindegustationen eine willkommene Abwechslung. «Mit Gleichgesinnten über Wein zu reden, ist sehr lehrreich. Doch jeden Tag möchte ich das nicht», erklärt Künzi. «Nach einem herausfordernden Weinabend bin ich froh, wenn ich am nächsten Tag 150 Kilo Gnocchi abrollen kann.»
Ab und zu packt es Reto Künzi. Dann will er wissen, wo er mit seinem Wissen steht. So meldete er sich zum Concours Européen des Ambassadeurs du Champagne an. Anlässlich der Schweizer Ausscheidung an der IHTTI School of Hotel Management in Neuenburg galt es, die Themen «Degorgieren und Dosage bei der Champagnerherstellung» zu präsentieren. Zudem mussten anhand von vier Weinen der unvergleichbare Stil sowie die Vielfalt des Weinbaugebiets Champagne erläutert werden. «Alle Arbeiten sind mir sehr gut gelaufen», so Künzi. «Ich freue mich auf die zahlreichen Kellerbesuche während der Woche des Europafinals, der Anfang November in der Champagne stattfinden wird.»
(Gabriel Tinguely)