Die künstliche Intelligenz verändert den Tourismus. Expertin Olga Heuser erklärt, warum Hotels künftig einen Mitarbeitenden pro Gast haben könnten.
Olga Heuser, im Film «Her» leben alle Menschen in Symbiose mit der künstlichen Intelligenz und haben einen KI-Assistenten. Wie realistisch ist dieses Szenario
Tatsächlich glaube ich, dass wir nicht mehr weit von dieser Vision entfernt sind. Mitte Mai hat Open AI das Modell GpT-4o veröffentlicht: ein Modell, das sehen, hören und sprechen kann. Es wird vermutet, dass Siri von Apple ein solcher Super-KI-Assistent werden könnte, der applikationsübergreifend arbeitet und für uns E-Mails schreiben sowie telefonieren oder Hotels buchen kann.
Unser Leben könnte sich also ziemlich radikal verändern?
Teilweise sicher. Im Tourismus wird sich etwa die Suche im Internet stark verändern und dialogbasiert sein. Heute spuckt Google auf die Anfrage «Bestes italienisches Restaurant» in Zürich eine zufällige Liste aus, die der Gast mühsam abarbeiten muss. Künftig kann man nachfragen: Welches Restaurant ist aktuell geöffnet, hat Platz für vier Personen und so weiter. Restaurants und Hotels müssen diese Informationen liefern, sonst fallen sie durchs Raster. Da die generative KI ein sprachbasiertes Tool ist, wird zudem künftig viel mehr über Sprachbefehle laufen. So wird man etwa mit Hotelzimmern sprechen können, um Dinge wie die Temperatur einzustellen.
Was ist der Unterschied der generativen KI zu anderen technologischen Innovationen der letzten Jahre?
Viele sprechen von einem «zweiten iPhone-Moment»: eine plötzliche technologische Entwicklung, die niemand hat kommen sehen und die unseren Alltag grundlegend verändert. Die zwei wichtigsten Eigenschaften, welche diese Errungenschaft auszeichnen, sind ihre Fähigkeit, Dinge zu erschaffen, sowie ihre generelle Einsetzbarkeit. Ein Navigationssystem ist auch eine künstliche Intelligenz, aber eine sehr spezifische. Zudem ist die generative KI kinderleicht zu bedienen – jeder kann der KI in seiner eigenen Sprache Fragen stellen. Einfacher geht es eigentlich kaum.
Viele Menschen haben Angst davor, dass die KI Jobs verschwinden lässt. Zu Recht?
Solche Ängste kann ich aufgrund der rasanten Entwicklung gut nachvollziehen. Die gute Nachricht für die Hotellerie und Gastronomie ist: Sie arbeitet mit Menschen und wird daher weniger betroffen sein als andere Branchen. Trotzdem werden generell vermutlich fast 50 Prozent der heutigen Jobs durch die KI wegrationalisiert werden oder sich grundlegend verändern. Ähnliches ist in der Geschichte der Menschheit aber immer wieder passiert. Wir sitzen heute auch nicht mehr am Webstuhl. Jobs verändern sich, und es werden viele neue Jobs entstehen.
Wie wird die KI den Arbeitsalltag in Hotels und Restaurants verändern?
Gerade für die Hotellerie birgt die KI riesige Chancen. Denn es gibt viele wiederkehrende einfache Tätigkeiten im Backoffice, welche die KI übernehmen kann. Dadurch gewinnen die Menschen an der Réception Zeit, um sich vermehrt um die Gäste zu kümmern. Zudem bieten Roboter, die visuelle Inputs verarbeiten können, enormes Potenzial. Ich behaupte, in fünf Jahren wird niemand mehr die Spülmaschine ein- und ausräumen müssen, weil Roboter das viel effektiver tun. Auch in der Reinigung können Roboter das Personal effizient unterstützen.
Welche Arbeiten bleiben für die Mitarbeitenden?
Das Hotel der Zukunft wird ähnlich aufgebaut sein wie ein heutiger Apple-Store. Der Gast kommt rein, und da im Hintergrund alles automatisiert läuft, gibt es sehr viele Mitarbeitende an der Front, die Zeit haben, sich um ihn zu kümmern. Je automatisierter unsere Gesellschaft wird, desto mehr sehnen sich die Menschen nach Interaktion. Hotelmitarbeitende hätten dann die Kapazität, mit den Gästen Pilze zu suchen oder wandern zu gehen, und ihnen jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Ich berate beispielsweise ein Luxushotel in Deutschland, dessen Ziel ist, einen Mitarbeitenden pro Gast zu haben.
Wie sehen Restaurants und Hotels in 50 Jahren aus?
Gerade im Tourismus sehe ich immer noch ganz viel Menschlichkeit: Service, Interaktion und Beratung. Das Bedürfnis nach zwischenmenschlichem Kontakt wird sehr gross sein, und im Tourismus kann man das abdecken. Natürlich wird es auch hochtechnologische Betriebe ganz ohne menschlichen Kontakt geben – aber eben nicht nur. Wir schlafen und essen schliesslich nicht virtuell, diese Aktivitäten werden immer physisch bleiben. Und der Kontakt zu Menschen wird auch künftig dazugehören, davon bin ich überzeugt.
(Angela Hüppi)
Als Gründerin und Geschäftsführerin von Dialogshift arbeitet Olga Heuser an KI-Lösungen für die Hotellerie. Seit 2019 unterstützen sie und ihr Team Hotels in der Gästekommunikation. Zuvor arbeitete Olga Heuser im Deutschen Bundestag, wo sie für den Bereich digitale Transformation zuständig war.