Maurus Broger ist ursprünglich Diätkoch. Heute stellt der 39-Jährige unter anderem das geheimnisumwittertste Getränk der Schweiz her, den Appenzeller Alpenbitter.
Maurus Broger, aus der Küche in die Brennerei – wie kam es zum Karrierewechsel?
Vier Jahre bevor mein Vorgänger in Pension ging, hat mich der Leiter Produktion für diese Stelle empfohlen. Als mich der Geschäftsführer derAppenzeller Alpenbitter AG kontaktierte, dachte ich zuerst, es ginge um einen Catering-Auftrag. Stattdessen lud er mich zu einem Schnuppertag ein. Ich war von diesem traditionsreichen Familienbetrieb sofort begeistert und nutzte die mir gebotene Chance.
Worin liegt für Sie der Reiz am Beruf des Brennmeisters?
Destillieren ist ein abwechslungsreiches Handwerk, das viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl braucht. Allein schon die Fliessgeschwindigkeit des Destillats oder die Temperatur des Kühlwassers beeinflusst das Endprodukt. Ganz besonders gefallen mir die technischen Aspekte dieses Handwerks. Auch der frühe Arbeitsbeginn kommt mir, als Morgenmensch, entgegen. Der Beginn um neun Uhr in der Küche war mir stets zu spät. Ausserdem liebe ich es, dass meine Sensorik immer wieder aufs Neue gefordert wird. Ein guter Geruchs- und Geschmackssinn sind Bedingung für die saubere Trennung von Vorlauf, Mittellauf und Nachlauf.
Wie haben Sie das Brennerhandwerk gelernt?
Mein Vorgänger Walter Gätzi hat mich unter seine Fittiche genommen und mir alles akribisch gezeigt und erklärt. Geplant war eine Anlernzeit von vier Jahren. Nach zwei Jahren war der Brennmeister überzeugt, dass ich alles im Griff habe und ging früher in Rente. Im September 2018 übernahm ich seine Position.
Ausschliesslich Learning by Doing oder haben Sie auch eine Brennmeister-Schule besucht?
Den Beruf Destillateur kann man in der Schweiz nicht an einer Schule lernen. In Berlin durfte ich an der Versuchs- und Lehranstalt VLB einen Destillateur-Aufbaukurs besuchen. Dank des langjährigen, guten Netzwerks unserer Geschäftsleitung konnte ich in der Schweiz bei anderen Brennereien und Destillateuren schnuppern. An der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW in Wädenswil/ZH gibt es zudem Weiterbildungskurse.
Als Diätkoch liegt Ihr Fokus auf gesundheitsfördernder Ernährung. Als Brennmeister produzieren Sie nun alkoholische Getränke. Ist das kein Widerspruch?
Für mich nicht. Früher wurde der Appenzeller Alpenbitter mit seinen 42 Kräutern von Ärzten explizit als Heilmittel empfohlen. Auch heute geniesst man in einer geselligen Runde gerne ein qualitativ hochstehendes Naturprodukt. Alles ist eine Frage des Masses. Das sagte schon der Arzt Paracelsus. Ein Bewohner des Altersheims Gontenbad, in dem ich meine Kochlehre absolvierte, sagte mir, er trinke jeden Abend einen Fingerhut voll Appenzeller Alpenbitter. Er wurde über 100 Jahre alt.
Köche schwärmen oft, dass ihr Beruf ihnen viel Raum für Kreativität lässt. Vermissen Sie diese Kreativität?
Nein. Wenn ich kreativ kochen will, kann ich das privat jederzeit machen. Als Brennmeister muss ich hingegen akribisch genau arbeiten und mich exakt an die Rezepte halten. Kreativ kann ich sein, wenn ich an der Entwicklung neuer Produkte mitarbeite wie etwa am Gin 27 Woodland und am Gin 27 Woodfire. Die Idee dahinter war, aus lokalen Zutaten einen fruchtigen Gin zu kreieren. Die Tannenschösslinge dafür werden, unter anderem auch von mir, jeweils im Frühling im firmeneigenen Wald von Hand gepflückt.
Für die Gins wägen Sie die Kräuter ab. Beim Appenzeller Alpenbitter hingegen kennen sogar Sie, der Brennmeister, die Zusammensetzung der Kräutermischungen nicht.
Das stimmt. Diese Kräutermischungen werden in der Kräuterkammer von unseren beiden Geheimnisträgern bereitgestellt. Ich habe einen Schlüssel zur Kammer und kann mich dann dort bedienen. So zu arbeiten, setzt von allen Beteiligten ein grosses Vertrauen voraus.
(Interview Riccarda Frei)
Maurus Broger hat seine Kochlehre im Altersheim Gontenbad in Gonten/AI als kantonsbester Lernender mit einem Notenschnitt von 5,4 abgeschlossen. Bevor er sich entschloss, Braumeister zu werden, hat er sich seine beruflichen Sporen in verschiedensten Bereichen der Gastronomie abverdient. Zum Beispiel beim Militär als Truppenkoch und Küchenchef der Unteroffiziersschule Thun, als Commis tournant und Chef garde-manger im Hotel Steigenberger Belvédère in Davos oder als Leiter Catering bei der Appenzeller Fleisch und Feinkost AG. In seiner Freizeit pflegt er Hobbys wie Fahrrad- und Skifahren, Wandern und Klettern. Er ist in der Feuerwehr sowie als Ersthelfer (Betriebssanitäter) aktiv und amtet in der Musikgesellschaft Harmonie Appenzell als Fähnrich.