Das Tierwohl spielt in der Gastronomie eine immer wichtigere Rolle. Cesare Sciarra vom Schweizer Tierschutz STS ist überzeugt, dass das nicht nur den Tieren nützt.
Cesare Sciarra, das Portal essenmitherz.ch bietet neu auch Informationen für die Gastronomie. Was finden die Nutzer dort genau?
Auf dieser Internetplattform bewertet der STS im Handel anzutreffende Produkte tierischer Herkunft auf relevante Tierschutzkriterien hin. Die Qualität des Warenkorbes der wichtigsten Player aus dem Detailhandel und der Gemeinschaftsgastronomie werden aus Tierschutzsicht miteinander verglichen. So soll der bewusste Einkauf unterstützt und Transparenz in die Tierschutzanstrengungen des Detailhandels, des Gastrogrosshandels und der Gemeinschaftsgastronomie gebracht werden.
Wie gross ist das Interesse der Gastronomie an Produkten aus tierfreundlicher Haltung?
In der Gemeinschaftsgastronomie ist das Interesse in den letzten Jahren deutlich gewachsen. Ausschlaggebend wird hier sein, wie weit die grossen Kunden der Gemeinschaftsgastronomen, allen voran staatliche Nachfrager wie zum Beispiel grosse Städte, den Wechsel zu weniger und dafür aus Tierschutzsicht besseren Rohstoffen fordern und fördern werden. Auch bei selbständigen Restaurants und kleineren Gastroketten nimmt das Interesse spürbar zu. Dennoch bewegen wir uns hier aber noch in einem Nischenbereich.
Wie beurteilen Sie die Situation bezüglich Produkten aus tierfreundlicher Haltung in der Schweiz?
In der Schweiz gibt es viele Bauern, die in der Lage und bereit wären, Tiere artgerechter zu halten. Oft finden sie für diese Tiere leider keinen Absatz. Die Nachfrage nach tierfreundlicheren Produkten ist in der Schweiz zwar deutlich höher als im Ausland. Sie stagniert aber derzeit im Detailhandel und ist im Gastrobereich erst langsam am Entstehen. Dies möchten wir ändern, indem wir die Anstrengungen der grossen Player offenlegen und Leuchtturmprojekte mit kleineren Gastroketten realisieren.
Sollten Gastronomen vermehrt mit Labels auf der Speisekarte arbeiten?
Ich bin überzeugt, dass man mit einem gut durchdachten Konzept einiges für das Image des Betriebes machen kann. Die Gäste sind bereit, für Produkte aus tierfreundlicher Haltung einen gewissen Mehrpreis zu bezahlen. Zugegeben ist die Bewerbung mit Labels wie Biosuisse oder IP-Suisse nicht ganz einfach. Gute Ansätze für Zusammenarbeiten über die ganze Verteilkette findet man zum Beispiel bei der Metzgerei Jenzer in Arlesheim/BL. Sie hat einerseits engen Kontakt zu den Bauern und andererseits ein eigenes Label für das Fleisch, welches sie Restaurationsbetrieben in der ganzen Region liefert.
Produkte aus tierfreundlicher Haltung sind teurer. Lässt sich damit Ihrer Meinung nach trotzdem profitabel wirtschaften?
Das Preisargument kann ich nur bedingt nachvollziehen. Die Hauptkosten im Gastgewerbe fallen in der Regel nicht bei den Rohstoffen an. Der Mehrpreis für Labelfleisch ist meiner Meinung nach, bezogen auf ein einzelnes Menü, relativ moderat. Mit guter Kommunikation über die Herkunft der Produkte lässt sich der etwas höhere Preis den Gästen gegenüber relativ leicht rechtfertigen.
Man hört auch das Argument, das Schweizer Tierschutzgesetz sei bereits sehr streng. Wieso braucht es weitere Labels?
Die Schweizerische Tierschutzgesetzgebung mag zwar im internationalen Vergleich fortschrittlich sein. Sie stellt in den meisten Bereichen dennoch lediglich die Grenze zur rechtlich sanktionierbaren Tierquälerei dar. Für eine artgerechtere Nutztierhaltung braucht es in der Regel deutlich darüber hinausgehende Anforderungen, welche sinnvollerweise auch durch privatrechtliche Labelorganisationen erstellt werden können.
(Interview Angela Hüppi)
Cesare Sciarra ist Leiter des Kompetenzzentrums Nutztiere des Schweizer Tierschutz STS. Weiter ist der diplomierte Agraringenieur beim STS als Fachspezialist Nutztiere und Projektleiter tätig.