Er kennt jedes Kochbuch und berät die grössten Schweizer Köche: Patrick Zbinden sagt, welche Lektüre sich Küchenchefs zwingend kaufen müssen und von welchem Schund man die Finger lassen soll.
Dieses Kochbuch ist doch die reinste Geldverschwendung», schimpft Patrick Zbinden, verwirft die Hände und verdreht den Kopf, als er über eine Kochlektüre spricht, für die er so gar kein Verständnis hat. Diplomatie ist nicht sein Ding. Dafür hat Zbinden wohl viel zu wenig Zeit und Platz. Irrelevante Bücher fallen schnell durchs Raster. «Früher hatte ich noch das Gefühl, ich müsste jedes Werk besitzen», erinnert er sich. «Heute weiss ich, welche Bücher gut sind und welche nicht.» Rund dreitausend Bücher umfasst die Kochbuch-Bibliothek des Zürchers. Ein beliebig erweiterbares USM-Haller-Regal in seinem Zuhause in Rüschlikon am linken Zürichseeufer muss die schwere Last tragen.
Ob auf Deutsch, Englisch oder Französisch – erscheint ein für die Welt der Küchenchefs relevantes Buch auf dem Markt, muss Zbinden es haben. Durchstöbern, lesen, Post-its einkleben, ablegen. Welche Bücher schaffen es nicht in die Sammlung? Der Foodsensoriker und Fachjournalist nennt Namen, will diese aber nicht in der Hotellerie Gastronomie Zeitung erwähnt haben. So viel diplomatisches Feingefühl hat der gelernte Maschinenmechaniker dann eben doch.
Dennoch: Kochbücher, die Zbinden nicht mag, haben es in der Schweiz schwer. Erstens führt er den Bücherstand an der Chef Alps und wählt dafür stets seine neuesten Lieblingswerke aus. Und zweitens vertrauen manche der besten Köche der Schweiz seiner Expertise. Stars der Szene wie Andreas Caminada, Tanja Grandits oder Ivo Adam lassen sich von Zbinden mit Büchern eindecken. «Sie haben keine Zeit, alle Neuerscheinungen zu filtern. Das erledige ich für sie.»
Alle paar Wochen kehrt bei ihm zu Hause ein Koch ein, um in einem Kochbuch zu blättern. Jeder weiss: Wer ein gewichtiges Kochbuch sucht, findet es bei Zbinden. Zuletzt konnte er einem Koch mit einem der sieben Bände «elBulli 2005–2011» von Ferran Adrià dienen. Die 760 Franken teure Reihe liegt nicht nur als Prestigeobjekt im Regal, sondern findet immer wieder Verwendung. «Die Köche kommen hierher und blättern. Interessant ist, dass sich keiner ein Rezept eins zu eins abschreibt. Vielmehr geht es darum, Bilder anzusehen und über den Sinn eines Gerichts oder eines Prozesses zu lernen.»
Während Zbinden im vergangenen Jahr achttausend Franken für Kochbücher ausgab, empfiehlt er engagierten Köchen, drei- bis vierhundert Franken pro Jahr in Fachlektüre zu investieren. «Damit kauft man sich etwa acht Bücher.»
Welche Bücher sollte man sich denn zulegen? Muss man sich 2017 das neue Werk von Daniel Humm, dem Schweizer Überflieger in New York, «Eleven Madison Park: The Next Chapter» zulegen? «Nein», hält Zbinden fest. «Das ist wohl ein Buch, um zu erfahren, was das Mass aller Dinge ist. Aber wer nicht selbst eine riesige Kochbrigade hat, in der jeder mit der Pinzette die Teller anrichtet, kann davon nicht viel ableiten.»
Hingegen legt Zbinden den Köchen ans Herz, sich die dreiteilige «Perfektion» oder sogar deren englischsprachiges Original «The Science of Good Cooking» zu kaufen. «Das ist gewissermassen der moderne ‹Pauli›», erläutert er. «Das Werk vermittelt wichtiges Basis-Know-how und ist modern. Die englische Ausgabe ist fünfzig Seiten umfangreicher als die deutsche.»
Nach dem Basiswerk sollte man sich ein Kochbuch anschaffen, das von Kräutern und Gewürzen handelt. «Sie verleihen unseren Speisen oft das i-Tüpfelchen. Ein sehr spannendes, vielfältiges Thema. Hier kann man sich mit einfachen Mitteln vom Durchschnitt abheben.» Dann empfiehlt Zbinden ein Buch über die Fermentation. «Das Fermentieren ist zwar zurzeit ein grosser Trend der Spitzengastronomie, aber es ist letztlich ein Küchenvorgang für jedermann. Schon unsere Grossmütter haben fermentiert. Gerade in Regionen, in denen die Erntezeit kurz ist, macht das Fermentieren Sinn, um das ganze Jahr hindurch lokale Speisen anbieten zu können.»
Als Nächstes lohnt es sich, das Regal mit dem einen oder anderen monothematischen Buch auszustatten. So etwa das französische «Pomme», das die Rezepte zahlreicher Apfelgerichte enthält. «Gerade der Apfel ist ein gutes Beispiel. Eine einheimische Frucht, die jeder mag, aber viel zu wenig Beachtung erhält. Wie wäre es denn mit einem Apfel-Carpaccio oder einem gelierten Apfel auf dem Menü?»
Erst zuletzt rät Zbinden noch zum Kauf eines Kochbuchs von Daniel Humm oder von Molekular-Papst Ferran Adrià. Wer diese Kochtechnik nicht verstehe, lerne daraus nicht viel. In einem solchen Werk vor dem Schlafengehen zu blättern, sei allerdings trotzdem sehr inspirierend.
Welche Kochbücher ihm Albträume bereiten, lässt sich Zbinden dann doch noch entlocken. «Lasst bitte die Finger von den Büchern der Foodblogger», mahnt er, der selbst quasi ein Vorbote der Foodblogger ist. Allerdings ein hochqualifizierter: Der studierte Sensoriker präsentierte über zehn Jahre jeden Freitagvormittag die Radiosendung «Kochen mit Patrick Zbinden» auf DRS 3. Mit den Bloggern von heute kann er jedoch kaum was anfangen. «Die meisten haben zu wenig Ahnung vom Kochen, um gelernten Köchen etwas beizubringen.» Es gehe oft nur darum, einen möglichst gesunden, schön angerichteten Teller in Szene zu setzen. Technik und Geschmack seien Nebensache.
Eine Ausnahme macht Zbinden bei «Bowl Stories» von Ben Donath und Viola Molzen. Das Werk des Konditormeisters und der Marketingexpertin handelt nicht etwa von jenen Protein- oder Power Bowls, die von so vielen Bloggern abgefeiert werden. Bei «Bowl Stories» geht es nicht um gefüllte Schüsseln voller Avocado, Quinoa und Spinatblätter. Vielmehr sind es Schüsselgerichte, die zentriert – alle Komponenten liegen eng beieinander – angerichtet sind, damit sämtliche Zutaten auf einem Löffel repräsentiert werden und das Geschmackserlebnis vollkommen ist. Vom Ceviche mit grünen Tomaten und Kirschen über die lauwarme Erbsensuppe mit Bananen-Yakitori bis zum Heu-Panna-cotta mit sautierten Aprikosen zelebriert das deutsche Autorenpaar auf 176 Seiten eine spannende Vielfalt an Rezepten.
Vor acht Jahren begab sich Patrick Zbinden übrigens selbst in die Welt der Kochbuchautoren. Unter dem Titel «928 clevere Küchentipps» gibt er umfangreiche Hinweise für den richtigen Einkauf und die anschliessende Lagerung. Er hält Tipps und Tricks für die Weiterverarbeitung bereit und verrät alles Wissenswerte über die Kunst, das Beste aus den Lebensmitteln herauszuholen. Ein Nachschlagewerk (Werd & Weber Verlag, 36.90 Franken) für Anfänger und Profis, das sich nach wie vor gut verkauft.
Einen letzten Tipp hat Zbinden noch: «Unterschätzt die Franzosen nicht. Sie werden oft als veraltet belächelt. Man tut ihnen Unrecht.» Sagt’s und wendet sich seiner Bibliothek zu. Mehrere Bücher warten auf einen Platz im Regal. Und die nächsten sind bestimmt bereits bestellt.
(Benny Epstein)
Perfektion
Endlich wurde das amerikanische Standardwerk «The Science of Good Cooking» übersetzt. Anstatt den Inhalt in einem Buch zu veröffentlichen, wurde die geballte Ladung an Küchen-Know-how in drei Bände aufgeteilt. Das macht Sinn, denn jetzt lassen sich die Kochtipps portionsweise verdauen, ohne dass man damit gleich überfordert ist. Die perfekte Zubereitung von Fleisch, Fisch, Gemüse, Backwaren und vielem mehr: Mithilfe dieser drei Bände kann eigentlich nichts mehr schief gehen.
ISBN 978-3-86851-426-1, ab Fr. 34.00
<link https: www.beobachter.ch _blank>www.beobachter.ch
Big Flavour
Beim Kochen spielen Erfahrungen, Begegnungen, Flexibilität, Intuition, Produkte und eine trainierte Wahrnehmung eine wichtige Rolle. Um souverän und kreativ kochen zu können, brauchen Kochbegeisterte darüber hinaus Zugriff auf professionell aufbereitetes Wissen. «Big Flavour» ist genau so ein unverzichtbares Standardwerk, welches einem in verständlicher Art und Weise den perfekten und kreativen Umgang mit Aromen erklärt.
ISBN 978-3-86873-844-5, ab Fr. 32.70
<link http: www.exlibris.ch _blank>www.exlibris.ch (zurzeit in Aktion!)
Wood Food
Nicht nur herausragend gestaltet, sondern auch sehr informativ. Ob mit Holz, Teer, Feuer, Rauch oder Kohle gekocht wird – kulinarisch kommt alles auf höchstem Niveau daher. Das kreativste Kochbuch, welches in den letzten Monaten in der Schweiz publiziert wurde. Valentin Diem ist das kulinarische Mastermind der Stunde.
ISBN 978-3-03800-901-6, ab Fr. 49.90
<link http: www.at-verlag.ch _blank>www.at-verlag.ch
Workshop Würzen
Wozu passt Bockshornklee? Welche Qualitätsunterschiede gibt es bei Safran? Welche Gerichte lassen sich mit Tonkabohnen zubereiten? Wie schmeckt Ajowan? Autorin Bettina Matthaei hat schon viele sehr empfehlenswerte Kochbücher verfasst, doch in keinem wurde bis anhin so umfangreich auf Gewürze eingegangen wie in diesem Meisterwerk. Die Gewürzhändlerin bespricht in ihrem umfangreichen Handbuch bekannte Gewürze und solche, die den Sprung noch nicht ins heimische Regal geschafft haben.
ISBN 978-3-95453-107-3, ab Fr. 53.60
<link http: www.exlibris.ch _blank>www.exlibris.ch (zurzeit in Aktion!)
Fermentieren – Von Kefir bis Sauerkraut
Die Auswirkungen von Mikroorganismen auf Lebensmittel können erwünscht oder katastrophal sein. Das gekonnte Beherrschen des Fermentierens gewährleistet, dass nur Ersteres geschieht. Auf der Jagd nach immer neuen Geschmäcken ist das Fermentieren das grosse Thema der modernen Küche. Ein Buch über die vielschichtigen Seiten des Fermentierens.
ISBN 978-3-8310-2945-7, ab Fr. 24.90
<link http: www.weltbild.ch _blank>www.weltbild.ch
Pomme
Schon Adam und Eva konnten dem Apfel nicht widerstehen – und wurden dafür aus dem Paradies verbannt. Heute sind Äpfel keine verbotenen Früchte mehr. Sie lassen sich enorm vielfältig zubereiten. Wer es nicht glaubt, sollte in dieses Koch- und Backbuch blicken. Unglaublich, die Rezeptkreativität von Christophe Adam!
ISBN 978-2-7324-7683-4, ab Fr. 35.00
<link http: www.franceloisirs.ch _blank>www.franceloisirs.ch