Landauf, landab gibt es unzählige Dörfer, die nicht mehr über eine eigene Beiz verfügen. Doch immer wieder engagieren sich Dorfbewohner für eine Wiedereröffnung ihres Restaurants.
Rifferswil im zürcherischen Säuliamt ist ein kleiner Ort zwischen Zug und Zürich und durch sein eindrückliches Seleger Moor bekannt. Tausende Rhododendren, Azaleen und Strauchpfingstrosen verwandeln den Park jeden Frühling in ein buntes Blumenmeer. Das bringt im Sommerhalbjahr Touristen. Im Winter, wenn die Eingangstore zum Moor geschlossen haben, sind die 1056 Einwohner unter sich. Das ist gut zu erleben an diesem frostigen Wintermorgen. Man begegnet auf der Strasse keiner Menschenseele. Das ändert sich beim Betreten des Wirtshauses «Schwiizer Pöschtli», dem einzigen Restaurant im Ort. Der Empfang ist ausgesprochen freundlich, obwohl wir nicht als Vertreter der schreibenden Zunft, sondern unangemeldet als normale Gäste erscheinen. Als Mittagsmenü gibt’s Kalbsbraten an Champignonsauce mit Pommes frites und knackigem Gemüse. Das klingt währschaft, traditionell, solide. Was serviert wird, überzeugt. Vor allem die Pommes frites, hauchdünn geschnitten und gerade richtig in der Knusprigkeit und auf der Speisekarte als Huus-Pommes angepriesen.
e näher sich der Uhrzeiger Richtung zwölf Uhr bewegt, desto mehr Gäste trudeln ein. Berufsleute, Privatleute, alleine, zu zweit oder in der Gruppe. Das «Schwiizer Pöschtli» ist beliebt. Und dabei ist es keineswegs selbstverständlich, dass hier noch Gäste bewirtet werden. Die nächste Generation der damaligen Besitzerfamilie wollte den Betrieb nicht weiterführen und das Haus wurde zum Verkauf ausgeschrieben. Bereits waren Pläne als Wohnhaus oder Asylantenunterkunft im Gespräch. 2014 haben sich deshalb 150 Interessierte zu einer Genossenschaft zusammengetan und 1,9 Millionen Franken für den Fortbestand des Betriebes aufgetrieben. Während gut zwei Jahren ist das Haus von Grund auf renoviert und mit sechs Gästezimmern ergänzt worden. Als Gastgeber konnten Elvira und Vitto Laubscher gewonnen werden, die seit November 2015 wirten und in der Gastronomieszene bereits mit dem «Schwiizer» in Zürich und dem Café Ascot in Zug bekannt sind. Die beiden haben ihre gas tronomische Herkunft im Schriftzug des Restaurants verewigt, und aus dem «Pöschtli» ist das «Schwiizer Pöschtli» geworden. Laubscher ist gelernter Koch, sie Wirtschaftsökonomin. Ihr Konzept: traditionelle Küche, her- gestellt aus regionalen Produkten. Auf der Karte stehen Angebote wie Kalbszunge oder gefüllter Schweinefuss. «Wir kochen eine urtümliche Küche, sind aber offen gegenüber neuen Trends», sagt Vitto Laubscher. Alles, auch das Fleisch, wird frisch geschnitten und direkt zubereitet. Die meist- nachgefragten Gerichte sind Zürcher Geschnetzeltes und Cordon bleu. Jeden Sonntag gibt es einen Braten. Den Entscheid, in Rifferswil zu wirten, war ein Bauchentscheid. «Die Gäste wollen in ihrer Freizeit wieder vermehrt aufs Land», so Laubscher. Zudem hat ihn die Vielfalt des Betriebes und die Genossenschaftsform gereizt, bei der nicht die Stimme eines Einzelnen zählt. Dennoch räumt er ein, dass es auch Nachteile gibt: «Nicht jeder versteht den Genossenschaftsgedanken», sagt er. Als Beispiel nennt er Investitionen: «Ist zu wenig Geld da, kann der benötigte Betrag nur mit dem Pachtzins und weiteren Genossenschaftern aufgetrieben werden.»
Für die Gesellschaftsform einer Genossenschaft statt einer Aktiengesellschaft (AG) haben sich die Initianten bewusst entschieden: «Die Immobilien-Preise steigen kontinuierlich, der Ertrag aus der Gastronomie kann nicht Schritt halten. Mit der Gründung einer Genossenschaft werden gute Voraussetzungen für einen fairen Pachtzins und ein Gastronomieangebot zu nicht übersetzten Preisen geschaffen», steht dazu in den Statuten.
Eine ähnliche Geschichte hat der «Bären» in Langnau im Emmen tal. Sie beginnt im 15. Jahrhundert und hätte fast im 21. Jahrhundert ihr Ende gefunden. Wären da nicht enthusiastische Genossenschafter um Präsidentin Madeleine Ryser gewesen.
Sie restaurierten mit viel Engagement das Haus und fanden mit Kevin Wüthrich einen geeigneten Gastgeber. Die Genossenschaft ist Verpächter, Wüthrich Gerant. Wüthrich beschreibt die Situation: «Wir können tun und lassen, was wir wollen. Wirtschaften wir schlecht, geht das auf unsere Kappe, läuft das Geschäft gut, gehört der Gewinn uns.» Die Genossenschaft mit 500 Mitgliedern sei nur ins Leben gerufen worden, um den «Bären» zu retten.
Der «Bären» setzt auf eine marktfrische Küche und bietet ein Angebot wie zu Grossmutters Zeiten, gepaart mit einer pfiffigen, kreativen Note. «Das kommt sehr gut an», weiss Sous-chef Kevin Künzler, der an diesem Tag seinen Vorgesetzten vertritt. Der 21-Jährige hat im «Frohsinn» zu Bern seine Kochlehre absolviert und ist Mitglied des Schweizer Kochverbandes. Die Gäste wählen im «Bären» gerne das hauseigene Cordon bleu oder das «Bäretätschli», ein Hacktätschli aus Kalb-, Rindfleisch und Speck. Auch für das Cordon bleu wird eine spezielle Variante praktiziert: «Meistens wird das Kalb- oder Schweineplätzli einfach zusammengeklappt, wir aber rollen es und füllen es mit einem besonderen, nach altem Rezept hergestellten Emmentaler Käse von der Käserei Hüpfenboden», sagt Kevin Künzler. Eine Spezialität ist die hausgemachte Monatswurst.
An Wochentagen kehren im «Bären» mittags Berufsleute und abends Privatgäste ein. Am Wochenende wird das Geschäft durch die nahe Kirche belebt. Einmal im Monat wird ein Sonntagsbrunch angeboten, einmal ein Sonntagsbraten. «Beides findet sehr guten Zuspruch», sagt Künzler. «Heute fehlt vielen die Zeit, einen Braten selber zuzubereiten.» Darum schätzen es die Gäste sehr, wenn ein solches Menü angeboten wird. Dazu gibt’s selbstgemachten Kartoffelstock, bei dem das berühmte «Seeli» auf keinen Fall fehlen darf.
(Ruth Marending)
In diesen Jahren wurden in der Schweiz zahlreiche selbstverwaltete Genossenschaftsbetriebe gegründet.
Genossenschaften haben hierzulande eine jahrhundertealte Tradition wie zum Beispiel Alpgenossenschaften.
Genossenschafter erhält eine Stimme, egal, wie viele Anteilscheine er besitzt. Im Gegensatz zur AG, wo pro Aktie eine Stimme gilt.
Genossenschafter zählt heute die Genossenschaft Restaurant Post Rifferswil, die Genossenschaft des «Bären» in Langnau 500.
Die bekanntesten Genossenschaften der Schweiz sind Mobiliar, Migros, Coop und Raiffeisen.
nimmt die Genossenschaft Kreuz in Solothurn ihren Betrieb auf, vermutlich die älteste Schweizer Genossenschaftsbeiz.
Der Aktionär erhält für seine finanziellen Einlagen eine Gewinnbeteiligung. Der Gewinn von Genossenschaften wird in den Betrieb investiert.