Wie steht es um die Ausbildungsqualität im Gastgewerbe? Lukas Gasser, Projektleiter Top-Ausbildungsbetriebe, gibt Auskunft.
Lukas Gasser, worin ist das Gastgewerbe als Ausbildungsbranche besonders gut?
Wir sind stark darin, Menschen auszubilden, die sehr gut zwischenmenschliche Kontakte herstellen und pflegen können. Die Freude am Gastgebersein ist eine Stärke, die wir zu kultivieren wissen.
Wie wird das erreicht?
In allen gastgewerblichen Berufen, die seit 2015 in Revision waren – oder es derzeit sind –, liegt der Fokus auf den Handlungskompetenzen. Bei diesen stehen die Gäste im Zentrum.
Wie darf man sich das in der Umsetzung vorstellen?
Nehmen wir als Beispiel die Grundbildung Restaurantfachmann/-frau. Heute geht es nicht mehr darum, 700 Weine auswendig zu lernen. Die Lernenden sollen viel mehr in der Lage sein, Gäste zu beraten und ihnen das zum Menü oder zur Gelegenheit passende Getränk empfehlen, erklären und verkaufen zu können.
Wo muss das Gastgewerbe noch besser werden?
Auf jeden Fall bei der Planbarkeit. Fehlende Planbarkeit ist einer der Hauptgründe, warum Berufsleute die Branche wechseln. Je nach Betriebsart ist es schwierig, Arbeitseinsätze für drei, vier Wochen im Voraus festzulegen. Trotzdem müssen wir eine bessere Planbarkeit hinbekommen. Führungskräfte lernen entweder bei einer Weiterbildung auf Fachausweis-Niveau oder in der Hotelfachschule Dienstpläne frühzeitig und konstant herauszubringen. Das ist eine Disziplin, die jede Führungsperson beherrschen sollte.
Wo besteht bei der Ausbildung sonst noch Nachholbedarf?
Bei der Zeit, die den Berufsbildnern im Alltag fürs praktische Arbeiten mit Lernenden zur Verfügung steht. Die meisten Berufsbildner arbeiten zu 100 Prozent und bilden zusätzlich, quasi nebenbei, Lernende aus. Gemäss dem Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI sollten Ausbildende für jeden Lernenden, den sie betreuen, 20 Prozent ihrer Arbeitszeit zur Verfügung haben. Das ist ein theoretischer Wert, der im gastgewerblichen Alltag kaum umsetzbar ist. Er ist aber ein Ziel, das angestrebt werden sollte. Nicht zuletzt als Zeichen der Wertschätzung für die wichtige, zukunftsweisende Arbeit der Berufsbildenden, von der das ganze Gastgewerbe profitiert.
Eine Aufgabe des Zertifizierungsprogramms Top-Ausbildungsbetriebe besteht darin, die Qualität der Berufsbildner zu verbessern.
Richtig, und das tun wir durch ein dreistufiges Konzept, mit dem wir die Qualität der Berufsbildner messen, kontrollieren und ihnen helfen, besser zu werden. Die erste Stufe ist bewusst niederschwellig, um möglichst vielen Berufsbildnern den Einstieg zu ermöglichen. Sie besteht aus der Teilnahme an einem Tageskurs und dem Ausfüllen eines Erhebungsbogens. Darin beschreibt der Ausbildende unter anderem, wie er den ersten Tag und dieerste Woche des Lernenden in der Grundbildung gestaltet. Danach reicht er halbjährlich einen Bildungsbericht bei uns ein.
Und was muss er auf Stufe zwei und drei tun?
Auf Stufe zwei nehmen Berufsbildner an weiteren Kursen teil. Und sie schicken zwischen den Kurssequenzen Filme an uns, die ihre Lernenden beim entdeckenden Lernen zeigen. Auf Stufe drei kommt einer unserer Coaches in den Betrieb und beurteilt die Ausbildungsqualität vor Ort.
Was ist entdeckendes Lernen?
Es ist ein Systemwechsel in der Ausbildung. Statt Lernende wie früher bloss kopieren zu lassen, was man ihnen vorgezeigt hat, gibt man ihnen nun den Raum für eigene Lernerfahrungen.
Wie sieht das im Alltag aus?
Ein Kochlernender beispielsweise erhält den Auftrag, eine Suppe zu kochen. Der Lernende entscheidet selber, welche Suppe zur Saison oder dem restlichen Menü passend wäre. Er schaut, wie er zu den Zutaten kommt und überlegt sich selber, wie die Suppe zu kochen ist. Der Ausbildner steht ihm lediglich beratend zur Verfügung.
Was bringt dieses Vorgehen?
Hinter diesem Lernkonzept steht die Überzeugung, dass Lernende aus Fehlern und Erfolgen intensiver und nachhaltiger lernen als vom Nachmachen. Entdeckendes Lernen führt zu motivierteren, selbständigeren Lernenden. Und Lehrmeister werden dadurch zu Lehrbegleitern.
(Riccarda Frei)
Lukas Gasser arbeitet seit 2017 als Fachspezialist für Bildungsmarketing und Projektleiter Top-Ausbildungsbetriebe TAB bei Hotelleriesuisse in Bern. Zudem ist er im TAB-Steuergremium. Als nationales Unterstützungs- und Auszeichnungssystem hilft TAB Betrieben, die Ausbildungsqualität der gewerblichen Berufe zu erhöhen.