Wie ein Lebensmittel bei einer Degustation abschneidet, hängt nicht nur von dessen Qualität ab, sondern auch vom Menschen, der es testet.
«Es gibt in der Natur über eine Million Aromastoffe, die wir mit unserer Nase wahrnehmen können», sagt Christine Brugger. Mit ihrer Firma Aromareich setzt sich die Sensorikwissenschaftlerin, Dozentin und Autorin tagtäglich mit dem Thema Lebensmittelsensorik auseinander.
Ein Bereich, der in der Bevölkerung deutlich an Bedeutung gewonnen hat. «In den ersten 15 Jahren meiner Tätigkeit musste ich regelmässig erklären, was ich in meinem Beruf mache. Das zunehmende Qualitätsbewusstsein für Lebensmittel und die heutige Fülle und Vielfalt der Produkte bedürfen jedoch immer mehr der Differenzierung über die Sinne», sagt Christine Brugger.
Als Beispiel nennt sie die Vielzahl verschiedener Erdbeerjoghurts, die im Handel erhältlich sind. «Wie können wir diese besser unterscheiden als über die Wahrnehmung von Aroma, Geschmack und Textur?» fragt Brugger rhetorisch.
Dabei gebe es zahlreiche Faktoren, die die sensorische Wahrnehmung von Lebensmitteln beeinflussen. «Ein psychologischer Faktor wäre zum Beispiel, sich von anderen während einer Degustation in der Beschreibung verunsichern zu lassen», sagt sie.
Bei den physiologischen Faktoren wiederum spiele es eine grosse Rolle, wie gut jemand riechen oder schmecken kann. «Wenn wir eine professionelle Degustation durchführen, versuchen wir, diesen Einflussfaktoren gerecht zu werden. Die Testenden sollen sich unvoreingenommen auf die Probe einlassen können», sagt Brugger, die ihr Wissen in Kursen auch an Firmen und Private weitergibt.
Ein Kurs, der die Lebensmittelsensorik stärker in den Kontext der Geschichte des Produkts und der Kultur, aus der es stammt, setzt, ist «Sensory Basics» vom Verein Forum Sensorik aus Bern. An drei Abenden können sich hier Interessierte einen Überblick über jene Faktoren verschaffen, die die sensorische Wahrnehmung massgeblich beeinflussen. «Weiter zeigen wir Techniken auf, die helfen, die verschiedenen Faktoren des Flavours zu erfassen und zu beschreiben», sagt Lukas Niederhauser, einer der Mitgründer des Vereins. Um ein besseres Verständnis für ein Lebensmittel zu erlangen, helfe es, dessen Ursprung zu verstehen. Ein tolles Lebensmittel, um alle Facetten aufzuzeigen, ist laut Niederhauser Tee (Camellia Sinensis).
Dieser eigne sich ausgezeichnet, um ein Verständnis für die Verarbeitungsprozesse zu erhalten, sich der Techniken des sensorischen Erfassens bewusst zu werden und sich zeitgleich mit der eigenen Wahrnehmung auseinanderzusetzen. Er sagt: «Die Teilnehmenden bringen alle ihre eigenen Erfahrungen und Erwartungen mit. Die Selbstreflexion ist darum ebenso Teil des Kurses wie der Austausch mit den anderen Teilnehmenden.»
(Désirée Klarer)
Der Verein aus Bern fördert die Kultur, das Wissen und den Austausch über wertvolle, einzigartige Lebensmittel. Im Frühjahr 2023 lanciert «Forum Sensorik» den Aufbaukurs «Sensory Creative». In den 12 ganztägigen Modulen wird dabei jeden Tag ein anderer Aspekt der Lebensmittelsensorik beleuchtet.