Alles soll möglichst wenig kosten. Billiges Palmöl ersetzt die teure Butter. Dann aber wird mit dem Finger auf die ökologischen und sozialen Folgen gezeigt. Wie kam es dazu? Sind Alternativen zu Palmöl wirklich besser?
Alles soll möglichst wenig kosten. Billiges Palmöl ersetzt die teure Butter. Dann aber wird mit dem Finger auf die ökologischen und sozialen Folgen gezeigt. Wie kam es dazu? Sind Alternativen zu Palmöl wirklich besser? Palmöl kommt immer stärker unter Druck. Seit die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit dieses als potenziell krebserregend bezeichnet, flaut der Sturm um das am meisten verwendete pflanzliche Öl nicht ab. Palmöl ist in jedem zweiten Supermarktprodukt enthalten (foodaktuell.ch, 16. Januar 2017). Auch in verarbeiteten Lebensmitteln und Produkten, die in der Gastronomie zum Einsatz kommen. In diesem Artikel soll weder Palmöl glorifiziert noch Krebs als potenzielles Risiko negiert werden. Doch in der Industrie – Lebensmittel und Konsumgüter, siehe Grafik auf Seite 48 – kann Palmöl nicht einfach ersetzt werden: Palmöl ist bei Zimmertemperatur hitze- und oxidationsstabil, es besitzt darüber hinaus eine für viele industrielle Zwecke ausserordentlich vorteilhafte Fettsäurezusammensetzung (BVE, 2010). «Es ist aber nicht so, dass Palmöl bessere Eigenschaften aufweist als Raps- oder Sonnenblumenöl», sagt Urs Röthlin, Leiter Bäckerei bei der Richemont Fachschule in Luzern. Andere Pflanzenöle müssen für verschiedene Anwendungen jedoch erst aufwendig gehärtet werden, wodurch potenziell gesundheitsschädliche Transfettsäuren entstehen können. «Transfetten wurde in den letzten 20 Jahren der Kampf angesagt. In gewissen Ländern waren nicht mehr als zwei Prozent Transfett in Nahrungsfetten erlaubt. Dies führte dazu, dass alle gehärteten Fette aus den Produkten genommen wurden.» Wie Margarinen mit Transfetten wurden zuvor schon die tierischen Fette an den Pranger gestellt und später wieder rehabilitiert. Neu an der Geschichte ist der enorm günstige Preis. Am 17. März kostete eine Tonne Palmöl 668.05 Franken (finanzen.ch).
Positiv zu werten ist die Produktivität der Ölpalme. Mit durchschnittlich 3,3 Tonnen Öl pro Hektar ist sie im Vergleich zu allen anderen Ölfrüchten die ertragreichste und damit sparsamste, was den Flächenverbrauch betrifft. Zum Vergleich: Der Ertrag von Soja liegt bei nur 0,4 Tonnen Öl pro Hektar. Kokosnüsse und Sonnenblumenkerne ergeben etwas unter 0,7 und Raps leicht über 0,7 Tonnen Öl pro Hektar. Damit hat es sich auch schon mit den Vorteilen.
Wie jede Medaille hat auch die Palmölproduktion eine dunkle Seite. Indonesien und Malaysia dominieren mit 99 Prozent die Exporte von Palmöl. Einige milliardenschwere Multis gehen dabei skrupellos vor. In den Jahren 2000 bis 2012 soll allein Indonesien sechs Millionen Hektar Wald verloren haben. Legal, durch Abholzung, aber auch illegal durch Brandrodung. Besonders stark wüteten die Flammen 2015 auf den Inseln Sumatra und Borneo. Es gab dort zeitweise mehr als 100 000 Brände. Angeheizt vom Wetterphänomen El Niño verdeckte Rauch monatelang die Sonne. Indonesiens CO2-Emissionen übertrafen teilweise die der gesamten Industrie der Vereinigten Staaten. Eine halbe Million Menschen liess sich mit Atemwegserkrankungen im Krankenhaus behandeln. Manche Beobachter bezeichneten die Brände als die bisher grösste Ökokatastrophe des 21. Jahrhunderts. Eine weitere Ökokatastrophe bewirkt der Anbau der Palmen. Auf den trocken gelegten Torfböden wachsen diese in Monokulturen. «Rund um den Stamm der Bäume wächst nichts mehr», erklärt Baptiste Laville, Experte des Bruno Manser Fonds BMF (Kassensturz vom 19. Januar 2016). «Palmölplantagen brauchen viel Dünger und Schädlingsbekämpfungsmittel. Denn die Monokulturen sind per Definition schwach.» Sie benötigen eine grosse Mengen an «Medikamenten», wie Laville das nennt. Und das wiederum ist eine grosse Belastung für andere Pflanzen, den Boden und die Gewässer. Auskunft darüber, was mit den riesigen Flächen geschieht, wenn nach 30 Jahren eine Palmölplantage nicht mehr rentabel betrieben werden kann, gibt keine der zahlreichen Studien.
Es gibt einige Versuche, Palmöl nachhaltiger zu machen. Der bedeutendste ist der von der Industrie getragene RSPO (Runder Tisch für nachhaltiges Palmöl). Die Kriterien widerspiegeln den kleinsten gemeinsamen Nenner. So ist lediglich die Rodung von Primärwäldern und Wäldern mit hohem Naturschutzwert untersagt. Auch soll Palmölanbau auf Torfböden vermieden werden. Nur ein Fünftel der weltweiten Palmölproduktion ist RSPO-zertifiziert. Nestlé arbeitet mit Greenpeace zusammen und hat mit Scott Poynton einen Fachmann engagiert, der sämtliche Einkäufe auf Nachhaltigkeit untersucht. Auf Druck von Nestlé setzt der grösste Palmölproduzent Sinarmas auf nachhaltige Produktion und will zukünftig Moorböden schützen (ECO, SRF 30. Mai 2011). Interessant ist der Ansatz einiger Schweizer Hersteller von Speiseölen, -fetten und Margarinen. Sie unterstützen Mischkulturen in sogenannten «latest developped countries» LDC. Importe aus LDC sind von allen Grenzabgaben, rund 160 Franken pro Tonne, befreit. Dies ist ein Beitrag des Bundes (SECO) im Sinne der Entwicklungshilfe in LDC-Ländern. Die Projekte vor Ort haben mit dem Bund aber nichts zu tun. Ausschliesslich private Firmen tragen und finanzieren diese. So schaffen und sichern sie im Produktionsland Arbeitsplätze. Die Investitionen lohnen sich nur, weil das Öl danach frei von Grenzabgaben importiert werden kann. Das Schweizer Beispiel zeigt, dass Palmöl durchaus nachhaltig produziert werden kann. Trotzdem sieht das Fazit der WWF-Studie düster aus: Ein unkritischer Austausch von Palmöl durch andere Pflanzenöle löst die Probleme nicht, sondern verlagert und verschlimmert diese nur.
(Gabriel Tinguely)
In einer detaillierten Studie hat der WWF Deutschland Berechnungen zu einer palmölfreien Welt gemacht. Diese zeigen den Konsum, möglichen Ersatz sowie die Umweltfolgen auf. Erschreckend ist, dass in Deutschland 42 Prozent des Palmöls zu Biokraft- stoffen verarbeitet wird, während in den Produktionsländern die Natur mutwillig zerstört wird. Das Fazit der Studie: Ein unkritischer Austausch von Palmöl durch andere Pflanzenöle löst die Probleme nicht, sondern verlagert und verschlimmert diese nur. Die 92-seitige Studie «Auf der Ölspur – Berechnungen zu einem palmölfreien Deutschland» vom 30. August 2016 kann auf der Website wwf.de unter dem Suchbegriff «Ölspur» heruntergeladen werden.
Der Anteil Palmöl am Verbrauch von pflanzlichen Ölen und Fetten zur menschlichen Ernährung in der Schweiz betrug 2015 gut 15 Prozent. Der grösste Teil dieses Palmöls stammt aus Malaysia und Indonesien. Schweizer Firmen unterstützen Palmölplantagen in Mischkultur in sogenannten «least developped countries» LCD. Importe aus LDC sind von allen Grenzabgaben, rund 160 Franken pro Tonne, befreit – dies ist ein Beitrag des Bundes (SECO) im Sinne der Entwicklungshilfe in diesen Ländern.