In Konfliktgebieten dient das gemeinsame Essen nicht nur dem sozialen Austausch, sondern gibt auch Struktur und Sicherheit. Das fördert «Cuisine sans frontières» in mehreren Projekten.
Alles begann vor zehn Jahren in San José in Kolumbien. In dieser «Co munidad de paz», einem so genannten Friedensdorf, half «Cuisine sans frontières» (Csf), einen Treffpunkt für die Bevölkerung aufzubauen. Diese hatte sich nach jahrzehntelangem Bürgerkrieg zwischen Guerilla, Paramilitär und Regierungstruppen basisdemokratisch organisiert, verbot Waffen und den Verkauf von Alkohol. Gemeinsam mit den Einheimischen wurde eine Schulküche aufgebaut, die am Abend ein Restaurant für alle war.
Es war das Erste von vielen Projekten, die die Situation der Menschen in krisengeschüttelten Gebieten durch gemeinsames Essen verbessern wollen. Es folgten weitere Projekte weltweit, die die Menschen an einen Tisch bringen. Auch in der Schweiz engagiert sich Csf: Etwa im Asylzentrum Juch in Zürich, wo regelmässig Einheimsche und Asylsuchende gemeinsam kochen und essen.
«Wir bringen niemandem das Kochen bei», betont Csf-Geschäftsleiterin Anna Hofmann. «Die Einheimischen wissen selbst am besten, wie sie lokale Produkte zubereiten.» Vielmehr ginge es vor Ort darum, die Menschen dabei zu unterstützen, Abläufe zu optimieren, für bestmögliche Hygiene und Lagerung der Lebensmittel zu sorgen oder Menükalkulationen vorzunehmen. «Oft fehlt es an jeglicher Infrastruktur, diese gilt es zunächst einmal aufzubauen. An vielen Orten gibt es zudem keinen Strom, dann werden Holzherde gebaut.» Köche, die sich für einen Einsatz melden, müssen vor allem flexibel sein: «Wir können nicht mit einem fixfertigen Konzept kommen und erwarten, dieses genau so umzusetzen. Man muss sich auf die Verhältnisse und die Bedürfnisse der Menschen vor Ort einlassen und entsprechend reagieren, sonst erreicht man nichts.»
Damit ein Projekt für Csf in Frage kommt, muss es zwei Bedingungen erfüllen: Es muss gemeinsam mit einem lokalen Partner realisiert werden, damit es nach einigen Jahren ganz übergeben werden und Csf sich zurückziehen kann, und es sollte langfristig wirtschaftlich selbsttragend werden. «Da wir gastronomische Projekte verwirklichen, ist dies für uns oft realistischer als für andere Hilfsprojekte», erklärt Anna Hofmann.
Wer sich für einen Einsatz für «Cuisine sans frontières» interessiert, kann sich jederzeit beim Verein melden. «Wir sind immer auf der Suche nach motivierten Menschen, die einen Freiwilligeneinsatz leisten möchten», sagt Anna Hofmann. Voraussetzungen sind neben handwerklichem Geschick und Erfahrung in der Gastronomie auch Improvisationstalent, ein Gespür für interkulturellen Austausch und Kenntnisse der Landessprache. «Bei uns gibt es verschiedene Einsatzmöglichkeiten», so Hofmann, «von der Konzeptentwicklung mit den Einheimischen über den Bau von Kochherden bis zur Ausbildung von Einheimischen.» Ein guter Einstieg sei ein Einsatz im Zentrum Juch, um zu sehen, ob man sich die interkulturelle Arbeit vorstellen kann.
Anna Hofmann ist überzeugt, dass die Arbeit in den Projekten nicht nur den Einheimischen zugute kommt: «Der Einsatz eröffnet den Freiwilligen eine neue Welt, mit der sie sonst nicht in Kontakt gekommen wären. Der Austausch mit anderen Kulturen erweitert den Horizont und bringt einen menschlich weiter.» Wer sich für Csf engagieren möchte, ohne einen Einsatz zu leisten, kann dies über Spenden oder eine Mitgliedschaft tun – Mitglied kann man entweder als Privatperson oder als Gastronomiebetrieb werden.
(Angela Hüppi)
Der allererste Kitchen Battle vor acht Jahren war der Startschuss für Sebastian Büchlers Einsatz für «Cuisine sans frontières». «In den nächsten Jahren habe ich in verschiedenen Teams teilgenommen oder auch Jobs hinter den Kulissen gemacht.» Danach wollte der Koch mit seinem Engagement einen Schritt weitergehen – und sagte sofort zu, als man ihn für ein Friedensprojekt in Kenia anfragte. «Für mich war das eine Chance, eine andere Welt zu sehen und noch kommunikativer tätig zu sein als in meinem Job als Koch.»
Von Anfang an betreute er das Projekt eines Restaurants in Orwa, einem Grenzgebiet zwischen zwei verfeindeten Stämmen. Ein neutraler Treffpunkt war dort geplant, der helfen sollte, den Konflikt zu entschärfen. «Es gab weder Strom noch fliessendes Wasser, und den Beton haben wir von Hand mit einer Schaufel gemischt», erzählt Sebastian Büchler. Zudem galt es, sich das Vertrauen der Stammesvertreter zu erarbeiten. «Um ihnen klarzumachen, dass wir sie nicht über den Tisch ziehen oder ausbeuten wollten, brauchte es viele Treffen und Gespräche.» Und Geduld: «Mit Druck oder Stress kommt man in Kenia nicht weit. Manche Dinge brauchen einfach ihre Zeit.»
Und noch etwas hat er in Kenia gelernt: Sich ganz auf die Einheimischen einzulassen. «In Kenia wird vor allem ein relativ fader Maisbrei mit einem spinat- ähnlichen Gemüse gegessen. Am Anfang habe ich versucht, diesen mit anderen Zutaten und Gewürzen aufzupeppen – aber die Kenianer wollten nur ihren einfachen Maisbrei.»
Die Arbeit in Kenia und später in weiteren Csf-Projekten hat ihm einen neuen Blick auf die Schweiz und sein Leben ermöglicht: «Vieles, was hier als Problem angesehen wird, ist eigentlich gar keins. Hier beklagen sich Pendler, dass sie im Zug stehen müssen – in Kenia müssten sie laufen.» Sebastian Büchler war in mehreren Punkteküchen wie dem Baur au Lac oder dem Bären, Nürensdorf, tätig und wollte Küchenchef in einem grossen Hotel werden. «Heute studiere ich Politikwissenschaften, weil ich in den Bereich Entwicklungszusammenarbeit einsteigen und etwas bewegen möchte.»
«Ich wollte etwas zurückgeben», sagt Tom Gfeller, Erfinder des Kitchen Battles, über sein Engagement für «Cuisine sans frontières». Seit 14 Jahren führt er das Restaurant der Badi Au-Höngg in Zürich und hat im Winter vier Monate Zeit für Freiwilligeneinsätze. Er war in Brasilien, Kolumbien und Georgien am Aufbau von Projekten beteiligt. In Georgien schlug Csf erstmals einen etwas anderen Weg ein: Statt eines Orts für gemeinsames Essen wurde in einem ehemaligen Kurort eine Ausbildungsstätte für Flüchtlinge aus dem Abchasienkonflikt aufgebaut. «Wir merkten, dass wir mit unserem Know-how Menschen durch Ausbildungen neue Perspektiven geben konnten.»
Bei allen Projekten hat Tom Gfeller beeindruckt, wie viel man schon mit wenig Mitteln und Zeit erreichen kann. «Die Begeisterung, auf die wir nach anfänglicher Skepsis gestossen sind, war ansteckend.» Seine Einsätze für Csf haben es ihm ermöglicht, neue Kulturen und Menschen kennenzulernen: «Ich bin schon vorher viel herumgereist, aber diese Erlebnisse hatten nie diese Intensität. Wenn man mit Menschen direkt zusammenarbeitet und etwas aufbaut, lernt man so viel mehr über ein Land und seine Mentalität als ein Tourist.»
Aber nicht nur menschlich, auch beruflich hat der Gastronom, der heute eine Pension in Portugal aufbaut, manches aus seinen Einsätzen mitgenommen. «Ich habe gelernt, dass es nicht zig Zutaten braucht, um gut zu kochen. Auch Einfaches kann sensationell schmecken.» Ausserdem habe er in Kolumbien zum ersten Mal gesehen, wie ein Schwein geschlachtet wird: «Obwohl ich Koch bin, hatte ich das noch nie miterlebt. Das war natürlich eine andere Erfahrung, als einfach in den Laden zu gehen und ein Kotelett zu bestellen.» Weiter hat er gelernt zu improvisieren: «Wir Schweizer waren oft am Anschlag und wussten nicht mehr weiter. Die Einheimischen waren da viel kreativer.» Etwa als ein riesiger, schwerer Stein genau dort lag, wo eine Küche entstehen sollte. Statt diesen mühsam zu entfernen, wurde einfach ein Loch gebuddelt und der Stein hineingerollt – Not macht erfinderisch.