Mediadaten Données Media Olympiade der Köche

Von der Wiese auf den Teller

Wildkräuter werden seit jeher verspeist. Nun verwenden Köche das gesunde Grün aus nächster Nähe dank Kräuterfrauen wieder vermehrt.

Nach Mitte August sollten keine Wildkräuter mehr gegessen werden. Dann gehen die Säfte zurück und sie werden bitter. (Bild ZVG)

Sebastian Rösch, Chefkoch im Restaurant Mesa, sammelt sie für seinen Salat aus 33 Blüten und Kräutern. Karim Schumann streift regelmässig mit seiner Küchenbrigade vom Hotel Vitznauerhof über die Wiesen der Rigi, um mit selbstgesammelten Wildkräutern seinen Kreationen das gewisse Etwas zu geben. Und Fabian Fuchs vom Restaurant Equitable arbeitet eng mit seiner Kräuterfrau zusammen, die für ihn auf dem Üetliberg nach den begehrten Kräutlein sucht. In den Weggiser Restaurants Gotthard, Du Lac und Friedheim kommen sie ganz selbstverständlich auf den Tisch. Denn Bärlauch, Brennnessel, Giersch und Spitzwegerich verblüffen die Gäste nicht nur mit aussergewöhnlichen Geschmacks- noten, sondern sind auch reich an Vitaminen, Mineralien, Spuren- elementen und anderen wichtigen Vitalstoffen.

Susanne Zurmühle weiss dies seit ihrer Kindheit. «Meine Grossmutter war eine Kräuterfrau. Sie wusste vieles über die Pflanzen in unserer Umgebung und weihte mich schon früh in ihre Kenntnisse ein», sagt die 60-jährige Kunsttherapeutin. Susanne Zurmühle hat ihr Wissen über die Wildkräuter ständig vertieft und absolviert derzeit eine Ausbildung zur ganzheitlichen Ernährungs- beraterin.

Einen Teil ihres Wissens über die Wildkräuter gibt sie zwischen Anfang April und Mitte August auf Kräuterspaziergängen, meist rund um den Haldihof bei Weggis, weiter. Meist sind diese innert Kürze ausgebucht. Sie arbeitet auch für das Hotel Kulm auf der Rigi und zeigt Seminargästen die Schätze der umliegenden Wiesen. Oft wird sie von Köchen aus der Umgebung gebucht. Einmal führte sie eine ganze Hotelbrigade über die Wiesen und vermittelte ihnen Wissenswertes rund um die heimischen Kräuter, die auf jeder Wiese wachsen.

«Wir sollten Mut haben, dem zu trauen, was um uns herum wächst. Wenn wir mehr Wildkräuter essen würden, benötigten wir weniger Nahrungsmittelergänzungen oder gar Medikamente.» Denn die heimischen Gewächse sind nicht nur gratis und hübsch anzusehen, sondern auch extrem gesund. So verfügen 100 Gramm Brennnesseln über 300 Milligramm Vitamin C, während dieselbe Menge eines Kopfsalats gerade mal 13 Milligramm davon enthält. Der Eisen- und Magnesiumgehalt ist rund siebenmal höher. Mit Löwenzahnwurzel und Vogelmiere gemischt, ergeben sie – Vegetarier aufgepasst – den perfekten Proteinersatz. Pflückt man die Blätter der Brennnessel von unten her, kann man die unbelieb- ten Brennröhrchen abstreichen. Brennnesseln sind ein leicht bitterer Spinatersatz, eignen sich für Suppen, Smoothies und Salate. Sie wirken entgiftend, reinigen das Blut, entwässern und geben Energie. Die getrockneten Blütensamen gibt die Kräuterfrau im Winter über Suppen und Salate.

Wildkräuter, Wurzeln und Blüten können verwendet werden

Während der Erkundungstouren geht’s gemeinsam über die ungedüngten Wiesen rund um den Haldihof bei Weggis, und Susanne Zurmühle macht auf essbare Wildkräuter aufmerksam: «Giersch hat einen schlechten Ruf als Unkraut, da er sich rasch vermehrt. Dem kann man ganz einfach Herr werden, indem man ihn aufisst!» Giersch schmeckt scharf, würzig, aromatisch, die jungen Triebe und Blüten etwas süsslich, ein bisschen ähnlich wie Petersilie. Er lässt sich auf vielerlei Arten in der Küche verwenden, roh oder gekocht, als Spinat, in Rührei, Salat, Suppe, als Füllung von Pfannkuchen oder Teigwaren.

«Die Blüten des Rotklees sind schön in Butter. Die Blüten des Spitzwegerichs schmecken im Abgang nach Champignon. Damit verblüfft man die Gäste garantiert. Und hier, die Wicke ist sehr dekorativ im Salat, Gundermann oder Gundelrebe ein wunderbares Würzkraut in Suppen, zu Fisch oder Lamm.»

Am besten sammelt man Wildkräuter morgens zwischen 10 und 12 Uhr. Je jünger und kleiner die Blätter sind, desto feiner sind sie zu essen. Es müssen nicht immer die Blätter der Kräuter sein: Die Wurzeln des Löwenzahns passen bestens in Gemüsegratins, die kurz vor der Blüte stehenden Bärlauchblüten können in Essig eingelegt als einheimischer Kapernersatz verwendet werden, und Hauswurz kann man gekocht wie Artischocken essen.

Frisches Pesto, Kräuterbutter, verzierter Schafsfrischkäse

Nach dem Sammeln packt Su-sanne Zurmühle eine Thermoskanne mit Bouillon, ein Brett sowie Keramikmesser aus. «Kräuter sollten nie mit üblichen Messern geschnitten werden, sie oxydieren sonst leicht.» Sie muntert die Anwesenden auf, die Kräuter fein zu hacken und serviert kurz darauf eine aromatische Wildkräuterbrühe. Die andere Hälfte der Kräuter wird im Mörser mit etwas Olivenöl zerkleinert und mit Salz und Nüssen zu einem frischen Pesto verarbeitet. Dann wendet sie Kugeln aus Schafsfrischkäse in den eben gesammelten Kleeblüten und tischt selbstgemachte Wildkräuterbutter und -quark auf. So können die Wildkräuter gleich vor Ort gekostet werden. Damit das Erlernte nicht vergessen geht, gibt’s ein Rezeptbüchlein mit auf den Weg.

Wildkräuter zum Würzen, Salzen und Räuchern

Trix Bissig-Odermatt vom Hof Neufallenbach bei Grafenort im Kanton Nidwalden hat ihr Leben ebenfalls den Wildkräutern gewidmet. Die gelernte Bäuerin sammelt die Kräuter mit freiwilligen Helfern und Lehrlingen auf den 22 Hektaren rund um ihren Bio-Bauernhof sowie ihren drei Alpen. «Grundsätzlich interessieren mich üppig wachsende Pflanzen, die oft vorkommen», erzählt die vierfache Mutter. Derzeit setzt sich ihr Salat aus Chicoree Rosso, Bärlauch, Spitzwegerich, Scharbockskraut, «Geissenblüemli», Veilchenblüten, Löwenzahnblättern, Wilder Kresse und Giersch zusammen. Die Blätter der Placke verwendet sie als Mangoldersatz. Kräuter im Ausbackteig als Fingerfood und ihre Blumenquiche sind legendär.

«Ich muss doch nichts Exotisches kaufen, wenn in der Nähe so viel Tolles wächst, das auch noch besser sättigt als Gemüse.» Auf dem Dachgarten ihrer Kräutermanufaktur sowie im Gewächshaus gedeihen auch Oregano, Thymian, Salbei und vieles mehr. Denn Trix Bissig-Odermatt verarbeitet jährlich hunderte Kilos an Wildkräutern und -blüten zu verschiedenen Tees, Kräutersalzen, Sirups, Blütenzucker und Räucherkräutern. Einige Gastronomiebetriebe in der Umgebung arbeiten bereits mit ihren Produkten. Gerne präsentiert sie ihre Kräuterspezialitäten weiteren Interessierten. 

(Sarah Sidler)


Brennnessel

Sobald die Brennnessel verarbeitet wird, verflüchtigt sich die brennende Wirkung der Brennhaare. Auch ein Rohgenuss im Salat ist möglich. Bereits das Dressing führt zur Deaktivierung der Brennhaare. Sicherheitshalber kann die Pflanze vor der Verarbeitung in ein Tuch gewickelt und hin- und herbewegt werden.

Spitzwegerich

Für den Verzehr erntet man die Spitzwegerich-Knospen am besten kurz vor der Blüte, wenn sich die weiss-gelben Staubblüten rund um die Knospen noch nicht gebildet haben. Sie können sanft in Öl angeröstet und dazu verwendet werden, verschiedenen Speisen einen pilzartigen Geschmack zu verleihen.

Wicke

Die jungen Triebspitzen sind sehr saftig und knackig und erinnern im Geschmack an Erbsen. Häufig findet man Ameisen an den Blüten, die den süssen Nektar aufnehmen. Man kann die Ameisen bei Bedarf mitessen, sie geben dem Wildgrün einen leicht säuerlichen Geschmack, der an angemachten Salat erinnert.

Schafgarbe

Die zarten und gefiederten Blättchen der Schafgarbe kann man von Mai bis September Salaten beigeben. Die Blättchen schmecken sehr aromatisch und erinnern an Möhrenkraut. Auch als feine Würze für Suppen, Eintöpfe und Kräuterquarkspeisen lassen sich die Blättchen verwenden. Für das Aromatisieren von Essig ist Schafgarbe ebenfalls gut geeignet.


Wildkräuterspaziergänge

Susanne Zurmühle bietet für Gruppen ab sechs Personen auf den Wiesen um den Weggiser Haldihof Wildkräuterspaziergänge an. Sie zeigt vor Ort, wie Wildkräuter zubereitet werden können.
Mehr Informationen unter: <link http: www.atelier-am-see.ch>www.atelier-am-see.ch

Kräuterkurse

Kräuterkurse mit Wildpflanzen führt Trix Bissig-Odermatt am 16. und 19. Juni auf dem Hof Neufallenbach durch. Weitere Termine für Gruppen ab zehn Personen.
Mehr Informationen unter: <link http: www.hof-neufallenbach.ch>www.hof-neufallenbach.ch

Wildkräuterausstellung

Bis zum 23. Juni findet im Kapuzinerkloster Stans ein kulinarischer Streifzug zu den essbaren Wildpflanzen statt. Geöffnet jeweils freitags von 13.30 bis 18.30 Uhr, am Samstag, 17. Juni, von 10 bis 17 Uhr, und am 23. Juni wird die Kräuterausstellung aufgegessen.

Kräuterakademie

Die Kräuterakademie Graubünden in Vals bietet Kräuterkurse an. Zudem entsteht ein Schaugarten mit Kräutern, Heilpflanzen und Gemüse.
Mehr Informationen unter: <link https: www.kraeuterkurse-vals.ch _blank>www.kraeuterkurse-vals.ch

Wildkräuter und Wein

Im neu erschienenen Buch «Wein und Gemüse» vom Fackelträger-Verlag sind auch Rezepte für Gerichte mit Wildkräutern und passende Weinvorschläge zu finden.
ISBN-10: 3771646871


Buchtipp

Die 200 häufigsten essbaren Wildpflanzen in Illus-trationen und Farbfotos. Mit Angaben, welche Pflanzenteile wann geerntet und wie sie in der Küche verwendet werden können. AT Verlag, 256 Seiten, Fr. 21.90
ISBN 978-3-03800-886-6


Rezepte

Wegerich-Pesto

50 g junge Breit- und Spitzwegerichblätter, sehr fein schneiden
2-3 EL Olivenöl
1 Prise Meersalz
alles im Mörser zum Püree verarbeiten

20 g Baumnüsse gemörsert
20 g Rigi Alpkäse gerieben
viel schwarzer Pfeffer
schmeckt besonders gut auf geröstetem Brot

Labkraut Pannacotta

Zutaten:
200 ml Milch
400 ml Rahm
50 g Zucker
1 ausgekratzte Vanilleschote
fünf blühende Rispen vom Wiesenlabkraut
1-2 TL Agar-Agar oder 4 Blatt Gelatine

Zubreitung: Milch, Zucker und Vanille in der Hälfte des Rahms aufkochen, evtl etwas Agar-Agar beigeben, für drei Minuten weiterkochen. Labkrautblüten zugeben und 10 Minuten mit geschlossenem Deckel ziehen lassen. Oder Gelatine einweichen, ausdrücken und unterziehen. Im Kühlschrank anstocken lassen. Restlicher Rahm schlagen und unterheben, in Schalen füllen und zwei Stunden kühl stellen.

Blumen-Quiche

(reicht für ein rundes Backblech)Zutaten Teig: 200g Dinkelruchmehl80g kalte Butter¾ Teelöffel Salz3 EL Naturejogurt

Zutaten Belag:

Blätter von Brennnesseln, Bärlauch, kleiner Wiesenknopf, Spitzwegerich
3 Eier
100g Rahmquark
1,5 dl Milch
Grünes Gold (Wildkräutersalz), Pfeffer
100g Sbrinz gerieben
eine Handvoll Gänseblümchen und 12 Löwenzahnblütenköpfe

Zubereitung:
Für den Teig Mehl und Salz mischen. Butter beifügen und zu einer krümeligen Masse verreiben, mit dem Jogurt zu einem Teig zusammenfügen, nicht kneten. 30 Minuten kühl stellen. Teig auf wenig Mehl rund auswallen. Im bebutterten Blech auslegen und Teigboden dicht einstechen. Für den Belag Kräuter hacken und mit den restlichen Zutaten, bis und mit Sbrinz mischen, auf dem Teigboden verteilen Gänseblümchen und Löwenzahnblumen auf der Füllung verteilen. Im unteren Teil des auf 220 °C vorgeheizten Ofens 30-35 Minuten backen. Tipp Man kann die Quiche auch mit Gartengemüse, Gartenkräutern, Speckwürfeli, etc. variieren, Hauptsache es hat Blumen drin!