Billiges Fleisch schadet Tier und Umwelt. Mit nachhaltiger Fleischproduktion lässt sich die Weltbevölkerung allerdings nicht ernähren. Kommt die Lösung aus dem Labor?
Salat aus dem eigenen Garten ernten, eigenes Sauerteigbrot backen und nur Fisch aus heimischen Gewässern essen – das alles sind zwar hehre Vorsätze, doch auf diese Weise lassen sich kaum die zehn Milliarden Menschen ernähren, welche die Welt bis 2050 bevölkern werden. Der neueste Podcast des GDI Gottlieb Duttweiler Instituts beschäftigt sich damit, wie wir das Lebensmittelsystem ändern müssen, um die Menschheit nachhaltig zu ernähren – und welche Rolle die fortschreitende Technologisierung dabei spielt.
Für GDI-Foodexpertin Christine Schäfer ist klar: Unser aktuelles Einkaufs- und Essverhalten können wir nicht beibehalten. «Wir leben in einer einmaligen Situation, in der tropische Früchte jederzeit verfügbar sind und bei vielen fast täglich Fleisch auf dem Teller landet. Das war vor einiger Zeit noch undenkbar, und wird auch bald wieder undenkbar sein.» In der Debatte dürfe zudem nicht vergessen werden, dass wir zwar gerne von Tierwohl, Frische und Regionalität sprechen. «Eine tragende Rolle in unserer künftigen Ernährung werden aber Themen wie Big Data, Gentech oder Ertragsoptimierung spielen.» Alle künftigen Foodtrends werden wissenschaftsbasiert sein. Das sei die Ironie in unserem Foodsystem, sagt auch Soziologe und Kleinbauer Chris Smaje: «Alle wollen Salat in ihrem Garten anpflanzen, aber niemand will der schlecht bezahlte Bauer sein, der die Massen versorgt.» Oder wie es Autor Paul Shapiro auf den Punkt bringt: «Alle wollen Fleisch essen, aber niemand will das Tier schlachten.»
Fleisch ohne Schlachten – künftig könnte das möglich sein. «Derzeit erleben wir eine unglaubliche Revolution im Fleischmarkt», so Shapiro, «wir müssen nicht alle Veganer werden, um die Welt zu retten.» Christine Schäfer bestätigt, dass das Interesse an Fleischalternativen riesig ist: «Künftig werden Milliardenbeträge in die Forschung zu Fleisch auf pflanzlicher Basis, aus Fermentation oder aus dem Labor fliessen. Interessant ist, dass gerade die klassischen Fleischproduzenten diese Entwicklung stark fördern.» Denn diese hätten gemerkt, dass sie mit den Alternativen nicht nur Veganer, sondern auch die riesige Zielgruppe der Fleischliebhaber erreichen können.
Martin Zehnder, Category Manager Fleisch bei der Migros, ist ebenfalls optimistisch: «Ich glaube, dass bis 2030 die herkömmliche Fleischwirtschaft sowie Fleischalternativen nebeneinander existieren und die Alternativen bis zu 70 Prozent Marktanteil haben werden.» Entscheidend sei, ob die Alternativprodukte von den Konsumenten wirklich akzeptiert werden. Das bedingt unter anderem, dass diese auch tatsächlich nachhaltig produziert werden.
(Angela Hüppi)