Immer mehr Menschen verbringen ihre Ferien alleine. Manche suchen eine Auszeit, andere das Abenteuer. Allen gemeinsam ist, dass sie speziell auf sie zugeschnittene Angebote schätzen.
Eine Auszeit im Unesco-Welterbe Kloster St. Johann in Müstair, eine «Zeit-für-mich-Woche» im Robinson-Club Arosa oder Mitanpacken auf dem Erlebnishof Caduff – auf dem Internetportal von Graubünden Ferien finden sich speziell für Alleinreisendeganz besondere Erlebnisse. Ein Trend, dem sich immer mehr Anbieter annehmen.
Denn das gezielte Ansprechen des Gästesegments Alleinreisende lohnt sich: Eine von Graubünden Ferien durchgeführte Analyse zeigt, dass acht von zehn deutschen Touristen schon einmal allein im Urlaub waren. Im Jahr 2019 unternahm zudem jede in der Schweiz wohnende Person durchschnittlich 2,9 Reisen mit Übernachtung, alleinstehende Personen hingegen 3,1 Reisen – also leicht mehr als der Durchschnitt. Besonders im umliegenden deutschsprachigen Raum wird gerne alleine gereist: Über 60 Prozent der Touristen aus der Schweiz, Deutschland, Belgien und Österreich verbringen den Urlaub gerne auch einmal allein. Und: Pro Kopf geben Alleinreisende anderthalb Mal so viel Geld pro Reise aus wie Familien, Paare oder Gruppen.
«In der Gästewerbung geht der alleinreisende Gast oftmals vergessen», sagt Martin Vincenz, CEO von Graubünden Ferien. Dadurch fühle sich dieser zu wenig angesprochen. Das will seine Organisation ändern. Denn an Angeboten für Alleinreisende mangelt es nicht: «Graubünden bietet eine Vielzahl von Erlebnissen, die sich gerade für eine persönliche Auszeit ohne Gesellschaft eignen. In der Gästekommunikation heben wir dabei folgende Aspekte hervor: bewusst alleine reisen, sich eine Auszeit für sich selbst nehmen und Achtsamkeit pflegen.»
Denn die Umfrage von Graubünden Ferien zeigt, dass Alleinreisende sich für ihre Ferien vor allem Folgendes wünschen: Unabhängigkeit, das Kennenlernen neuer Menschen, Abenteuer und Action, Erholung, Gesundheit, Wellness und Achtsamkeit. Beworben werden daher Angebote wie eine Bahnreise mit der Rhätischen Bahn zwischen Chur und Bergün Filisur oder ein Digital Detox in einem Bündner Bergdorf. Gerade hat der Kanton Graubünden zudem zur Förderung des Gesundheitstourismus ein neues Leitbild entworfen. «Neue, kombinierte Angebote in den Bereichen Medical Wellness oder sportmedizinische Betreuung könnten insbesondere auch Alleinreisende interessieren», so Martin Vincenz. Derzeit seien neue Angebote dazu im Aufbau.
Etwas, worüber sich Alleinreisende regelmässig ärgern, sind hohe Zuschläge für die Alleinbenützung von Zimmern. Viele Hotels bieten keine Einzelzimmer mehr an, der Aufenthalt kann daher schnell ins Geld gehen. Andererseits ist es für die Hotels nicht weniger Aufwand, ein Zimmer mit Einzelbelegung zur Verfügung zu stellen und zu unterhalten als eines mit Doppelbelegung. Wie es diesen Spagat meistert, entscheidet letztlich jedes Hotel für sich. Graubünden Ferien verweist auf seinem Onlineportal explizit auf Hotels, welche auf Bewertungsportalen sehr gute Einschätzungen von Alleinreisenden erhalten haben. «Persönliche Bewertungen geniessen hohes Vertrauen unter Gästen», sagt Martin Vincenz. «So können Alleinreisende ein passendes Angebot heraussuchen, welches zuvor für sie als positiv beurteilt wurde.» In Graubünden gibt es Hotels wie das Waldhotel Arosa oder das Hotel Belvédère in Scuol, welche Einzelzimmer anbieten, die pro Person nur leicht teurer sind als Doppelzimmer. In manchen Hotels beispielsweise im «Crest’ota» in der Lenzerheide sind die Einzelzimmer pro Person sogar günstiger.
Die Problematik mit dem Einzelzimmerzuschlag kennt auch Thurgau Travel. Das auf Flussfahrten spezialisierte Unternehmen hat bereits seit einigen Jahren Angebote für Alleinreisende, welche in den vergangenen zwei Jahren weiter ausgebaut wurden. «Für Alleinreisende ist wichtig, dass sie den gleichen Komfort und Service geniessen können wie die anderen Gäste. Und dies zu einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis», sagt Geschäftsführer Daniel Pauli. Daher verzichtet Thurgau Travel auch auf einem grossen Teil der Schiffe ganz auf den Einzelbenützungszuschlag oder stellt Einzelkabinen zur Verfügung. «Diese stehen den Doppelkabinen in nichts nach und haben in der Regel einen französischen Balkon, der viel Licht in den Raum lässt», so Pauli. Er ist überzeugt, dass sich das Engagement speziell für Alleinreisende lohnt. «Aktuell gibt es über 1,3 Millionen so genannter Einpersonenhaushalte in der Schweiz, und dieser Trend verstärkt sich weiter», sagt Pauli. «Für uns war es daher nur logisch, auch etwas für dieses Segment anzubieten. Bekräftigt wurde diese Erkenntnis von der Entwicklung unserer Buchungszahlen, die ebenfalls zeigen, dass es immer mehr Alleinreisende gibt.»
Pro Abfahrt sind bei Thurgau Travel zwischen 10 und 15 Prozent der Gäste Alleinreisende. Für sie werden niederschwellige Angebote geschaffen, um in Kontakt mit den Mitreisenden treten zu können. Wichtig: Alle Angebote sind freiwillig. Manche Reisende wollen das Alleinsein zelebrieren – diese Möglichkeit lässt man ihnen. Für alle anderen gibt es unter anderem Apéros, bei denen sich Gleichgesinnte zu Beginn der Reise kennenlernen können. Bei der Tischeinteilung wird zudem darauf Rücksicht genommen, ob die Gäste lieber allein oder in Gesellschaft essen. Und bei den Ausflügen werden die Alleinreisenden von einem Kreuzfahrtleiter beraten.
Ob Bauernhof oder Schifffahrt – gemäss Tourismusexperte Roland Lymann (siehe Interview) sind Alleinreisende für die überwiegende Mehrheit der Destinationen ein interessantes Gästesegment: «Es handelt sich um ein beträchtliches Marktvolumen, das zudem mehrheitlich in der Zwischensaison unterwegs ist.» Ausserdem seien praktisch keine separaten oder zusätzlichen Infrastrukturen und wenige spezielle Leistungen nötig, um diese Gäste anzusprechen. «Einzige Voraussetzung ist das Interesse der lokalen Hotellerie, preislich attraktive Zimmer für die Einzelbelegung sowie entsprechende Angebote und Belegungszonen zu offerieren.» Grössere Investitionen seien meistens nicht nötig.
Ein gezieltes Ansprechen der Alleinreisenden zahlt sich also aus. Dass es sich hier um einen Trend handelt, der künftig weiterwachsen wird, bestätigt auch Schweiz Tourismus. «Unser Tourismus-Monitor Schweiz, die grösste Gästebefragung im Schweizer Tourismus, gibt an, dass acht Prozent der Befragten allein reisen», sagt Mediensprecher André Aschwanden. Dabei handle es sich vor allem um Schweizer und deutsche Gäste. «In den letzten Jahren konnte sich das Alleinreisen immer mehr als Reiseform und gesuchtes Erlebnis etablieren, gerade auch Frauen weltweit sind interessiert an dieser Form des Reisens», so Aschwanden. Ein Zug also, auf den es sich aufzuspringen lohnt.
(Angela Hüppi)
Roland Lymann, sollten sich Destinationen und Anbieter darauf einstellen, künftig mehr Alleinreisende begrüssen zu können?
Alleinreisende werden schon aufgrund der Demografie ein zunehmend wichtigeres Gästesegment. Nicht nur Businessgäste, sondern bis zu 40 Prozent der Gäste bei Tour Operators und Hotels sind heute Alleinreisende. Covid-19 hat diesen Trend noch beschleunigt, weil auf einmal Partnerinnen und Partner nicht wie geplant verreisen konnten.
Für wen lohnt es sich, entsprechende Angebote zu schaffen?
In Schweizer Hotels sind Alleinreisende aktuell überwiegend um oder über 50 Jahre alt und die Frauen sind in der Mehrheit. Für sie dominieren Themen wie Kultur, Sport, Wellness, Begegnungen mit anderen Personen sowie Zeit für Selbstentdeckungen. All diese Angebote können spezifisch für Alleinreisende gestaltet und vermarktet werden. Aufgrund der immer mehr aufkommenden neuen Lebensmodelle wird sich das Segment von Alleinreisenden zudem stärker ausdifferenzieren.
Welche Angebote sind gefragt?
Alleinreisende schätzen oft die Möglichkeit für Kontakte mit anderen Personen wie zum Beispiel an kulturellen Anlässen, auf geführten Wanderungen und ungezwungen in öffentlichen Räumen von Hotels. Wichtig ist zudem eine faire Preisgestaltung ohne Alleinreisenden-Malus.
Gibt es Angebote, welche sich ohne grossen finanziellen Aufwand relativ einfach schaffen lassen?
Marketingmässig kann es sich lohnen, die Zielgruppe zum Beispiel mit eigenen Unterseiten auf den Werbeseiten anzusprechen. Grundsätzlich sind die Werbeargumente und die Gestaltung der Werbeinstrumente auf das jeweilige Segment der Alleinreisenden und deren Bedürfnisse auszurichten.
Roland Lymann war je sieben Jahre als Tourismusdirektor in Wildhaus und Adelboden tätig. Danach wechselte er zur Schweizer Reisekasse. Seit 2008 ist er als Dozent und Projektleiter im Bereich Destinationsmanagement und Gesundheitstourismus am Institut für Tourismus und Mobilität (ITM) der Hochschule Luzern tätig.
Eurotrek spricht die Alleinreisenden auf der Webseite gezielt an. Das Unternehmen ist Spezialist für Aktivferien und bietet Wander- und Veloferien an, bei denen das Gepäck von Unterkunft zu Unterkunft transportiert wird. So können sich die Reisenden ganz aufs Unterwegssein konzentrieren. Bei Problemen können sich die Gäste an eine Service-Hotline wenden, und auf Wunsch steht auf allen Reisen ein Einzelzimmer zur Verfügung. www.eurotrek.ch
Die Organisation Pro Single Schweiz weist auf ihrer Webseite auf geeignete Unterkünfte ohne grosse Zuschläge für Alleinreisende hin. So wird beispielsweise das Hotel Alpenblick in Leukerbad oder das Hotel Linde in Einsiedeln genannt. Auf der Seite finden sich zudem viele weitere nützliche Tipps für Singles. www.prosingleschweiz.ch
Wer alleine sein und sich auf das Wesentliche besinnen möchte, ist in einem Kloster am richtigen Ort. So lädt beispielsweise das Kloster Baldegg/LU dazu ein, den Stress hinter sich zu lassen und ein paar Tage in der Klostergemeinschaft zu verbringen. Hier kann man nicht nur wohnen, sondern auch arbeiten und das schlichte Klosterleben geniessen. www.klosterbaldegg.ch
Der Erlebnishof Caduff in Degen/GR bietet den Gästen eine breite Palette an Produkten und Erlebnissen. Hier wird nicht ausgeruht, sondern angepackt: Auf dem Bio-Bauernhof geht die Arbeit nicht aus. Die Gäste helfen beim Heuen, im Garten, bei der Ernte sowie bei der Vorbereitung von Events. Am arbeitsfreien Tag können sie das Val Lumnezia erkunden. www.biohofcaduff.ch
Wer als Frau allein unterwegs ist, findet in Josephine’s Guesthouse in Zürich ein Zuhause. Hier stehen Zimmer, Monatszimmer sowie eine gemeinsam genutzte Attika zur Verfügung – und zwar nur für Frauen. Zudem werden etwa ein Viertel der Zimmer für Frauen in einer Notlage reserviert.