Die Reiseform, die Geschäfts- und Freizeitkomponenten umfasst, ist zunehmend gefragter. Für die Schweizer Stadthotellerie bietet sie viel Potenzial.
Der Begriff «Bleisure» setzt sich aus den englischen Wörtern «business» und «leisure» zusammen. Darunter versteht man eine Kombination aus einer beruflichen Reise und privater Freizeit. Typischerweise handelt es sich dabei um Geschäftsreisende, die ein paar Tage Ferien an ihre Geschäftsreise anhängen oder Geschäftsreisende, die Begleiter wie Freunde oder Familienmitglieder mitbringen. Barbra Albrecht ist Leiterin des Switzerland Convention & Incentive Bureau (SCIB) und Expertin in Sachen Planung und Durchführung von Business-Veranstaltungen in der Schweiz. Gemäss Albrecht wird der Bleisure-Tourismus weiterhin stark zunehmen. Studien vom Zeitraum 2016 bis 2019 zeigen, dass etwa ein Drittel aller Teilnehmenden an Business Events ihren Aufenthalt vor oder nach dem Event für private Zwecke verlängern. Ein Grund dafür ist, dass man heutzutage sehr gut von überall aus arbeiten kann. Zudem ist das Fliegen beziehungsweise Reisen generell teurer geworden. Aufgrund der Unsicherheit bezüglich der pandemischen Lage wurde das Reisen ausserdem auch umständlicher.
Dann kommt laut Barbra Albrecht ein weiterer Aspekt hinzu: Menschen folgen mehr dem Trend von Nachhaltigkeit und verantwortungsvollem Verhalten. Diese Tatsache wird vermehrt dazu führen, dass Arbeitnehmer eine geschäftliche Reise mit einer privaten verknüpfen, um damit den CO2-Fussabdruck zu reduzieren. Aufgrund dieses nachhaltigen Aspekts ist auch von Seiten der Arbeitgeber zunehmend das Vertrauen da, dass ihre Mitarbeitenden aus der Entfernung arbeiten können. «Zu den Bleisure-Reisenden gehören überwiegend Personen, welche in die Geschäftswelt einsteigen und sich noch nicht der Familienplanung widmen. Oder es handelt sich um Personen, bei denen die Kinder nicht mehr zu Hause wohnen», erklärt Barbra Albrecht. Besonders begehrt bei Bleisure-Reisenden sei Sightseeing. Auch das Dinieren, Kunst und Kultur sowie Aktivitäten im Freien seien gefragt, erläutert sie.
Bleisure ist auch bei den beiden Hotels 25 hours Hotel Zürich Langstrasse und 25 hours Hotel Zürich West ein Thema. Lukas Meier ist General Manager der beiden Zürcher Hotels. Er sagt: «Bleisure ist bei uns gefragt, da die Work-Life-Balance aufgrund der Corona-Pandemie mehr an Wichtigkeit gewonnen hat.» Um das Wohlbefinden zu fördern, ist in den beiden Hotels jeweils eine Sauna vorhanden, deren Nutzung für Hotelgäste kostenfrei ist. Fitnessgeräte stehen ebenfalls zur Verfügung. Für geschäftliche Zwecke gibt es nebst einer schnellen Internetverbindung und guten Arbeitsflächen in den Hotelzimmern auch Computer und Drucker, die Gäste gratis benutzen dürfen.
Eine Kombination aus Business und Freizeit zeigt sich auch in den verschiedenen Event- und Seminarräumen der beiden Hotels. Diese sind nicht standardmässig eingerichtet, sondern sehr spielerisch. Es gibt zum Beispiel den Raum Küchenclub. «In diesem kann man nebenbei kochen. Das ist super für das Teambuilding. Die Küche lässt sich auch gut in den Pausen nutzen», so Lukas Meier. Unter anderem gibt es auch das «Atelier» mit Werkbank. Der Raum hat die ideale Grösse für kleinere Meetings, Zusammenkünfte sowie Produktpräsentationen. Die «Tonbandlounge» eignet sich für kreative Meetings und Apéros und verfügt über eine private Bar und eine Kassetten- und Tonbandanlage. Vor der Tonbandlounge befindet sich ein Spielbereich mit einem Flipperautomaten und einer Armdrücker-Maschine. Bislang habe sich das Konzept mit dem vielseitigen Angebot bewährt. «Man merkt nun, dass die Räumlichkeiten vermehrt gebucht werden. Die Leute wollen Abwechslung. Sie mussten zu lange zu Hause bleiben und schätzen jetzt eine gewisse Individualität», hebt der General Manager hervor.
Vielfalt und individuelle Züge zeigen sich auch beim Gastronomiekonzept der Hotels. Das Restaurant Neni im «25 hours Hotel Zürich Langstrasse» beispielsweise hat persische, russische, arabische, marokkanische, israelische, türkische, spanische, deutsche und österreichische Einflüsse. Das Konzept von Köchin Haya Molcho und ihren Söhnen lebt vom Teilen der Gerichte und dem gemeinsamen Erleben.
Bei den 25 hours Hotels stehen die Bedürfnisse und Wünsche der Gäste im Vordergrund. «Wir möchten, dass unsere Gäste das Hotel und auch die Umgebung entdecken können. Eine Geschäftsreise ist schliesslich auch eine Reise, bei der man etwas erleben will. Ein Geschäftsreisender bleibt in der Regel nicht allzu lange, daher sollte er bestens beraten werden», sagt der General Manager. Dabei sind lokale Empfehlungen und individuelle Tipps von den Mitarbeitenden sehr wichtig. Es wirke besser, wenn man etwas selbst gut finde, sagt er. «Wir versuchen, dass ein Geschäftsreisender länger bleibt, vielleicht auch mal über das Wochenende. Die Preise sind deshalb auch tiefer über das Wochenende. Dafür bieten wir dann beispielsweise bis 14 Uhr einen Brunch an, der im Preis inbegriffen ist», erklärt Lukas Meier.
Es gibt zudem Angebote speziell für Firmen. Geschäftsreisende können unter anderem von einem Fahrradverleih profitieren und mit einem Velo die Stadt erkunden. Dabei bietet eine Tourkarte Unterstützung. Zudem stehen drei Autos der Marke Mini zur Verfügung, welche die Hotelgäste kostenlos, inklusive Benzin, nutzen können, um kurze Ausflüge zu machen. Damit Geschäftsreisende wieder zum Hotel zurückkehren, ist laut Lukas Meier die Qualität wichtig. «Was das Weiterentwickeln des Bleisure-Angebots angeht, wird es mehr in Richtung Packages gehen. Sonst steht das Angebot. Es hat sich bislang bewährt. Wir werden noch an den Insidertipps arbeiten», sagt er.
Auch beim Businesshotel Forum Widnau in Widnau/SG sind Bleisure-Reisen gefragt. Das Hotel wird von den Gastgeberinnen Irene Neubauer und Katharina Faé geführt. «Wir haben bei uns einige Businessgäste, die ihre Partner mitbringen und teilweise privat ein bis zwei Nächte länger bleiben. Wir sind der Überzeugung, dass dieses Gebiet in den kommenden Jahren noch an Beliebtheit gewinnen wird», sagt Katharina Faé.
Das Hotel ist spezialisiert auf Geschäftsreisende. Die Räumlichkeiten sind auf den klassischen Businessgast ausgelegt. Es wird mit vielen Partnern zusammengearbeitet, um den Gästen auch für die Freizeit etwas bieten zu können. Sie können über das Hotel von Preisnachlässen bei Thermen, Fitnessstudios und bei Kosmetikbehandlungen profitieren. «Auch organisieren wir private Touren bei einigen der Winzer in der Umgebung. Zudem verleihen wir kostenlos Citybikes», fügt Katharina Faé hinzu. Aufgrund einer Partnerschaft kann ausserdem die Ostschweizer Gästekarte erworben werden. Mit dieser kann man kostenlos die öffentlichen Verkehrsmittel in der Region nutzen. Viele Attraktionen im St. Galler Rheintal und in der gesamten Ostschweiz können mit dieser Gästekarte kostenlos besucht werden. Drei Tage die Woche gibt es im Hotel ein Yoga- und Meditationsprogramm. Oft werden auch kleine Events im Restaurant durchgeführt wie zum Beispiel das «Wine & Dine», bei dem Winzer ihre Weine vorstellen.
«Bei uns kann man tagen, schlafen, fein essen und sich erholen. Dabei bleiben wir sehr flexibel was die Dauer der Nutzung sowie die Verpflegungspauschalen anbelangt», erläutert die Geschäftsführerin. Darüber hinaus sind verschiedene Seminarräume vorhanden, die Gäste auch nutzen können, wenn sie nicht im Hotelzimmer arbeiten wollen. Im Anschluss können sie sich je nach Bedarf im Restaurant verwöhnen lassen oder sich einen Drink im Innenhof gönnen.
(Chantal Somogyi)
2 bis 3
Nächte dauernde Geschäftsreisen führen am ehesten zu Bleisure-Trips.
Im Bereich internationale Kongresse ist die Nachfrage nach Bleisure-Reisen am höchsten. Es folgen Konferenzen und anschliessend reine Incentive-Reisen.
80 Prozent
der Business Events in der Schweiz finden in Städten statt.
USA, China, Deutschland, UK, Korea und Indien weisen derzeit den grössten Anteil an Bleisure-Reisen weltweit auf.
84 Prozent
der Befragten übernachten gemäss einer Studie des Online-Reisebüros Expedia während der gesamten Dauer der Reise im selben Hotel.
Bleisure gilt schon länger als Phänomen. Mit der Akzeptanz des mobilen Arbeitens haben Bleisure-Reisen eine neue Bedeutung erhalten.
Bei welchem Segment der MICE-Branche ist die Nachfrage nach Bleisure-Reisen besonders hoch?
Meiner Meinung nach am ehesten bei internationalen Kongressen. Je mehr Teilnehmer aus dem Ausland und von je weiter her sie kommen, desto grösser ist das Interesse an Bleisure-Reisen.
Weshalb ist das so?
Das liegt daran, dass die Teilnehmenden die Schweiz in der Regel noch nicht kennen. Geschäftsreisende können die Teilnahme an einem Business Event nutzen, um das Land zu entdecken. Sie können ein paar Tage anhängen und beispielsweise die Destination, in der das Event stattfindet, erkunden. Da die Schweiz von der Grösse her sehr überschaubar ist, können sie auch innerhalb kurzer Zeit viel von der Schweiz sehen.
Welche Chancen ermöglichen Bleisure-Reisen der Schweizer Stadthotellerie?
In den Städten finden in der Schweiz am meisten Business-Events statt. Die Städte sind relativ klein. Jedes Business-Event, das in einer Schweizer Stadt durchgeführt werden kann, trägt dazu bei, dass ein Teil der Geschäftsreisenden die Reise für private Zwecke verlängert. Geschäftliche Anlässe sind demnach ein Hebel für Bleisure-Reisen. Denn wenn ein Business-Event nicht in der Schweiz stattfindet, dann fallen nicht nur die Logiernächte weg, die ein Business-Event generieren würde, sondern damit auch die gesamte Bleisure-Reise an sich.
Barbra Albrecht studierte an der EHL Ecole hôtelière de Lausanne. Hinterher konnte sie viele Erfahrungen in der internationalen Hotellerie sammeln. Danach war sie unter anderem Sales Managerin beim Montreux Tourist and Convention Bureau. Seit 1999 ist sie Leiterin des Switzerland Convention & Incentive Bureau (SCIB) und seit 2016 Mitglied der Geschäftsleitung von Schweiz Tourismus.