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Der gläserne Wellness-Gast

Stirnbänder überwachen den Schlaf und Elektroden den Kreislauf: In der Wellnessbranche spielen persönliche Daten eine immer grössere Rolle. Wer als Anbieter mithalten will, muss reagieren.

Das Dreem-Stirnband misst Gehirnwellen, Herzfrequenz und Atmung und sorgt dank Geräusch-Übertragung ins Innenohr für guten Schlaf. (ZVG)

Ausspannen im Whirlpool, danach ein erfrischendes Gurkenwasser und ab zur Massage – das ist heute noch in vielen Hotels die vorherrschende Vorstellung von Wellness. Dabei wollen die Gäste mehr. Viel mehr. Darauf hat beispielsweise das Boutiquehotel The Alpina Gstaad reagiert. Hier werden seit zwei Jahren personalisierte Wellness-Programme angeboten, die auf den Ergebnissen eines Screenings basieren. Dieses wird zu Beginn des Aufenthalts durchgeführt und dauert eine Stunde. Während dieser wird der Gast genau durchleuchtet: Alter, Grösse, Gewicht und Puls sind erst der Anfang. Danach werden die Hände und Füsse auf Metallsensoren gelegt und der Zeigefinger sowie der Kopf mit Sensoren und Elektroden verbunden. So werden Körperaufbau, Stoffwechsel, Sauerstoffverteilung, Herzfunktion, Kreislauf und Stress ganz ohne Blutabnahme analysiert. 

Diese Werte sowie ein Gespräch über Lebensstil, Anliegen und persönliche Ziele sind Ausgangslage für ein individuelles Programm, das täglich eine Spa-Behandlung und eine Wellnessaktivität beinhaltet. Je nach Ziel können auch Fitnesseinheiten integriert werden.

Gäste setzen aufs Wellness-Selfie

Gemäss der Studie «Wellness 2030 – Neue Techniken des Glücks» des Gottlieb-Duttweiler- Instituts ist dies die Zukunft der Wellnessbranche. Diese werde künftig immer mehr mit der Gesundheitsbranche verschmelzen und dabei auch vermehrt auf High-Tech-Lösungen aus dem Silicon Valley setzen. 

Solche Technologien setzen vor allem auf verschiedenste Daten, die der Gast von sich preisgibt: «Mit den Smartphones ist das Selbstporträt zur dominanten Mitteilungsform geworden», heisst es in der Studie. «In Zukunft kommen zu diesen äus- serlichen Porträts neue Daten hinzu, die unser Inneres messen.» So genannte Wearables, also tragbare Computersysteme wie Fitbit und Co., sammeln Daten über Herzfrequenz, gelaufene Kilometer und Kalorienverbrauch. Im Zentrum steht die Selbstoptimierung: «Gesundheit ist Pflicht und gleichzeitig weit mehr als die Abwesenheit von Krankheit.» 

Wellness wird zu Wellbeing: «Neue Therapiemöglichkeiten heilen nicht nur Kranke, sondern helfen auch Gesunden, ihre Potenziale zu erweitern.» Will die Wellness-Industrie relevant bleiben, muss sie auf diese Bedürfnisse reagieren. 

Der Mensch verlässt sich künftig auf das Daten-Selfie. Dieses offenbart unsere unbewussten Seiten und Körpersignale. «Das Daten-Selfie zeigt, was uns stresst, glücklich, produktiv und kreativ macht, wann wir müde werden und eine Pause oder Aufmunterung brauchen», so die GDI-Studie «Wellness 2030». So gibt es beispielsweise bereits heute Kleider, die mit Temperaturfühlern ausgestattet sind und die Veränderung der Wärme in verschiedenen Körperregionen messen. «Die- se Daten liefern Rückschlüsse, wie jemand sich fühlt und wie sich die Emotionen je nach Situation verändern.» Kombiniert mit anderen Daten liessen sich sogar Rückschlüsse darüber ziehen, welche Menschen einander guttun beziehungsweise sich gegenseitig unter Stress setzen.

Die GDI-Studie kommt zum Schluss: «Die Entwicklung auf dem Gesundheitsmarkt gibt der Wellness-Industrie die Richtung vor: Sie steuert auf kundenzentrierte, datengetriebene Anwendungen zu.» Die Wellness-Industrie werde daher in Zukunft vermutlich nicht mehr in erster Linie durch rein praktische Anwendungen, sondern vor allem durch konstantes Monitoring zum Wohlbefinden beitragen. 

Wellness muss künftig mehr als Entspannung bieten

Dieses Monitoring ist auch die Basis des zu Beginn dieses Artikels beschriebenen «Six Senses Integrated Wellness»-Konzepts. Das Programm wurde von den «Six Senses»-Resorts gemeinsam mit Experten aus Medizin, Psychologie und Wellness entwickelt und soll weltweit neue Standards im Wellnessbereich setzen. Im Mittelpunkt steht die ganzheitliche und individuelle Analyse jedes einzelnen Gasts. Ziel ist die Integration einer gezielten Stressreduktion im hektischen Alltag. 

Das Schweizer Boutiquehotel The Alpina Gstaad macht mit dem Programm gute Erfahrungen. «Die Rückmeldungen der Gäste sind sehr positiv», sagt Managing Director Eric Favre. Die Gäste würden das Programm im Anschluss an die Analyse regelmässig buchen: «Das massgeschneiderte Programm sowie die Fachkenntnisse unserer Therapeuten und Trainer stärken das Vertrauen unserer Gäste.» 

Die Individualität des Programms entspreche dem aktuellen Lifestyle-Trend: «Heute wollen die Menschen grundsätzlich ihren Lifestyle verändern oder verbessern. Unser ganzheitliches Six-Senses-Konzept entspricht daher genau den Bedürfnissen der heutigen Zeit.» Eric Favre ist überzeugt, dass «Six Senses» den Weg in die Wellness-Zukunft weist: «Wir stellen ein erhöhtes Interesse an solchen und ähnlichen Programmen fest. Die Menschen ernähren und bewegen sich bewusster und suchen weit mehr als Entspannung im Spa-Bereich.»

Mit Stirnband ins Bett

Auch die Accor-Hotels wollen eine Vorreiterrolle im Wellbeing-Bereich einnehmen und testeten Anfang des Jahres in den zwei Vorzeigehäusern Pullman Paris Centre - Bercy und Pullman San Francisco Bay die preisgekrönte Technologie «Dreem», welche nachweislich die Schlafqualität fördert. Bei Dreem handelt es sich um ein Stirnband mit ultrafeinen Sensoren, die Schlüsselinformationen wie Gehirnwellen, Herzfrequenz und Atmung erfassen. Zudem überträgt das Stirnband leise Geräusche direkt ins Innenohr. Dank dieser soll der Gast leichter einschlafen, zur richtigen Zeit aufwachen und seine Tiefschlafphase positiv beeinflusst werden. «Das Feedback unserer Gäste war durchwegs positiv. Sie schätzen diese einzigartige technologische Herangehensweise beim Thema Schlaf», so Aldina Duarte Ramos, Director Wellbeing für Sofitel, Pullman & Swissôtel. Nach der zweimonatigen Pilotphase denke man nun darüber nach, Dreem in weiteren Accor-Hotels anzubieten. 

Mehr Mut zum Experiment

Dank des vermehrten Sammelns von personenbezogenen Daten wird der Mensch immer gläserner. Das kann Angst machen, aber auch für das eigene Wohlbefinden genutzt werden. Der Trend im Gesundheits- und Wellnessbereich ist deutlich: Wenn der Gast sich einen gesundheitlichen Vorteil davon verspricht, ist er meistens gerne bereit, seine Daten zu teilen. 

Wer im Wellnessbereich von der Konkurrenz nicht abgehängt werden will, muss auf diese Entwicklung reagieren. Die GDI-Studie zeigt den Weg vor: «In den kommenden Jahren wird es darum gehen, auch unorthodoxe Kooperationen einzugehen und in der Branche über das klassische Verständnis von Wellness hinauszudenken.» Und: «Die Wellness-Industrie wird viel Mut zum Experiment brauchen.» 

(Angela Hüppi)


Neue Technologien im Gesundheits- und Wellnessbereich

Microbiome Testing
Mikroben geben Auskunft über den Zustand der Haut- oder der Darmflora.

Bioelektronische Medikamente
Ziel der bioelektronischen Medizin ist es, mithilfe von winzigen implantierbaren Geräten präzise elektrische Signale in Nerven zu verändern, um lähmende chronische Krankheiten zu behandeln.

Biointegrierte Sensoren
Biointegrierte Sensoren funktionieren als Glukose-Monitore. Biokompatible Implantate überwachen Fluoreszenz, Sauerstoff, Glukose, Laktat oder andere Biomarker im Blut.

Gehirnwellen-Sensoren
Sie werden zur Behandlung von Depression, Belastungsstörung, Schädel-Hirn-Trauma, Alzheimer und Demenz eingesetzt.

Manipulation des Erbguts
Die Manipulation des Erbguts in menschlichen Zellen führt durch Zellenverjüngung zu erhöhter Langlebigkeit.

Smart Lenses
Mithilfe einer Glukose-Linse wird der Glukose-Spiegel überwacht. 

Wearables
Tragbare Computersysteme wie zum Beispiel eine Weste für Gehörlose, die eine neue Art des Hörens ermöglicht. In der Weste sind 32 Motoren verbaut. Jeder dieser Motoren spricht auf eine andere Tonfrequenz an und vibriert dann. Dadurch können über die Haut auf dem Rücken Töne wahrgenommen und in Worte übersetzt werden.  

Quelle: «Wellness 2030», Studie des Gottlieb-Duttweiler-Instituts