Mediadaten Données Media Olympiade der Köche

Der Luxus, offline zu sein

Einfach einmal nicht erreichbar sein oder nicht durch Benachrichtigungstöne und vibrierendeHandys gestört werden – für die einen ist das unvorstellbar, für die anderen purer Luxus. Es gibt Hotels und Restaurants, die ihren Gästen solche digitalen Verschnaufpausen ermöglichen.

  • Statt sich den Wald auf dem Bildschirm anzuschauen, sollte man öfter mal im Wald spazieren gehen und das Smartphone während dessen zu Hause lassen. (Bilder/Illustration: Unsplash und Pierina Bucher)

Das Pfadi-Bundeslager (Bula) 2022 ist zu Ende. 800 Pfadigruppen haben teilgenommen. Darunter auch die Gruppe San Sebastian aus Brig. Deren Leiter hatte für seinen Trupp für die Dauer des Bula ein Handy-Verbot erlassen. Als die Reporterin Sabine Dahinden Carrel für die Sendung «Schweiz aktuell» eine Pfadfinderin fragte, wie sie das fände, antwortete das Kind: «Es ist viel cooler ohne Handy, weil man die Zeit nicht damit verbringt, sondern mit den anderen Pfadis.»

Digitales Fasten und Entgiften

Den zeitweisen Verzicht auf Smartphone und Social Media nennt man Digital Detox. Zu Deutsch: digitales Entgiften. Eine Fastenmassnahme, die vielen Menschen gut tun würde. Wie die James-Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW zeigt, hat die Nutzungsdauer von digitalen Medien in den letzten zwei Jahren stark zugenommen. Kinder verbringen unter der Woche im Schnitt täglich über drei Stunden online. An Wochenenden sogar fünf Stunden. Gemäss Kontor 4, der Agentur für neue Medien, sind Erwachsene im Schnitt täglich 227 Minuten im Internet. Das sind fast vier Stunden pro Tag, also gut 28 Stunden pro Woche, was dreieinhalb Arbeitstagen entspricht.

Dass man nicht ständig online sein muss, um Spass zu haben, hat die Briger Pfadfinderin rasch erkannt. Erwachsene können diese Erfahrung auch machen. Etwa im Mövenpick Hotel Stuttgart Flughafen in Stuttgart (DE).

Ladepause unter Verschluss

Schon seit 2007 befindet sich in diesem Hotel im Eingangsbereich zum Restaurant Trollinger eine Handy-Ladestation. Die Gäste können ihre Smartphones für die Dauer ihres Aufenthalts dort in abschliessbaren Fächern deponieren. Dank diesem Service reduziert das Mövenpick Hotel Stuttgart Flughafen lästiges Telefongeklingel im Restaurant, ohne ein Verbot aussprechen zu müssen. Ausserdem hat sich das Hotel damit ein sympathisches Alleinstellungsmerkmal geschaffen. Tanja Rollny, Cluster Marketing Managerin im Hotel Mövenpick Stuttgart Flughafen, bestätigt: «Unsere Gäste nehmen die kostenlosen, abschliessbaren Smartphone-Ladestationen als individuellen und innovativen Service wahr. Sie reagieren sehr positiv darauf.»

Rückzug aus der Online-Welt

Wer länger als nur eine Mahlzeit lang Online-Abstinenz erleben möchte, hat im Hotel The Chedi in Andermatt/UR Gelegenheit dazu. Das Luxushotel bietet in der Zeit vom 26. Mai bis 31. Oktober einDigital-Detox-Programm an.

Die Gäste können ihre Smartphones und Tablets beim Check-in an der Réception in Verwahrung geben und sich dann ganz der analogen Entspannung widmen. Das digitale Entgiftungs-Package enthält unter anderem eine Yogastunde, eine Meditation, eine Detox-Körpermassage und eine stille Wanderung. Das Package ist ab einem Mindestaufenthalt von drei Nächten erhältlich.

Belle-Epoque-Hotel pflegteine analoge Zone

Auf Offline-Aufenthalte spezialisiert hat sich quasi das historische Hotel Rosenlaui in Rosenlaui im Berner Oberland. Hier, in wildromantischer Berglandschaft, werden seit 1771 Gäste beherbergt. Das heutige Hotel wurde nach einem Brand erbaut und stammt aus dem Jahr 1905.

Die Zimmer und Gesellschaftsräume befinden sich noch im Originalzustand. Das bedeutet, es gibt weder Radio-, Fernseh- noch Internetanschluss in den Zimmern und Salons. Doch das ist für das Hotel Rosenlaui kein Nachteil, sondern ein Alleinstellungsmerkmal, das mit einer smartphonefreien Zone gepflegt wird. Dies obschon die Swisscom in den letzten zwei Jahren viel investiert hat, um das Funkloch im «Rosenlaui» zu schliessen.

«Auch bei der internen Kommunikation verzichten wir auf digitale Geräte.»

Christine Kehrli, Direktorin Hotel Rosenlaui


«Ich glaube nicht, dass die analoge Zone der Hauptgrund für einen Aufenthalt bei uns ist. Aber sie ist beim Check-out sehr oft das Thema positiver Kommentare», sagt Christine Kehrli. Die Hoteldirektorin fasst den Inhalt der Rückmeldungen so zusammen: «Die Atmosphäre im Hotel ist sehr angenehm. Dies auch, weil die Gäste nicht alle auf ihre Bildschirme starren. Man kommt miteinander ins Gespräch und Einzelreisende finden dadurch leichter Anschluss.»

Jüngere mögen analoge Zone

Christine Kehrli ist aufgefallen, dass erstaunlicherweise gerade die jüngeren Gäste generell positiver auf das Handy- und Fotoverbot im Hotel reagieren als ältere Semester. «Es gibt unter 30-Jährige, die mir sagen, dass die analoge Zone für sie ein wichtiger Rosenlaui-Reisegrund sei.»

Bereits vor ihrer Ankunft ist den Gästen klar, dass alle öffentlichen Räume im «Rosenlaui» eine foto- und smartphone-freie Zone sind. «Wir kommunizieren das sehr offensiv und deutlich: auf der Webseite, am Telefon und in den Bestätigungen», erklärt die Hoteldirektorin, die auch bei der Kommunikation mit ihren Mitarbeitenden auf digitale Geräte verzichtet. «Wenn ich einer Etagenmitarbeiterin kurzfristig etwas mitzuteilen habe, muss ich halt jeweils Treppen steigen», sagt Christine Kehrli.

Auf ein digitales Gerät kann aber selbst das Hotel Rosenlaui nicht verzichten. «Da leider immer mehr Gäste ohne Bargeld unterwegs sind, müssen wir heute auch einen Kartenbezahlterminal haben.»

Ruhe statt Klingeltöne

Das «Rosenlaui» ist nicht das einzige Hotel, das eine Digital-Detox-Zone eingerichtet hat. In La Punt Chamues-ch/GR legt das B&B-Hotel Chesa Staila Wert darauf, dass die Gäste in öffentlichen Räumen aufs Benützen von Smartphones, Tablets und Laptops verzichten. «Wir weisen die Gäste beim Check-in subtil darauf hin, dass der Wlan-Code ausschliesslich für die Benützung ihrer Geräte im eigenen Zimmer gedacht ist», erklärt Gastgeberin Evelyn Wäfler-Haller. Dezente Steller in den Gemeinschaftsräumen dienen als Erinnerung. Wobei das selten nötig ist. Die meisten Gäste geniessen die Ruhe im Haus und verzichten von sich aus darauf, ständig erreichbar zu sein.

Detox für alle Fälle

Christine Kehrli ist überzeugt: «Unsere Gesellschaft muss mittel- und langfristig einen besseren Umgang mit der dauernden Verfügbarkeit von Internet und Social Media an allen Ecken und Enden der Welt finden, um das echte, sinnliche Erleben – unseren direkten Bezug zur Welt – weiterhin zu ermöglichen. Gerade für Reisen und Naturerlebnisse wird das bald ein Thema sein.»

Wie recht sie mit dieser Aussage bereits jetzt hat, zeigt eine aktuelle Umfrage von Schweiz Tourismus bei den Spa-Partnerhotels. Diese hat ergeben, dass nicht Digital Detox allein, sondern Entgiftung im Allgemeinen wichtiger geworden ist. Nach den letzten Jahren in der Pandemie mit Homeoffice und Lockdowns habe das Bedürfnis der Menschen zugenommen, dem Körper mit Fasten- und Detox-Kuren etwas Gutes zu tun. Schweiz Tourismus hat nun eine Aufstellung von verschiedensten Detox-Angeboten für Körper, Seele und Geist gemacht. Diese sind auf der Internetplattform myswitzerland.com einsehbar unter dem Suchbegriff «aussergewoehnliche-detox-kuren-­in-hotels». Riccarda Frei

Wer sogar in den Ferien ständig auf den Bildschirm starren muss, sollte checken, ob er oder sie onlinesüchtig ist oder an Fomo, der Phobie etwas zu verpassen, leidet.

Digitale Auszeiten tun Körper, Geist und Seele gut

Viele Menschen sind rund um die Uhr online und dadurch im Dauerstress. Sie schaden damit ihrer Gesundheit. Das Heilmittel heisst: Digital Detox.

So praktisch, hilfreich und unterhaltsam Smartphones und digitale Medien sind, ihre übermässige Nutzung kann etliche Probleme auslösen. Zum Beispiel Fomo. Diese Kürzung Fomo steht für «Fear of missing out». Diese Angst, etwas zu verpassen, führt zu Stress und dem Suchtverhalten, immer online sein zu müssen. Diese Dauerpräsenz wiederum resultiert in Konzentrations- und Leistungsabbau, Kopfschmerzen, Schlafstörungen und anderen gesundheitlichen sowie sozialen Schwierigkeiten.

Einfach abschalten

Wer den Teufelskreis von dauernder Erreichbarkeit und Stress unterbrechen möchte, braucht nur den Ausschaltknopf an seinem digitalen Gerät zu betätigen. Damit Digital Detox, ein Schritt der vielen sehr schwer fällt, etwas leichter wird, hier einige gute Gründe zum Abschalten:

Ständige Erreichbarkeit fördert die Ausschüttung von Stresshormonen. Ein bewusster Online-Verzicht reduziert Stress spürbar.

Durch die digitale Auszeit und mangels Ablenkung verbessern sich Konzentration, Kreativität und Produktivität.

Echte mentale Erholung wird möglich, da nicht ständig neue Reize und Informationen verarbeitet werden müssen.

Auch der Körper kann sich erholen. Die verkrampfte Haltung beim starren Blick aufs Smartphone entfällt, was Nacken, Schultern und Rücken freut. Die Augen relaxen, dadurch werden Spannungskopfschmerzen gemindert.

In Verzicht üben

Zeitpunkt und Dauer von Digital Detox wollen überlegt sein. In dringenden Situationen ist man nämlich nicht sofort erreichbar. Das kann für einen selber, aber auch für die Mitmenschen schwierig sein. Daher sollte man planen, wie man in Notfällen kontaktiert werden kann. Zum Beispiel über eine Festnetznummer oder eine Kontaktstelle/-person.

Digital Detox bedeutet den bewussten Verzicht auf Annehmlichkeiten wie Online-Einkauf, Googeln und zeitnahe News. Dafür lockt das Erlebnis, in Läden einzukaufen, Infos in Büchern nachzuschlagen und die Erfahrung, dass nicht jede News sofort konsumiert werden muss.

(rif)


Buchtipp

Die Literatur- und Medien­wissenschaftlerin Daniela Otto plädiert in ihrem Buch «Digital Detox» für eine gesunde, entspannte Smartphone-Nutzung. Mit Humor und praktischen Tipps zeigt sie den Lesenden, wie sie zu einer neuen, sinnvolleren Life-Media-Balance finden.

Springer Verlag
172 Seiten,
Taschenbuch
ISBN 978-3-662-64324-2
Fr. 31.90