Das Schweizer Polit-Jahr beginnt mit zwei stark umstrittenen Vorlagen. Einmal mehr geht es um AHV und Rentenalter.
Im Herbst 2022 stimmte das Schweizer Stimmvolk der Reform AHV 21 und damit auch der Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre zu. Dies, nachdem in den vorhergehenden 20 Jahren mehrere Revisionsversuche kläglich gescheitert waren.
Dass die Diskussionen rund um die AHV so schnell nicht abreissen würden, war aber schon am Tag nach der Abstimmung klar. Denn schon im Mai 2021 hatte der Schweizerische Gewerkschaftsbund die Initiative für eine 13. AHV-Rente eingereicht, über die nun am 3. März an der Urne entschieden wird. Die Vorlage will, dass Rentnerinnen und Rentner zu den 12 Monatsrenten jedes Jahr eine 13. Rente erhalten. Die maximale jährliche Altersrente würde für Einzelpersonen um 2450 auf 31 850 Franken und für Ehepaare um 3675 auf 47 775 Franken steigen. Die Ergänzungsleistungen dürften deswegen jedoch nicht gekürzt werden. Für die Initiative spricht sich der unabhängige Dachverband der Arbeitnehmenden Travail Suisse aus, dem auch die Hotel & Gastro Union angehört. Die steigenden Preise bei den Mieten, Krankenkassenprämien und beim Strom sorgten für einen starken Kaufkraftverlust bei Rentnerinnen und Rentnern. «Mit einer durchschnittlichen AHV-Rente von knapp 1800 Franken pro Monat ist die AHV heute deutlich zu niedrig», schreibt der Verband.
Eine 13. AHV ermögliche für alle eine würdige Rente, die dem wirtschaftlichen Kontext angepasst sei, sagt Léonore Porchet, Travail-Suisse-Vizepräsidentin. «Nur die erste Säule ist solidarisch und erkennt die unbezahlte Arbeit der Frauen an.»
Bundesrat und Parlament lehnen die Initiative ab ebenso wie die beiden Arbeitgeberverbände Gastrosuisse und Hotelleriesuisse. Die Vorlage würde die bestehenden Finanzierungsprobleme der AHV verschärfen. «Um eine 13. AHV-Rente zu finanzieren, müssten die Lohnabzüge oder die Mehrwertsteuer erhöht werden, was Arbeitnehmende und Arbeitgebende belasten und Konsum verteuern würde», argumentiert der Bundesrat. Laut Gastrosuisse besteht mit dem Drei-Säulen-Prin-zip und den Ergänzungsleistungen ein bewährtes System.
Für die Initianten ist das finanzielle Argument allerdings nicht stichhaltig. So werde die AHV 2026 laut offiziellen Prog-nosen einen Überschuss von 3,5 Milliarden Franken ausweisen. Bei jährlichen Kosten von 4,1 Milliarden für die 13. AHV reichten je 0,4 zusätzliche Lohnprozente von Arbeitnehmenden und Arbeitgebern. «Die Kosten sind tragbar», schreibt der Gewerkschaftsbund.
Neben der 13. AHV-Rente wird am 3. März auch über die Renteninitiative der Jungfreisinnigen abgestimmt. Die Jungpartei will mit einer Erhöhung des Rentenalters auf 66 Jahre bis 2033 die Finanzierung der AHV sichern. Danach soll das Rentenalter, geknüpft an die Lebenserwartung, noch weiter steigen.
Gemäss aktuellen Prognosen würde das Rentenalter damit im Jahr 2050 etwa 67 Jahre und sieben Monate betragen. Die Kopplung des Rentenalters an die Lebenserwartung kam sowohl im Bundesrat als auch im Parlament nicht gut an. Diese berücksichtige weder die sozialpolitische noch die arbeitsmarktliche Situation. «Die Renteninitiative ist eine unsoziale Lösung, die auf Kosten jener geht, die ein hartes Arbeitsleben hinter sich haben», schreibt Travail Suisse.
Sowohl Gastrosuisse als auch Hotelleriesuisse sprechen sich derweil für die Renteninitiative aus. Gemäss Hotelleriesuisse kön-ne ein höheres Rentenalter künftig auch ein wirksames Instrument gegen den Fachkräftemangel werden.
(Alice Guldimann)