Mediadaten Données Media Olympiade der Köche

«Die Schweiz wird immer ein Teil von mir bleiben»

Die Karriere des niederländischen Starkochs Jeroen Achtien hat in der Schweiz so richtig Fahrt aufgenommen. Trotzdem folgt er dem Ruf der Heimat.

Achtien beschreibt sich als bedachter, organisierter Chef, der seine Mitarbeitenden zwar eng führt, ihnen aber trotzdem viel kreativen Spielraum lässt. (ZVG)

Jeroen Achtien, Ende August geht eine fast sechsjährige Ära zu Ende. Für Sie als Mensch und Koch und für das «Sens» im Hotel Vitznauerhof. Wie fühlen Sie sich?
Hin- und hergerissen zwischen Glücksgefühl und schwerem Herzen. General Manager und Freund Raphael Herzog, das Team und ich haben am Vierwaldstättersee etwas ganz Besonderes aufgebaut. Weil wir das taten, was wir lieben, haben wir uns auf der Schweizer Landkarte festgesetzt. Meine Frau Sanne und ich bekommen nun die Chance, unsere Träume zu leben. Jetzt liegt es an uns, sie zu packen.

Sie waren schon Gault Millaus Entdeckung und Aufsteiger des Jahres. Ebenfalls haben Sie mit Christian Vogel das  «Birdy’s by Achtien» in Brunnen/SZ eröffnet. Fällt es Ihnen leicht, all das hinter sich zu lassen?
Nein. Aber ich bin dankbar für Erinnerungen und Freundschaften, die ein Leben lang bestehen werden. Und das «Birdy’s» kommt auch ohne mich gut klar. Ich habe volles Vertrauen in das Team rund um Christian Vogel. Zudem werde ich regelmässig in der Schweiz sein, um mich mit der Crew auszutauschen und zu geniessen, was sie in ihren Outlets zaubern.

Jetzt zieht es Sie zurück in Ihr Heimatland, die Niederlande, wo Sie und Ihre Frau das Drei-Sterne-Restaurant und Boutique-Hotel Manoir Inter Scaldes in Zeeland von Jannis Brevet übernehmen werden. Wie kam es dazu?
Der belgische Food-Blogger Flip Dejaeghere hat mich hier regelmässig besucht und meine Fortschritte über die Jahre bemerkt. Im Juli 2022 nahm er zusätzlich folgende Frage des Küchenchefs Jannis Brevet mit in die Schweiz: «Flip, wenn du ein Power-Paar kennst, das unser Haus übernehmen könnte, lass es mich wissen.»

«Wer es ganz nach oben schaffen will, braucht Biss und Geduld.»

Haben Sie sich dann sofort dafür entschieden?
Als ich am selben Abend nach Hause kam und Sanne davon erzählte, war sie direkt begeistert. Also planten wir kurz darauf einen Besuch und verliebten uns in die Lage, das reichhaltige Angebot an hochwertigen Produkten und das wunderschöne Haus – wir fühlten, was wir auch im «Vitznauerhof» direkt wahrnahmen: Liebe auf den ersten Blick.

Haben Sie beide Ihre Heimat vermisst?
Meine Frau bestimmt mehr als ich. Ich wäre auch gerne in der Schweiz geblieben. Aber genauso, wie wir gemeinsam entschieden haben, in die Schweiz zu ziehen, haben wir auch zusammen den Entschluss gefasst, in unsere Heimat zurückzukehren.

Was bietet die Schweiz, das man sonst nirgendwo findet?
Ich liebe den einzigartigen Geschmack der Alpenbutter und des Rahms (lacht). Ausserdem habe ich in der Region tolle Lieferanten mit bemerkenswerten Produkten. Man schmeckt regelrecht, wie sie mit Leidenschaft ihre Unternehmen und ihre Tiere pflegen. Zudem werden wir die Kombination von See und Bergen und die Tatsache, dass man sozusagen drei Länder in einem hat, vermissen.

Wie geht es mit dem «Sens» weiter?
Das weiss ich leider nicht. Es kamen schon viele Ideen auf den Tisch, die diskutiert und wieder verworfen wurden. Gut Ding will Weile haben. Und ich kenne den Visionär Raphael Herzog nur zu gut. Er wird ganz bestimmt wieder alle überraschen.

Inwiefern wird sich die Kulinarik, die Sie im «Sens» grossgemacht hat, vom Kochstil an Ihrer neuen Werkstätte unterscheiden?
Ich bleibe mir im Grundsatz treu, werde aber natürlich Produkte aus der Region einbauen, Unser Restaurant befindet sich in der Nähe zweier Salzseen und des Meeres. Der Fischlieferant liegt fünf Minuten entfernt, die Austernzucht ist ebenfalls um die Ecke. Zudem bietet die Region viele wild wachsende Algen. Auch Obst und Gemüse gedeiht grossartig, da die Region Zeeland zehn Prozent mehr Sonnenlicht im Jahr hat als der Rest des Landes.

Was macht einen guten Sternekoch aus?
Chefkoch zu sein, ist viel mehr, als nur gutes Essen zu machen. Man darf nie vergessen, dass man ein Vorbild für andere ist und mit gutem Beispiel vorangehen soll. Plötzlich ist man die Person, die andere junge Köche wachsen lässt. Es ist wichtig, Verantwortung zu übernehmen: für die Mitarbeitenden wie auch für die Gäste.

Welchen Rat geben Sie Talenten, die ebenfalls eine erfolgreiche Karriere anstreben?
Man sollte diesen Beruf nicht ausüben, wenn man mit fixen Arbeitsstunden rechnen möchte. Um an die Spitze zu kommen, muss man gewillt sein, die Extrameile zu gehen. Und das braucht Geduld. Zudem sage ich jungen Köchen stets: Schätzt die Schönheit eures Handwerks – es ist einzigartig.

(Andrea Decker)


Zur Person

Der Niederländer (35) ist verheiratet und lebt noch in Vitznau/LU. Achtien wurde von Gault Millau als «Entdeckung des Jahres 2018» sowie zum «Aufsteiger des Jahres 2021» ausgezeichnet. 2021 wurde seine Arbeit mit ­18 Gault-Millau-Punkten und einem zweiten Michelin-Stern geehrt. Im Herbst geht er zurück in seine Heimat, wo er das Drei-Sterne-Restaurant Inter Scaldes in Zeeland führen wird.

Mehr Informationen unter:

vitznauerhof.ch

interscaldes.nl