Der Zukunftsforscher Roger Spindler steht der Digitalisierung kritisch gegenüber. In Hotels erwartet er vor allem Authentizität.
Mit welchen Herausforderungen sind die Hotellerie und die Gastronomie in Zukunft konfrontiert?
Ich bin Referent für das Zukunftsinstitut in Frankfurt am Main (DE). Da beschäftigen wir uns unter anderen mit den Themen Globalisierung, Wissenschaften oder Konnektivität. Und wir befassen uns intensiv mit den Megatrends. Die Gastronomie und die Hotellerie kenne ich vorwiegend als Gast, aber vieles von dem, womit wir uns beschäftigen, betrifft die Branche.
Woran denken Sie genau?
Viele denken, dass die Digitalisierung der Weisheit letzter Schluss ist. Dem ist aber wohl nicht so. Die meisten Gäste wünschen sich ein Erlebnis. Sie wollen Sinnlichkeit und Echtheit. Die meisten Menschen durchschauen es, wenn ein Angebot nur aufgesetzt ist. Die Gastgeber sollten die Gabe haben, Geschichten zu erzählen zu ihrem Betrieb, zu ihrer Philosophie und ihren Produkten.
Viele Hoteliers und Gastronomen haben diese Gabe.
Das ist richtig, aber sie müssen hinter dem, was sie tun, voll und ganz stehen. Und das Angebot muss wertig sein. Wenn ich ein Hotel besuche, möchte ich etwas erleben. Ich möchte die Sinnlichkeit, die Wertschätzung dem Gast gegenüber und die Sorgfalt spüren. Die Gastgeberin oder der Gastgeber muss sein Konzept leben. Und das Konzept muss sich durch den ganzen Betrieb hindurchziehen – also entweder ganz oder dann lieber gar nicht. Gastronomen und Hoteliers brauchen klare Strategien und klare Visionen. Damit meine ich, dass sie den Ort, an dem sie wirken, kennen müssen. Sie sollten mit der Branche vertraut sein und wissen, was die Konkurrenz tut.
Der Fachkräftemangel ist ein grosses Thema in der Branche. Wie findet man neue Talente?
Die Menschen, die jetzt in die Arbeitswelt eintreten, sind nicht mehr gewillt, so viel zu arbeiten, wie wir es tun oder taten. Sie funktionieren nicht mehr so, wie wir in den letzten 60 Jahren funktioniert haben. Es ist mehr als nur angezeigt, dass man neue Arbeitsmodelle anbietet. Jungen Menschen ist es nicht nur wichtig, wofür oder wo sie arbeiten, die Sinnfrage ist entscheidend. Dem müssen Arbeitgebende Rechnung tragen.
Wie sieht es bei den Lohnvorstellungen der jungen Menschen aus?
Die jungen Leute legen grossen Wert auf die Sinnhaftigkeit der Arbeit, die sie tun. Ausserdem erwarten sie Wertschätzung und Respekt. Natürlich wollen sie fair entlöhnt werden, aber Geld hat nicht mehr diesen Stellenwert, den es einst hatte.
Was denken Sie über neue Technologien?
Es gibt Hotels, die als Alleinstellungsmerkmal die Bedienung von Licht, Lüftung und Musik mittels Tablet steuern. Ich verstehe absolut, wenn das nicht akzeptiert wird. Wir sind ständig mit unseren technischen Geräten beschäftigt. In einem Hotel will ich das nicht. Es ist mir egal, welche Lichtstimmung in meinem Zimmer herrscht. Ich will auch nicht mittels eines QR-Codes mitteilen, ob ich am nächsten Tag eine Zimmerreinigung möchte oder nicht. Wenn, dann teile ich dies mündlich der betreffenden Mitarbeiterin oder dem Mitarbeiter mit.
Aber bei betrieblichen Abläufen ist die Digitalisierung hilfreich.
Das ist auf jeden Fall so. Und ich begrüsse es, wenn man in der Arbeitswelt auf solche Hilfsmittel zurückgreifen kann. Die Gäste sollen Hotels mittels Digitalisierung suchen, auswählen und buchen können. Auch für das Pflegen und Auswerten der Gästedaten ist die Digitalisierung ein Segen. Aber das Erlebnis im Hotel darf nicht digital sein. Während der Corona-Krise hat ein immenser Schub an Digitalisierung stattgefunden. Aber leider hat man dabei vergessen, sich auf das Echte zu konzentrieren.
(Daniela Oegerli)
Roger Spindler ist Direktor der Schule für Gestaltung Bern und Biel/BE. Zudem amtet er als Referent für das Zukunftsinstitut in Frankfurt am Main (DE). Er befasst sich intensiv mit den Fragestellungen rund um den Megatrend Bildung und die aktuellen Veränderungen in der Arbeits- und Medienwelt.