Das Hotel Tannenboden in Flumserberg/SG hat eine über 100-jährige Geschichte. Ausgerechnet nach der runden Jubiläumsfeier wurde den Betreibern bewusst, dass es so nicht mehr weitergehen kann.
Keinen Franken wert ist das Nächtigen in diesem Haus!» Diese Aussage eines Schweizer Gastes im Jahr 2014 war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. «Als ich das hörte, war ich extrem schockiert. Gleichzeitig musste ich dem Gast recht geben», gesteht Hannes Kurath, Geschäftsführer und Mitinhaber des Hotels Tannenboden in Flumserberg. Zusammen mit seinen beiden Schwestern und seiner Mutter gehört ihm der Familienbetrieb, den sie bereits in fünfter Generation führen. «Wir dachten schon seit Jahren darüber nach, was mit dem Haus geschehen soll, wir sahen ja auch, dass Renovationen nötig waren», so Kurath. Doch alle angedachten Sanierungs- und Renovationsprojekte erschienen als nicht finanzierbar. «So schoben wir die Entscheidung immer wieder hinaus», erinnert sich Hannes Kurath. Bis zu jenem denkwürdigen Moment an der Réception.
Flumserberg steht für die Siedlung oberhalb von Flums. Dabei handelt es sich nicht um einen Berg, sondern um drei Alpen. Der Tourismus begann 1880, als auf der Prodalp ein Kurhaus errichtet wurde. Eine weitere touristische Entwicklung setzte ab dem 20. Jahrhundert ein. Einerseits mit dem Bau eines ersten Skilifts 1945, andererseits mit dem Sessellift auf den Maschgenkamm und die Errichtung einer Luftseilbahn ab Unterterzen nach Flumserberg in den 1950er-Jahren.
Hannes Kurath, Geschäftsführer Hotel Tannenboden
Heute umfasst das Skigebiet 17 Anlagen, 65 Kilometer Skipiste mit drei Talabfahrten, Winterwanderwege und einen Schlittelweg. Höchster Punkt des Ski-gebiets ist auf 2222 Metern über Meer. «Der obere Teil gilt als relativ schneesicher», weiss der Hotelier, der die Umgebung wie seine Westentasche kennt. Auch in diesem schneearmen Winter habe man fast immer überall skifahren können. Einzig in den unteren Lagen seien die Pisten nicht immer top gewesen.
Im Tourismusgebiet gibt es neun Hotels mit 184 Zimmern. Ein paar Betriebe sind klein mit rund 20 Betten, andere sind gross mit bis zu 100 Betten. Dabei va-riiert die Klassierung bis drei Sterne. Alle Hotels auf Flumserberg haben im Tourismusjahr 2021/22 über 30 000 Logiernächte generiert. Noch höher ist diese Zahl in der gleichen Periode bei den Gruppenunterkünften mit über 56 000 Logiernächten und bei den Ferienwohnungen mit rund 126 000 Logiernächten. Noch in der Kindheit von Hannes Kurath gab es fünf Hotels mehr. «Die meisten Betriebe wurden mangels einer Nachfolgeregelung aufgegeben», weiss Kurath.
In seiner Familie war die Nachfolgeregelung gleich zweifach vorhanden. Eine seiner Schwestern führte nach dem unerwarteten Unfalltod des Vaters in den 1980er-Jahren den Betrieb für einige Jahre. Als diese sich zusammen mit ihrem Mann neu orientierte, übernahm Hannes Kurath 2010 die Geschäftsführung.
Und nur vier Jahre später musste sich Kurath diese Aussage jenes unzufriedenen Gastes anhören. Daraufhin wurde der Familienrat einberufen. «Wir legten alle Möglichkeiten auf den Tisch», erzählt Hannes Kurath. Vom Verkauf des Hauses an einen Investor über die Errichtung von Eigentumswohnungen bis hin zur Sanierung des Hotelbetriebs: Alle Möglichkeiten wurden diskutiert.
Hannes Kurath, Geschäftsführer Hotel Tannenboden
Neben dem Hauptgebäude gehören drei weitere Häuser zum Hotelbetrieb. Jenes aus den 1978er-Jahren, gebaut von Hannes’ Vater, war noch gut in Schuss. So wurde auch die Möglichkeit, sich nur auf dieses Haus zu konzentrieren, ernsthaft diskutiert. Doch dann entschied die Familie, sich auf einen Neubau einzulassen. «Wir hatten dafür ein extrem enges Zeitfenster von neun Monaten eingeplant», so Hannes Kurath. Ein Zeitplan, der von Architekten und Bauunternehmen als nicht realisierbar erachtet wurde. Schliesslich befindet sich der Betrieb im Berggebiet. Sämtliches Baumaterial musste über die kurvenreiche Strasse auf den Berg gebracht werden.
Ein grösseres Problem stellte die Finanzierung dar. «Natürlich konnten wir auf einen Bankkredit zurückgreifen», hält Kurath fest. «Doch die Verantwortlichen wollen für einen Betrieb in den Bergen eine höhere Eigenfinanzierung, als dies von Privatpersonen für den Eigenheimbau verlangt wird.» In seinem Fall waren es rund 50 Prozent der Baukosten, die aufgetrieben werden mussten.
Doch mit viel Engagement und cleveren Finanzierungsmöglichkeiten schaffte es die Familie Kurath, das Geld aufzutreiben. Neben privaten Mitteln sämtlicher Familienmitglieder floss das Erwirtschaftete der letzten Jahre ins Bauprojekt ein. Eine weitere Finanzierungshilfe waren vier Eigentumswohnungen, die vom Studio bis zur Dreieinhalb-Zimmer-Wohnung im neuen Hotel eingeplant und an Gönner verkauft wurden. Nicht, um sie in den Ferien selber zu bewohnen, sondern um sie dem Hotel komplett zur Verfügung zu stellen. «Wenn wir gut wirtschaften, haben wir die Möglichkeit, diese Wohnungen zu einem späteren Zeitpunkt zum Einkaufspreis zurückzukaufen, das steht so in den Verträgen», erklärt Hannes Kurath. Die jetzigen Wohnungsbesitzer können also keinen Profit aus den Immobilien schlagen. Der einzige Verdienst ist die Miete, die das Hotel ihnen monatlich bezahlt. Ein weiterer Finanzierungsanteil war ein Kredit der Schweizerischen Gesellschaft für Hotelkredit SGH.
Doch für den geplanten Neubau mit 40 Zimmern beziehungsweise 77 Betten fehlte dennoch ein Restbetrag von 300 000 Franken. «Wir erfüllten alle Anforderungen, um bei der Schweizer Berghilfe nachzufragen», so Hannes Kurath. Die Verantwortlichen der Schweizer Berghilfe kamen vorbei und willigten ein, den Restbetrag zu finanzieren.
Schliesslich konnten die Bagger auffahren. Exakt am ersten Tag des Lockdowns im März 2020. «Das war für uns einerseits Glück, wir hätten den Betrieb sowieso schliessen müssen.» Andererseits musste Kurath Lösungen für seine rund 25 Mitarbeitenden finden. Gefunden hat er sie auf verschiedene Weise: Einerseits richtete er im Annexbau aus den 1978er-Jahren eine kleine Restauration für die Hotelgäste ein, andererseits pachtete er ein kleines, leer stehendes Restaurant dazu, das nach den ersten Corona-Lockerungen betrieben werden konnte. Zudem teilte er zwei Mitarbeitende bei der Baustelle ein. «Diese hatten die Aufgabe, die Baustelle sauber zu halten, so konnten beispielsweise die Elektriker eine halbe Stunde früher Feierabend machen.» Wenn man die Arbeitszeit von vier Elektrikern zusammenrechnet, ergäbe das ein schönes Sparpotenzial.
Den Mitarbeitenden habe diese Zwischenlösung rückblickend gut gefallen, freut sich Hannes Kurath. Sein Vorteil war, dass er Anfang Dezember 2020, just auf die Wintersaison, den neuen Betrieb mit seinem Stammpersonal eröffnen konnte. Um ihn drei Tage später wieder schliessen zu müssen. Auf Bundesebene war der nächste Shutdown beschlossen worden. «Das war ein Schlag in die Magengrube», erinnert er sich. «Ich habe mich eine Woche lang eingesperrt und wollte nichts wissen, selbst nicht von meiner Familie.» War alles für die Katz? Haben er und seine Familie aufs falsche Pferd gesetzt? Die Zweifel waren gross. So entschloss er sich, im Januar 2021 das ganze Personal in die Betriebsferien zu schicken, damit alle, auch er selber, wieder auftanken konnten.
Doch dann kam der Februar und damit die grosse Buchungswelle. «Die Schweizer Bevölkerung realisierte, dass sie zwar viele Einschränkungen hinnehmen musste, als Hotelgast aber auch viele Freiheiten geniessen konnte.» So brummte das Geschäft wie nie zuvor, und noch heute profitiert der «Tannenboden» von dieser Zeit. «Wir konnten neue Gäste gewinnen, die uns bis heute erhalten geblieben sind», freut sich Hannes Kurath. Er ist überzeugt, mit dem Neubau die richtige Entscheidung getroffen zu haben. «Mit der jetzigen Lösung sind wir auf dem Hotelmarkt konkurrenzfähig.»
(Ruth Marending)
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Die Schweizer Berghilfe unterstützt seit 80 Jahren die Berglandwirtschaft und weitere Branchen im Berggebiet. In den Genuss kommen auch Restaurants und Hoteliers. Wie erfahren Sie von unterstützungswürdigen Projekten?
Margrith Bertini: Indem die Hoteliers und Hotelièren aus dem Berggebiet auf uns zukommen, wenn sie Hilfe brauchen.
Welche Betriebe haben eineChance auf Unterstützung?
Klein- und Kleinstbetriebe mit weniger als 50 Zimmern sowie weniger als vier Sternen, also keine Luxusprojekte. Der Betrieb sollte gut in der Region verankert sein und zur regionalen Tourismusstrategie passen. Grundsätzlich haben privatwirtschaftliche Betriebe eine Chance, die in einer Bergzone oder im Sömmerungsgebiet liegen und ein wichtiger Arbeitgeber für die Region sind.
Welche Kriterien müssen des weiteren erfüllt sein?
Wir unterstützen Investitionen in die Infrastruktur wie den Neubau eines Hotels, die Erneuerung von Gästezimmern oder Sanierung einer Fassade. Ein Beitrag der Berghilfe ist dann möglich, wenn die finanziellen Mittel für die Investition trotz Eigenkapital, Fördergeldern der öffentlichen Hand und Darlehen nicht ausreichen.
Wann muss dieses Gesuch eingereicht werden?
Der richtige Zeitpunkt ist in der Planungsphase, wenn konkrete Offerten, Baupläne und ein Businessplan vorliegen und die Finanzierung grösstenteils gesichert ist. Wichtig ist, dass das Projekt noch nicht umgesetzt ist.
Mit welcher finanziellen Hilfe dürfen betroffene Berghotelbetreiber rechnen?
Dazu gibt es keine Regel, weil die Berghilfe bedarfsgerecht unterstützt. Besteht nach Einbringen der oben erwähnten Finanzierungsmöglichkeiten ein Fehlbetrag, so prüft die Berghilfe die Übernahme der Restkosten.
Margrith Bertini ist Projektleiterin Tourismus bei der Schweizer Berghilfe.
2323
Hotelbetriebe waren 2022 gemäss dem Bundesamt für Statistik und der Beherbergungsstatistik Hesta im Schweizer Berggebiet registriert. Dazu kommen 2700 Gastronomiebetriebe inklusive Restaurants.
1816
wurde das erste Berghotel auf Rigi-Kulm eröffnet.
1850
folgte die zweite wichtige Bauphase in der schweizerischen Hotellerie. Besonders viele Hotels und Gasthäuser wurden nach 1860 erbaut, als viele touristische Regionen einen Boom erlebten.
54 783
Betten standen gemäss dem Bundesamt für Statistik im Jahr 2022 in der Bergregion zur Verfügung. Das entspricht einer Abnahme von 1242 Betten.
3 Millionen
Franken hat die Schweizer Berghilfe in den letzten fünf Jahren jährlich im Bereich Gastgewerbe investiert.