Werner Koch ist Leiter des Alterszentrums Stampfenbach/ZH und einer der ersten acht Wasser-Sommeliers der Schweiz. Im Interview erzählt er unter anderem, was ihn zu dieser Ausbildung bewogen hat.
Herr Koch, Sie sind seit vielen Jahren mit älteren Menschen in Kontakt. Wie hat sich deren Trinkverhalten über die Jahre verändert?
Es wird heute sehr viel weniger Alkohol getrunken. Nur schon die Verschärfung der Promille-Regelung in der Schweiz hat dies bewirkt. Ein gesunder Lebensstil gehört heute zum guten Ton. Man sucht ständig nach neuen Möglichkeiten, nach neuen Produkten, nach neuen kreativen Erfindungen, um gesünder zu leben. Dementsprechend wird auch eine immer grössere Auswahl von alkoholfreien Getränken oder kreativen Variationen nachgefragt.
Was hat Ihnen am Seminar «Der Schweizer Wasser-Sommelier» am besten gefallen?
Generell war es die wahnsinnige Vielfalt des Themas Mineralwasser. Es gehört unheimlich viel dazu. Von der Geschichte der Thermalquellen über geologische Begebenheiten bis hin zur Frage, was Mineralwasser überhaupt ist. Sehr eindrücklich war auch der Besuch bei der Goba AG in Gontenbad, wo das Appenzeller Mineralwasser sowie beispielsweise Flauder hergestellt wird. Wir konnten hier viel entdecken und sehen. Wie sieht eine Quelle aus? Wie wird sie erschlossen? Wo wird eine Fassung im Boden gesucht? Was macht eine unterirdische Anlage aus? Wie funktionieren die Rohrleitungen? Das war schon spektakulär. Vor allem, wenn man solch eine Mineralwasserflasche vor sich hat und weiss, wo diese Tropfen überall durchgeflossen sind. Am faszinierendsten war für mich aber das Thema Sensorik – Wasser mit allen Sinnen zu erfassen.
Wie darf man sich das vorstellen?
In erster Linie – das ist das, was sich immer alle unter dem Job des Wasser-Sommeliers vorstellen – geht es um den Geschmack. Aber wir haben auch gelernt, wie wir es anschauen, riechen und hören können. Was passiert mit dem Mineralwasser, wenn man es anschaut? Wie spiegelt es sich an der Glaswand? Zerreisst es innen die Fläche vom Wasser oder gleitet es schön, wie ein Spiegel? Mineralwasser riechen unterschiedlich. Zum Beispiel nach Schiefer, Erde oder Salz. Auch beim Hören gibt es Unterschiede im Prickeln der Kohlensäure.
Und beim Schmecken? Worauf achtet man da?
Man lernt, wie man die vier Grundgeschmacksarten süss, sauer, salzig und bitter aus einem Schluck Wasser herausspüren kann. Dafür muss man wissen, welche Bereiche auf der Zunge stärker auf gewisse Geschmacksrichtungen reagieren. Das Süssliche vorne, das Bittere eher hinten beim Zungenansatz, das Salzige auf beiden Seiten. Wenn man dann verschiedene Wasser nicht nur herunterschluckt, sondern im Mund lässt, kann man im Kopf durch ein Raster gehen, das wir gelernt haben. Dazu gehört auch die Unterscheidung zwischen dem anfänglichen Geschmack, dem Geschmack nach 10 bis 15 Sekunden und dem Geschmack beim Runterschlucken sowie das allgemeine Mundgefühl.
Ein wichtiger Bestandteil des Seminars war das sogenannte «Pairing». Worum geht es dabei?
Im Grunde geht es darum zu erfahren, welche Getränke zu welcher Art von Essen passen und warum. Wir konnten dabei verschiedenste Dinge degustieren. Etwas, das mich sehr fasziniert hat, war die Frage nach einer alkoholfreien Essensbegleitung zu einer Käseplatte. Wussten Sie, dass warmer Apfel- oder Birnensaft wirklich hervorragend dazu passt? Das ist ein völlig neues Geschmackserlebnis. Oder Apfelschorle zu Schweinsbraten. Die Säure von den Äpfeln kompensiert die Schwere vom Fleisch oder der Sauce. Experimentiert wurde auch mit Schoggimousse. Es schmeckt jedes Mal komplett anders, wenn man es mit Portwein, Espresso oder Traubensaft geniesst. Das war wirklich interessant.
Wie reagiert Ihr Umfeld auf Ihren Titel «Wasser-Sommelier»?
Am Anfang vor allem mit Unverständnis. «Was soll das sein?», fragen sie oft. Aber sobald ich ihnen mehr davon erzähle, finden sie es meistens spannend. Besonders dann, wenn ich mit ihnen gemeinsam etwas degustiere.
Was denken Sie – wird der Stellenwert des Wasser-Sommeliers in Zukunft noch höher?
Ich denke, dass die alkoholfreie Essensbegleitung immer wichtiger wird. Mit dem gesunden Lebensstil gibt es heute mehr Leute in unserer Gesellschaft, die keinen Alkohol trinken und im Moment noch relativ schwach bedient werden. Ich glaube, da gibt es grosses Potenzial.