Je höher die Karrierestufe, desto weniger Frauen sind dort anzutreffen. Das sollten Firmen im eigenen Interesse ändern.
Unternehmen mit geschlechtergemischten Führungsteams schneiden in Bezug auf Umsatz und Gewinn besser ab als Firmen, die ausschliesslich Männer im Kader haben. Das hat die Beratungsfirma Ernst & Young bereits 2012 im Rahmen einer Studie festgestellt. Trotz dieser Erkenntnis sind Frauen in Kaderpositionen und Verwaltungsräten noch immer massiv in der Unterzahl.
Das hat verschiedene Gründe. Zum einen bewerben sich weniger Frauen für Chefposten. Sie sind oft selbstkritischer als männliche Berufskollegen und trauen sich die Aufgaben nicht zu. Obwohl sie die nötigen Qualifikationen für den Job hätten.
Zum andern bremsen familienunfreundliche Arbeitszeiten die Frauen aus. In vielen Firmen herrscht noch immer die Überzeugung vor, dass Führungsauf-gaben weder in einem Teilzeitpensum noch in Jobsharing wahrgenommen werden können. Dass dies sehr wohl geht, zeigen unter anderem Anna Hug und Marianne Wüthrich Gross. Sie leiten gemeinsam und erfolgreich das Backwarenunternehmen Hug in Malters/LU.
Frauen in Spitzenpositionen sind ein Indiz für eine offene, zukunftsorientierte Unternehmenskultur. Sie haben eine symbolische Wirkung nach innen und aussen. Zudem wirkt sich eine gemischtgeschlechtliche Führungscrew nachweislich positiv auf das Arbeitsklima aus.
Doch was muss ein Unternehmen tun, um seinen Frauenanteil im Kader zu erhöhen? Als Erstes gilt, ein gendersensibles Personalmanagement zu etablieren und ein paar Fragen zu klären. Werden Frauen in Bezug auf Aus- und Weiterbildung sowie Karriereplanung gleich behandelt wie Männer? Erhalten sie für die gleiche Arbeit den gleichen Lohn? Sind die Arbeitszeiten und Einsatzpläne familienfreundlich? Wie können die Arbeiten und Verantwortlichkeiten aufgeteilt werden, damit sie in einem Teilzeitpensum oder in Jobsharing wahrgenommen werden können?
Von den zwei letztgenannten Punkten würden nicht nur Frauen profitieren. Es gibt immer öfter auch Männer, die kein Vollzeit-Chef mehr sein möchten. Sei es, weil sie mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen möchten oder es ab einem gewissen Alter etwas ruhiger angehen und das Leben noch geniessen wollen.
Um den Frauenanteil im Betrieb zu erhöhen, reicht es nicht, in der Stellenausschreibung hinter die Kaderposition «m/w/d» zu setzen. Wer Frauen ansprechen will, sollte auf eine genderspezifische Kommunikation achten. Dies nicht nur durch Wortwahl, sondern auch durch Bildsprache. Kommen Frauen auf den Firmenfotos überhaupt vor und wenn ja, wie werden sie dargestellt? Als Sekretärin, die der Herrenrunde den Kaffee serviert, oder als kompetente Führungskraft?
Das gezielte Ansprechen der Frau als zukünftige Führungskraft beginnt idealerweise lange vor besagter Stellenausschreibung. Vorgesetzte können bereits weibliche Lernende durch Gespräche ermutigen, ihre Entwicklungsmöglichkeiten auszuloten und eine Karriere zu planen. Die Einladung zu einem internen Talentpool, einem Mentoringprogramm oder in ein Frauennetzwerk senkt die Hemmungen, sich dereinst auf die Führungsetage zu wagen, noch mehr.
(Riccarda Frei)